CD-Kritik Zur Startseite

In Extremo

Sünder ohne Zügel

(Island/Universal)

Bin ich mittelalter-müde oder liegt es daran, dass In Extremo auf ihrem neuen Album gar nicht mehr so richtig nach Mittelalter klingen? Gut, der neue Gitarrist Basti ist wirklich eine Bereicherung. Sein Spiel ist um einiges heftiger und variantenreicher als das seines Vorgängers. Auf der anderen Seite haben In Extremo jetzt eine unheimliche Schlagseite bekommen. Düster gemurmelte Strophen unterlegt von harschen Riffs münden in hymnischen Refrains. Wer sich jetzt an Combos wie Oomph! oder Megaherz erinnert fühlt, der liegt damit genau richtig.

In Extremo klingen gerade in den ersten Songs eigentlich nur wie eine harte deutsche Band mit leichten Mittelalteranleihen. Die Dudelsäcke sind erstaunlich in den Hintergrund getreten und werden permanent von der E-Gitarre verdrängt. Wer mit dieser ganzen deutschen Mucki-Mucke nichts anfangen kann, der sollte auch die Finger von "Sünder ohne Zügel" lassen. Speziell die erste Hälfte wirkt zu überproduziert, zu glatt, letztendlich auch zu kalkuliert. Es fehlt die chaotische Ausstrahlung, die der Band früher so eigen war. Im weiteren Verlauf des Albums kommen dann doch noch einige nette Songs, wie z.B. "Le'Or Chiyuchech" oder auch "Der Rattenfänger", aber In Extremo besitzen einfach nicht mehr die Durchschlagskraft, die sie vorher hatten. Mittelaltermusik mit harten Gitarren war ja schon immer einer Diskussion wert, aber harte Gitarren mit einem Hauch von Mittelalter ist wirklich nicht das Gelbe von Ei. Wer's mag - aber mein Thema ist das nicht.

(dmm)

 

In Extremo

Verehrt und angespien

(Mecury Records)

Jeder kennt Kleinanzeigen wie "Rockband sucht dynamischen Drummer". Wer als Musiker mit dem Begriff "Dynamik" bisher nicht zurecht kam, sollte sich das neue Werk von In Extremo durch die Ohren pfeifen lassen. Drei dynamische Dudelsackspieler gepowert von einer dynamischen Rock-Band, gekrönt von einem frechen Sänger legen mit "Verehrt und angespien" ein Album voller Kraft und Spielfreude vor. Ob wuchtige Riff-Bretter (In Extremo) oder Klänge der Spielleute (Herr Mannelig) - dieses Album kickt!

Zugegeben, die Melange aus Rock-Riffs und mittelalterlichen Texten, bzw. Klängen ist inzwischen nicht mehr wirklich neu, aber was Bands wie Subway To Sally oder eben In Extremo präsentieren, verdient immer noch das überstrapazierte Prädikat "innovativ". Auf ihrem neuen Album haben sich die sieben Prenzlauer verstärkt der hochdeutschen Sprache zugewandt; es gibt nur fünf Titel mit mittelalterlicher Dialektik. Außerdem wurde die Band (oder die Plattenfirma!?) vom immer mehr um sich greifenden "Cover-Wahn" erfaßt. "This Corrosion" (Sisters Of Mercy) wirkt mit Dudelsäcken im Refrain zwar etwas bizarr, kommt aber erstaunlich gut rüber. Im Ganzen gesehen wirkt das Stück aber auf dem Album ein bißchen wie ein Fremdkörper.

Ansonsten gibt es nix zu meckern. Wer Heavy-Mittelalter-Rock mag, wird mit "Verehrt und angespien" voll bedient. Daß es auch andere Meinungen gibt, spiegelt sich im Albumtitel wider, der dem ersten Track, den Merseburger Zaubersprüchen, entnommen ist:

Hört von den sieben Vaganten
Die ihr Glück in der Hölle fanden
Behangen mit Fetzen und Schellen
Die so laut wie Hunde bellen
Ihr Lachen ist Sturm und Gewitter
Feiern und zechen bis kommt der tödliche Schnitter
Verehrt und angespien
Sind sie bekannt im ganzen Land
Von allen In Extremo genannt.

(dmm)