Live: The Cramps

La Laiterie, Straßbourg, 18.4.98.

For the love of Ivy

Zum ersten Mal live sah ich die Band mit der „Date with Elvis “ Tour, was mich damals dermaßen begeisterte, daß ich kurz danach das Studium schmiß (mit dem Ergebnis, daß ich dann im Plattenladen jobbte). Lux und Ivy waren, wohl schon vor Mitte der 80er, die wandelnden R&R Götter und erreichten mit „Date with Elvis“ ein „größeres“ Publikum als mit den vorhergehenden Veröffentlichungen.

Ein paar Jahre später sah ich sie dann in der Stadthalle Offenbach und war ziemlich enttäuscht. Dies mag wohl auch mit der der beschissenen Halle zusammenhängen. (Ich jedenfalls, werde dort zu keinem Konzert mehr gehen, auch Iggy und die Ramones fand ich dort nicht so berauschend) Für mich kamen jedoch auch die nachfolgenden Platten nicht mehr an das heran, was sie vor „A Date with Elvis“ aufgenommen hatten.

Wenn die Cramps jedoch Samstagsabends in der Nachbarschaft spielen, kann man sich das auf keinen Fall entgehen lassen. Und um die folgenden Zeilen vorwegzunehmen : Es war wie eine Frischzellenkur.

Wir waren rechtzeitig vor der ausvekauften Halle, wo ich mit einem Typen ins Gespräch kam, der Lux und Ivy persönlich kennt und auch an dem einen oder anderen der frühen Meteors-Cover mitgearbeitet hat. Der hatte dann unter anderem die nette, kleine Story erzählt, wie die Cramps und die Meteors zusammen tourten. Die beiden Bands waren im selben Hotel untergebracht und die Meteors machten dort noch so’n bißchen After-Show-Party. Was Lux und Ivy prompt dazu veranlasste, die Bullen zu rufen. Soviel zum Thema R&R.

Jedenfalls waren in Straßbourg 4, in Worten vier, Vorgruppen angekündigt, was eine ziemlich lange Nacht bedeutet hättte. Der wohlinformierte Bekannte sagte jedoch, daß die Cramps eigentlich gar keine Vorgruppen mögen und sollte recht behalten.

Nach quelques bières, gingen wir dann in die Halle, von der ich sehr angetan war, weil sie nicht so überdimensioniert ist. Vorne war, obwohl das Konzert ausverkauft war, noch genügend Platz, um mich in die erste Reihe zu stehlen. Die Dame neben mir im langen Lack-Kleid hatte ihren etwa 4-5jährigen Sohn mit, den sie eben mal auf das Absperrgitter setze, das knapp einen Meter vor der Bühne stand. Hinter den Stehplätzen sind, halt wie früher im Physiksaal, die Sitzreihen terrassenförmig angeordnet, so daß auch die Leute die saßen eine gute Sicht auf die Bühne hatten.

Tatsächlich kamen die Cramps als erste auf die Bühne. Neben Lux Interior und Poison Ivy, Slim Chance am Bass und Harry Drumdini am Schlagzeug. Poison, sexy wie immer im kleinen getigertern Body, mit hochhackigen Stiefeln, Lux zunächst noch in so `nem Bademantel, den die Boxer immer tragen wenn sie in den Ring steigen und mit Sonnenbrille.

Lux hat ja schon vor einiger Zeit sein Image gefunden. Eine gewiße Ähnlichkeit mit Frankensteins Monster ist hier nicht von der Hand zu weisen. Jedenfalls scheint es ihm ganz gut zu tun, denn im Vergleich zu früher scheint er kaum gealtert zu sein. Ivy wird offensichtlich sogar jünger.

Das Programm besteht zum allergrößten Teil, und zur Freude des Publikums, aus den alten Klassikern. Doch auch „Cramps-Stomp“ vom neuen Album „Big Beat from Badsville“ paßt gut.

Nach einigen Songs wird es Lux natürlich zu heiß und er legt den Bademantel ab, um seinem Ruf als lebendes Ganzkörperkondom gerecht zur werden. Weiter geht’s. Lux nun ganz in schwarzem Gummi und in den gleichen Stiefeln wie Poison, geht ab „wie die Drecksau“. Die Mimik, wie der Mann sich bewegt und alles gibt ist wieder rundherum begeisternd. Obwohl gemunkelt wird, daß er sich an diesem Abend auf irgendwelchen „Substanzen“ befinden soll, hat er sich perfekt im Griff. 1a Entertainement.

Poison muß natürlich immer ganz, ganz böse gucken. Am schönsten ist aber, wenn sie die Kontrolle über ihr Gesicht für eine Sekunde verliert und: lächelt. Natürlich nur eine klitzekleine Sekunde lang, denn sobald Sie den faux-pas bemerkt, kommt natürlich der R&R Profi wieder durch, und sie ist wieder böse, böse, böse. Recht so, schließlich haben wir dafür bezahlt.

Ihr Gitarrenspiel ist wie immer große Klasse. Mit oft nur einem Finger zaubert „Die Göttliche“ mitunter das beste Inferno. Immer wenn sie eine Klangsalve durch ihren Fender-Amp pustet, haut es Lux um und der wirft sich ihr zu Füßen, um ihre Stiefel zu lecken. Die müßen ihm wohl gefallen, sonst hätte er ja nicht die gleichen.

Leider kann ich über die Dauer des Konzertes keine genauen Angaben machen. Zum Schluß gab es jedoch jeweils etwa zwanzigminütige Versionen von „Psychotic Reaction“ und „Surfin Bird“. A propos „Surfin Bird“, der NME druckt im Moment eine Serie („On the couch“ bei der den interviewten Musikern immer die gleichen Fragen gestellt werden. Hier antwortet Hr. Interior zu: „Which song describes you best?“ mit : „‚Surfin Bird‘ by The Trashmen, because it’s about chaos and anarchy and all those fun things.“

Lux hat sich längst des langärmigen Gummi-T-Shirts entledigt, die Monitorboxen „aufgeräumt“, zwei Mikrostative kunstvoll zurechtgebogen und mit Hilfe des Gummishirts und der Sonnenbrille ein, ähem, Kunstwerk kreiert. Zum Finale Grande greift er sich noch an den Oberschenkel und reißt sich die Gummihose vom Leib.

Fazit: The Cramps are like no other band and that’s because..

  • The Cramps haben mich wieder so beeindruckt wie beim ersten Mal, und das war ganz schön heftig.
  • The Cramps haben anscheinend ein Stadium erreicht, in dem das Altern nicht existiert. Ihr Spiel und natürlich die Show haben gar an Intensität gewonnen.
  • The Cramps sind das perfekte R&R Klischee und dafür liebe ich sie.

For the love of Ivy

gez. Erasmus, Fan

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