William Gibson – Idoru

William Gibson, laut Spiegel, „wohl der einzige Science-Fiction-Autor der Welt, dessen Werke eine unmittelbare Wirkung auf die Gegenwart haben“. William Gibson, der mit seiner Neuromancer-Trilogie den Begriff des „Cyberspace“ kreierte, hat jetzt mit IDORU seinen neuen Roman abgeliefert, sehnsüchtig erwartet von einer treuen Leserschar, sicherlich aber auch von den Verlegern – zwecks Säckelfüllen. Wie sonst ist das geradezu parallele Erscheinen in den USA und in Deutschland zu erklären – beim Plattwalzen von Mia Farrows Seelenleben, John Hewitts Liebesleben, etc gang und gäbe, bei einem SF-Roman bisher wohl nicht für möglich gehalten.

Zur Story: Der amerikanische Rockstar Rez verliebt sich in eine japanische Kollegin, Rei Toei. Das wäre sicherlich auch nichts ungewöhnliches, wäre Rei Toei nicht eine Idoru, eine virtuelle Realität, also keine Person aus Fleisch und Blut, sondern eine vom Computer erzeugte. Und dieser, ich möchte es mal Tatbestand nennen, ist Aufhänger für zwei dünne Geschichtchen mit je einem Protagonisten: einmal Laney, der mal als Internet-Klatschreporter gearbeitet hat und jetzt versucht, sich als Datenschnüffler in Tokio über Wasser zu halten. Zum anderen die 14jährige Chia Pet McKenzie, die vom Seattle-Rez-Fanclub nach Tokio geschickt wird, um die Liebesgeschichte ihres angehimmelten Rez zu überprüfen.

Die beiden Geschichten kommen nie so richtig in Fahrt und werden am Ende des Buches auch nur leidlich zusammengeführt. Die Frage, die man sich als erstes stellt, wenn man den Klappentext liest: „Wie läuft das Liebesleben zwischen einem Kohlenstoff-basierten und einem Bit-basierten Lebewesen ?“ bleibt quasi völlig unbeantwortet, so wie Rez und Rei Toei zwar in aller Munde sind, aber im Roman über Nebenrollen nicht hinaus finden. Die Faszination, die von Neuromancer ausgegangen ist, hier sucht man sie vergebens.

Irgendwie erinnert mich das Ganze an Machwerke wie Michael Crichtons „Dino Park“, es würde mich also nicht wundern, wenn’s auch schon ein Drehbuch gäbe.

Wenn IDORU dazu gedacht war, Gibsons Platz auf dem Thron der Cyberspace-Autoren zu festigen, nun, dann ist ihm das gründlich mißlungen, wahrscheinlich hat er aber andere Ziele verfolgt.

William Gibson
Idoru
Rogner & Bernhard/Zweitausendeins

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