CD-Kritik Zur Startseite

Melvins

Gluey Porch Treatments / Colossus Of Destiny

(Ipecac/EfA)

Die Melvins sind seit Jahr und Tag eine Randerscheinung in der bunten, vielfältigen Musikwelt. Mitte der Neunziger hatten sie eine Phase, in der sie ganz nah dran am Popstardasein waren. Aber so schnell sie aus dem Untergrund hervorkrochen, so schnell verschwanden sie im selbigem wieder. Majorlabel ade und ganz flott back to the roots, sprich: zurück zum Independent-Label. So landeten sie vor geraumer Zeit bei Mike Pattons Firma 'Ipecac', einem kunterbunten Sammelbecken obskurer und von anderen geringgeschätzten Künstlern, bei denen es trotz allen Bedenken lohnt, ihnen eine Plattform zu bieten. Dank Patton konnten die Melvins ihre drei Alben "The Maggot", "The Bootlicker" und "Crybaby" als CDs veröffentlichen und just auch als eine limitierte 3er-Picture-Vinyl-Ausgabe, die nach Deutschland wegen der (für Schwachköppe leicht falsch zu interpretierenden) Symbolen nicht importiert werden darf. Wer sie dennoch sein Eigen nennen darf, kann sich glücklich schätzen (derzeitiger EK-Wert: ca. 120 DM).

Nun sollte man meinen, die Melvins-Veröffentlichungsflut sei eingedämmt und die Drei würden sich entspannt zurücklehnen. Pustekuchen. Gerade wiedererschien "Gluey Porch Treatment", das animalisch-rohe Erstlingswerk mit 17 Stücken, aufgenommen binnen fünf oder sechs Tagen im Oktober 1986 von Buzz Osborne (Gesang, Gitarre), Dale Crover (Schlagzeug) und Matt Lukin (Gesang, Bass - später in Mudhoney). Für Sammler sei angemerkt, dass die Originalaufnahmen mit zwölf zusätzlichen, bis heute unveröffentlichten Demo-Stücken und Outtakes bereichert wurden, welche die Melvins vor dem Studiotermin in Matts Garage aufnahmen. Daher auch der kultverdächtige, trashige Sound, den jeder kennt, der schon einmal mit zwei Tapedecks bewaffnet die Ergüsse im Proberaum festhalten wollte. Zudem wurde das Artwork neu gestaltet. Wer der englischen Sprache mächtig sollte unbedingt die Liner Notes durchlesen. Da erfährt man einige Details über den Entstehungsprozess des Albums und wie es dazu kam, dass die Melvins "Leeech", im Original von Green River, coverten. Spätestens hier sollte jedem verdammtem Gitarrenmusikjunkie klar sein, dass Melvins Musikgeschichte geschrieben haben und das von Stunde eins an.

Der zweite Release ist ein 1998 mitgeschnittenes Konzert und nennt sich "Colossus Of Destiny". Die sogenannten selling points sagen voraus: Includes a not-so-secret appearance by a fully bonafied multi-platinum rock star. (Das dürfte wohl - weil es im Booklet steht - Adam Jones von den allseits geliebten Tool sein.) Kids who love getting cranked up on speed will go nuts over this album. (Stimmt auch, denn dieses Konzert muss der reinste Wahnsinn gewesen sein. Kracheskapaden am laufenden Band. Ein Feedback/Effektgerät jagt das nächste. Absolut krank!) Irritating at any volume. (Stimmt ebenso, weil... siehe oben.) If you're looking for sympathy you'll find it in the dictionary, halfway between shit and syphillis. (Oh, wie weise, denn es stimmt natürlich wieder, denn... siehe oben.) Ein Konzert, ein Track, eine Tortur, ein Wahnsinn. Be prepared for the worst!

(kfb)

 

Melvins

Stag

(Mammoth/eastwest) [7-96]

Nach ihrem Meilenstein "Stoner Witch" von 1994, der sich noch dazu hervorragend verkaufte, konnte man ja gespannt sein, ob und wie die Melvins ihr eigenes Universum weiter ausbauen und verfeinern würden.

Fanden die Aufnahmen zu "Stoner Witch" noch im mehr oder weniger heimatlichen Hollywood statt, öffnen sich die Melvins jetzt anscheinend dem Jet Set. Die Bandmitglieder sind über den ganzen Erdball verstreut: Dale Crover lebt jetzt in Los Angeles, Mark D. freut sich in London und King Buzzo verblieb in der Stammheimat Washington. Man traf sich gelegentlich zu Sessions und vertraute ansonsten ganz auf die Kraft des Telefons. Das alles konnte die Band aber nicht davon abhalten, einen weiteren Meilenstein ihrer Karriere abzuliefern.

Eröffnet wird noch mit einem gewöhnlichen Dampfhammer in "Stoner Witch"-Tradition um dann den geneigten Zuhörerohne Pause auf eine witzige und aberwitzige Reise durch das Melvins-Universum zu schicken. Klassische Song-Schemata werden auf den Kopf gestellt, Vokal-Spuren werden gepitcht, daß es eine wahre Freude ist (zumindest für mich!), Country-Balladen wechseln mit super-düsteren Doom-Parts und am Schluß der abgedrehten Reise erhält man dann noch die Chance auf den gerade abfahrenden Dampf-Zug zurück in die Realität aufzuspringen.

Die Melvins haben ihr Universum zwar nicht entscheidend weiterentwickelt, aber wesentlich verfeinert und ausgebaut und ganz nebenbei ist es ihnen dabei noch gelungen, die beste und un-peinlichste Rock-Band der Neunziger Jahre zu werden. Vielleicht sind sie sogar die letzte. Also: kaufen, bevor der Zug abgefahren ist!

(rk)

Cover Melvins

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