CD-Kritik Zur Startseite

Lenny Kravitz

5

(Virgin)

Herzlich willkommen in "Lennys Welt". Bitte anschnallen, denn auf dem Programm steht ein Streifzug durch die schillerndsten Epochen der Popmusik, von Motown und Philly Sound bis hin zur Psychedelic-Ära und der Beatle-Mania. Soul und Funk der 60er sowie der Blaxploitation-Sound der 70er auf der schwarzen Seite, und dazu die Lennon/McCartney-Melodik und Hippie-Harmonik auf der weißen Seite - und beides absolut im "Haben"-Bereich seines musikalischen Kontos: Lenny Kravitz ist in erster Linie ein famoser Synthetiker! Daß dabei alle Einzelteile bis zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen sind, heißt umgekehrt nicht, daß das Ergebnis nicht originär Kravitz´scher Prägung ist. Schon Max Weber wußte: das Ganze ist immer mehr als die Summe seiner Teile!

Vielleicht ist es gerade Kravitz´ Eklektizismus, der leicht den Blick auf die Eigenleistung des Amerikaners verstellt, und die liegt in erster Linie in seinem Sinn für Schönheit. Lenny Kravitz ist ein Garant für pure Ästhetik! Unter diesem Aspekt bringt er all seine Anleihen unter einen Hut und pendelt dabei zwischen Kitsch und der Lässigkeit des typischen Rockstars, ohne dazu mehr als ein paar wenige Gitarren-Soli und vereinzelte Riffs zu benötigen. Jene "Lässigkeit" ist es vermutlich, die ihn auch für die jüngste Generation attraktiv macht, sein ausgeprägter Hang zum Glam hingegen ist Indiz dafür, daß er sich selbst nicht allzu ernst nimmt. Und wie ich schon sagte: Kravitz-Musik ist einfach schön, extravagant und luxuriös: perfekt arrangiert (und mit den von mir so geliebten Hintergrund-Details ausgestattet, so wie in diesen opulenten Bilder-Büchern, wo man beim dritten und vierten Lesen immer noch neue Dinge entdeckt...), aber kein bißchen überproduziert wie beim Kollegen Jackson oder so verschroben und überkandidelt wie die Produkte aus dem Hause Prince. Ja, wenn man Lenny Kravitz ein Plätzchen in der schwarzen Pop-Tradition freimachen möchte, muß man schon zurück in die Zeiten eines Curtis Mayfield, James Brown oder Stevie Wonder gehen. Mit der anderen Seite des zeitgenössischen schwarzen Spektrums (Hip-Hop, Rap und Crossover) hat er jedenfalls nichts am Hut, gottseidank auch nicht mit der "black oversouled" Variante der westlichen Boygroup mit ihrer unmäßigen Harmoniegesangskunst, selbst wenn die Jungs zugegebenermaßen alle wirklich singen können, aber unerträglich ist es doch (all diese Blessed Union of Soul und wie sie alle heien)...

Nein, von der Bodenhaftung kann er es mit seinen rappenden und hiphoppenden Kollegen locker aufnehmen. Kein Zweifel, Lenny Kravitz ist trotz all des Glamours und Schmalzes ein Rocker! (Für mich immer wieder verblüffend, wie man - verglichen mit dem vermeintlich so toughen weißen Gitarrenrock - derart schwelgerische "Las Vegas"-Musik machen kann, ohne schwul zu wirken oder umgekehrt so lächerlich machohaft wie der "Godfather" of Soul. Und dazu bräuchte es nicht mal das Wissen um das ansehnliche Äußere des Womanizers Kravitz und seine entsprechenden, klatschspaltenfüllenden Aktivitäten - das leistet die Musik auch ohne all dies!) Ich versteige mich aber doch mal zu der These, daß Lenny Kravitz weder ein übermäßig begabter Sänger ist (wenngleich seine Stimme überaus angenehm klingt, aber ein wirkliches "Organ" hat er nicht) noch ein herausragender Komponist. Seine Stärke liegt in seinem Gespür für Stimmungen, "Feeling" und dem Arrangement diversester Faktoren auf ein bestimmtes Ergebnis hin. In diesem Sinne sind seine Songs "Gesamtkunstwerke". Kravitz ist sozusagen ein Zitationstalent und der "Tarantino der Musik". Das heißt nicht, daß er sich sein Zeug einfallslos zusammenklaut, und schon gar nicht, daß seine Musik wie schon-mal-da-gewesen klingt, ganz im Gegenteil: ein Gutteil ihrer Wirkung besteht gerade im Mitdenken des aktuellen Backgrounds, und im übrigen ist die Fusion verschiedener Musikstile ja erst möglich, nachdem alle Epochen gelebt und durchgespielt sind.

Die stilistischen Grundnenner von "5" sind benannt, die meisten bewegen sich im schwarzen Koordinatensystem (Soul, Funk, Philly und Disco-Glam), glitzern, blinken und sprühen nur so vor Sex, obwohls zwischendurch auch mal schnulzig wird. Die Kravitz-üblichen psychedelischen und beatle-esken Elemente finden sich mal mehr, mal weniger ausgeprägt. Manche Songs lassen diese Einflüsse nur kurz aufblitzen, bei anderen stehen sie dagegen ganz im Vordergrund, und dann wirds oft ziemlich spacig! Fazit: voll im Trend des Glamour-Disco-Revivals, und warum soll Kravitz nicht alles zusammenklauen - das kann schließlich keiner so gut wie er, und das Album ist wirklich große Klasse!

(Katja Preissner)

Cover Kravitz 5