CD-Kritik Zur Startseite

Willie Nelson

Teatro

Neues von Willie Nelson also, seines Zeichens Country-Legende, Late-Wolfgang-Neuss-Look-a-like und wie dieser ein ausgemachter Marijuana-Man. In welchen Dimensionen mochte er sich rumgetrieben haben, als er den Franko-Kanadier Daniel Lanois zu seinem Produzenten erkor? Wie drogengeschwängert mochte die Luft bei der Vertragsunterzeichnung gewesen sein? Nein, das ist schon fast zuviel der Polemik, denn ein musikalisches Urgestein wie Willie Nelson ist auch von noch so profilierungssüchtigen Gestalten hinterm Mischpult nicht kaputtzuproduzieren. Aber hören tut man´s halt.

Okay, Nelson weicht nicht zum ersten Mal von ausgetretenen musikalischen Pfaden ab (und immerhin heißt das Album "Teatro", bald ist auch Fastnacht...), und mit seinen über sechs Jahrzehnten und der entsprechenden Lebenserfahrung ist er Stoiker genug, um als alte Eiche den Stürmen "junger Wilder" standzuhalten. Aber leider ist Daniel Lanois kein zweiter Rick Rubin - eher schon ein zweiter Jeff Lynne, so schablonenmäßig geht er an seine Klientel ran, und nach zwei Takten cajungetränkter Musik weiß man schon, wer da seine Finger im Spiel hat...

Aber - um das mal vorwegzunehmen - bei allem Gemecker ist unterm Strich doch ein gelungenes Album zu konstatieren. Willie Nelson hat einfach zu viel Klasse und zu viel Instinkt für richtiges Feeling und Timing. Gut abgehangen eben. Und verdammt relaxt (der Stoiker...). Der Country ist ihm nicht auszutreiben, aber die spanischen Anklänge, die er schon auf seinem letzten Werk mit einbrachte, stehen ihm zugegebenermaßen auch gut! Die meisten Songs auf "Teatro" bewegen sich in gemäßigtem Tempo, passend zum schweren Cajun mit seinen schleppenden Percussions, Akkordeon und Fiddel. Ein Überbleibsel französischer Einwanderer übrigens, findet sich nicht nur in Kanada (Daniel Lanois...), sondern auch im Einzugsgebiet von New Orleans (wer ein richtiges Cajun-Feeling will, sollte sich schleunigst den Film "The Big Easy" anschau´n, mit Dennis Quaid und Ellen Barkin - den Film, nicht die Serie...).

Etwas penetrant dagegen ist der aufdringliche Wechzeichner-Synthie-Sound aus dem Hause Lanois. Es 80ert gewaltig auf der Scheibe (hier sind also all die Tastenmänner abgeblieben, die zu Anfang der Dekade aus ihren Bands entrümpelt wurden: sie fanden ein Gnadenbrot in den Lanois-Studios, wo sie eine eigene Kolonie bevölkern...). Die Idee mit den Vibraphons dagegen war wieder gut! Auch die, Jazzpianist Brad Mehldau dazuzunehmen. An der Wurlitzer - wie immer - Nelsons Schwester Bobbie, und im Background - fast möchte man angesichts des Ausbleibens eigener Alben und der Über-Präsenz im Hintergrund hochkarätiger Kollegen auch hier sagen "wie immer" - die grandiose Emmylou Harris!

Die Songs sind insgesamt ordentlich und bisweilen auch brillant arrangiert, einige Balladen plätschern so märchenhaft fragil vor sich hin, daß einem das Herz aufgeht! Leider muß ich noch ein letztes Mal ausfallend gegenüber Herrn Lanois werden, denn das Produzenten-Unicum ist auch mit einer eigenen Komposition auf dem Album vertreten. Leider vergaß Willie Nelson bei Vertragsunterzeichnung das Kleingedruckte zu lesen... Jedenfalls Take 10 (Titel des schwelgerischen Machwerks: "The maker", ein religiös verbrämtes Stück über - nein, nicht Helmut Schmidt, sondern über - na, wie hieß er noch?!) sollte man beim Hören besser umschiffen - jetzt rentiert sich die Programmier-Funktion des CD-Players... (O-Ton des Chefredakteurs, seines Zeichens Besitzer eines Mini-Disc-Players mit noch optimaleren Funktionen: "Wenn Du mit der Rezension fertig bist, schneiden wir´s raus").

Schnell noch eine lobende Erwähnung versprengter Rythm´n´Blues-Elemente und der zum Teil fast schon Gershwin´schen Arrangements, und damit schließt die Besprechung eines musikalischen Lichtblicks. Trotz allem!

(Katja Preissner)


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