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Ronald Munson

night vison

(Eichborn)

Nachdem Ronald Munson mit seinem Medienthriller "fan mail" in den USA und Europa einen Bestseller gelandet hat, scheint er an diesem Genre Blut geleckt zu haben. Getreu der Devise "Never change a thrilling theme" ist sein neuer Roman "night vision" mit ähnlichem Inventar bestückt und im Filmmilieu angesiedelt.

Auch diesmal ist es ein besessener Fan, der durchknallt und die von ihm angebetete Filmdiva in seine Gewalt bringen will. Susan Bradstreet, die ohnehin schon mit den Nerven völlig unten ist und sich in einer Nobelpsychatrie auf ihre Panik-Atacken hin behandeln lassen will, ahnt nichts von der Existenz dieses Fans, bis er und zwei Komplizen den Laden besetzen, ein Blutbad anrichten und von der Filmgesellschaft ein Lösegeld für Susan fordern. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, hat der Erpresser einen ganz besonderen Trumpf in der Hinterhand: ein von ihm geschriebenes Programm, das, einmal in Gang gesetzt, dafür sorgt, daß sich die Software aufhängt, die das Telefonnetz steuert und es so zum unwiederruflichen und irreparablen Zusammenbruch sämtlicher Telefonverbindungen im Nordosten der USA kommt. Mit der Folge, daß keine Rettungsdienste, keine Polizei, kein Flughafen mehr funktionieren werden.

Soweit die Probleme, die dieser Irre der Außenwelt bereitet. Für die Insassen der psychiatrischen Klinik, speziell für Susan hat er noch ganz andere Probleme parat. Cyberwulf, so sein Name, hat nämlich keineswegs die Absicht, sie nach Erhalt des Lösegelds wieder laufen zu lassen. Er möchte sie zu seiner Braut machen, mit der er zusammen in seiner Traumwelt leben will, die er sich von den 20 Millionen Dollar erschaffen will. Pech für Susan, daß Cyberwolfs Traumwelt eine Nekropole ist und seine unwiederstehliche Vorliebe kalten, willenlosen Frauenkörpern gilt, aus denen das Leben gewichen ist.

Die einzige Karte, auf die die machtlose Polizei insgeheim noch setzt, ist David Hightower, der Psychiater, der Susan in diese Klinik überwiesen hat. Der, immer noch verklärt von ihrer ersten Begegnung, hat sich nämlich in den Kopf gesetzt, sie zu retten und zwar im Alleingang. . .

Ein bißchen Grinsen muß man schon, wenn man erfährt, daß der Gute im Roman ein Mediziner ist, genau wie der Autor. Ronald Munson, im Hauptberuf Professor für Medizingeschichte in Harvard und St. Louis, trägt in seinen Beschreibungen stellenweise etwas dick auf. Diese Szenen wirken dann so, wie man es von amerikanischen Filmen her kennt, wenn der Regisseur dafür sorgt, daß auch wirklich der letzte Zuschauer kapieren soll, daß die Frau attraktiv ist, der Mann redlich und der Böse eben böse. Letztlich ist das aber Geschmackssache, wir sind hier ja schließlich nicht bei der Vergabe des Büchner-Preises. Was jedoch schon ärgerlicher ist, sind die Laufmaschen im Plot. So kennt der gute David Hightower einen Geheimgang und der böse Cyberwolf nicht, obwohl sie die gleichen Pläne studiert haben. Das und noch ein paar andere Ungereimtheiten fallen einem allerdings erst störend auf, wenn man die 520 Seiten verschlungen hat. Denn eines kann Munson unbestritten: Spannung aufbauen.

(th)

Cover von night vision