Gonzalo Martinez and his Thinking Congas: s/t

Als ich unlängst über ein Defizit an Latino-Klängen auf dem hiesigen Musikmarkt jammerte, dachte ich dabei weniger an Musik wie diese: Easy Listening aus lateinamerikanischen Billiglohnländern. Auch die Keyboarder-Gewerkschaften, ohnehin durch den Schwund an zahlenden Mitgliedern in die Krise geraten, klagen an. Aber nun gut. Kennt noch jemand die kleinen Spielzeug-Synthie-Computer mit den blinkenden Farbfeldern, wo man entweder vorgeblinkte Melodien nachspielen mußte oder selbst welche eingeben konnte? Do-it-yourself-Casios und -Moogs, die offenbar heute noch Gonzalo Martinez und seinen denkenden Congas gute Dienste leisten.

Ob es sich bei der vorliegenden Produktion um einen Fall von unfreiwilliger Komik handelt, ist in letzter Konsequenz nicht zu entscheiden, aber Tatsache ist: diese CD macht Laune! Ich mache keinen Hehl aus meinem Faible für wirklich gute oder wirklich schlechte Musik, nur wenn´s langweilig wird, schalt ich ab. Mit sogenannter „Fahrstuhlmusik“ liegt man bei mir jedenfalls immer richtig: je primitiver, desto besser. Diese hier klingt, als hätten sich die jungen Depeche Mode zuviele Margueritas reingeschüttet: munteres Elektronik-Geblubber zu südländischen Harmonien und lustig hüpfenden Beats und Hi Hats – meist instrumental, aber z. T. auch mit sangriaschwangeren Vocals freundlicher Senores und Senoritas. Latin trash eben.
Hinter dem Projekt „Gonzalo Martinez“ verbergen sich übrigens Dandy Jack und Jorge Gonzales, ersterer – laut Label-Info – „Deutsch-Chilene“, letzerer – laut Label-Info – „Chilenisch-Deutscher“. Auch bei Übersetzungen hilft der Waschzettel weiter: „La cumbia triste“ heißt nichts anderes als „The sad cumbia“! Aaaah ja! Erst dachte ich, „Cumbia“ wär ein Insekt (so wie „La cucaracha“, die Kakerlake), aber nichts da: Cumbia ist columbianische Folklore mit afrikanischen, indianischen und europäischen Elementen. Und Gonzalo Martinez haben sich lediglich ihre Lieblings-Cumbia-Klassiker aus den 50ern und 60ern gegriffen und verpopt, mitgeholfen haben dabei die Kollegen von Pink Elln, Senor Coconut, Atom Heart und Argenis Brito. Aufgenommen wurde das ganze in Santiago de Chile. Die Single-Auskopplung „La pollera colora“ (engl. „The red skirt“) ist mit zahlreichen Remixes erhältlich – doch nichts kommt so gut wie das pure Original, unbelastet von zeitgemäßen Techno-Spielereien – und das findet man nur auf dem Longplay. Hören und Freuen!

Gonzalo Martinez and his Thinking Congas
(Multicolor/Rough Trade)

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