CD-Kritik Zur Startseite

Oleg Kostrow

The great flashing tracks from Iwona

(Storage)

Vielleicht erinnert sich noch jemand: im März erschien "Storage Kompilation", ein Rundumschlag bizarrer Elektonik-Avantgarde-Sounds der Acts, die Storage derzeit vertreibt. Nach Auslegen des Köders folgt nun der Offenbarung zweiter Teil, nämlich eine Serie namens "Storage Secret Sounds": komplette Alben der Kompilation-Künstler. Den Anfang macht der Petersburger Oleg Kostrow mit seinen "Great flashing tracks from Iwona".

Das ist wörtlich zu nehmen, denn "Iwona" ist ein Kindermärchen on stage mit Kostümen des russischen Designers Bartenew. Das Resultat des Zusammenwirkens dieser unterschiedlichen künstlerischen Metiers dürfte ein interessantes multidimensionales und synästhetisches Erlebnis sein - schade, daß die CD zwangsläufig nur eine der vielen Seiten präsentieren kann.

Aber die ist auch für sich allein wahrlich berückend. Kostrows verarbeitet in jedem Stück einen bestimmten Musikstil der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, und bei 15 Takes in weniger als 40 min kann man sich auf eine bunte Karrusselfahrt durch die unterschiedlichsten Klangräume gefaßt machen!

Ähnlich Jimi Tenor versteht es auch Oleg Kostrow, Synthesen zu schaffen und Versatzstücke diverser Stile elegant zu verschmelzen, wenngleich oft mit dem hölzernen Kasatschock-Flair seiner russischen Heimat.

Kostrow brennt ein munteres Feuerwerk aus Stil-Mix und Geräusch-Effekten ab, mal wähnt man sich in alten Edgar Wallace Filmen, mal am mondänen Strand von Saint Tropez, mal auf Gangsterjagd in US-Krimi-Serien der 70er - und wenn´s nur für Sekunden ist! Broadway-Glamour, cooler Bar-Jazz, Hammond-Schwaden zwischen Psychedelic und Plüsch, Vibraphon-Plingplong wie in Lynchs "Wild at heart", symphonische Walls of sounds, Latino-Percussions und 50er Jahre-Mambo, Grusel-Atmo wie in "Ed Wood", simple Gameboy-Liedchen, sphärige Synthie-Schwaden, Surf-Brandung, reißerisches Zirkus-Pathos, entrückter Harfen-Impressionismus, Urwald-Schwüle, aufsteigende Ton-Bläschen, Hektik à la "Säbeltanz", Elektronik-Swing, Drum&Bass, billiges Casio, Vokal-Samples aus Phantasie-Sprachen, Glockenspiel, Akkordeon, Rasseln, Trommelwirbel, Blubber, Zisch, Zoing...

Wie all das unter einen Nenner bringen? Elektronik-Pop im Plastik-Sound wäre ein Etikett, aber das heißt in diesem Fall noch gar nichts. Andere sprechen von "Wohnzimmer-Techno, LoFi-House und Avantgarde-Elektronik", und auch das trifft nur Fragmente der Kostrowschen Klang-Collage, die irgendwo zwischen Experiment und Juke-Box anzusiedeln ist. Aneinandergereiht klingen seine Miniaturen wie eine verrückt gewordene Spieluhr, vor allem aber beweisen sie eines: Kunst muß nicht wehtun!!!

(Katja Preissner)