CD-Kritik Zur Startseite

Steve Wynn

Here come the miracles

(Blue Rose BLU DPO237/inakustik)

Steve Wynn zählt zu den Rettern der amerikanischen Alternative-Tradition. Nicht, dass sie die nötig hätte. Aber einen charismatischen Über-Vater wie ihn kann jede Szene gebrauchen. Steve Wynn, die Indie-Ikone. Der Beckenbauer des Americana? Bewahre.

Schließlich geht es hier nicht um den Glanz vergangener Tage, sondern um die Erneuerung einer uralten musikalischen Sprache. Der frühere Westküsten-Musikant (mit Dream Syndicate) hat dem Alternative-Rock schon so manche Blutzufuhr beschert, und auch "Here come the miracles" denkt die Zukunft der Roots-Klänge weiter. Mit von der Partie sind übrigens Produzent Craig Schumacher (arbeitete unter anderem auch für Calexico und Giant Sand), als Band Chris Brokaw, Dave DeCastro und Lebensgefährtin Linda Pitmon an den Drums (gelegentlich auch mit am Mikro). Als Gäste sind vertreten: die Howe Gelb und John Convertino (Giant Sand), Ex-Concrete Blonde Johnette Napolitano und Chris Cacavas.

Weder Wunder noch Geheimnis: die Herangehensweise des Steve Wynn. Der Amerikaner ist kein großer Songwriter. Seine Leistung liegt nicht im "was", sondern im "wie". Wynn ist ein Klangmagier. Ein Schöpfer rauher, zerklüfteter Landschaften, durch die seine einfachen, hymnischen Melodien fließen. Und an deren steinigen Canyon-Vorsprüngen manch pittoreskes Alpenveilchen blüht. Ohne viel Hintergrundwissen würde man in Wynn einen alten Garagen-Rock-Fan vermuten, der immer schon viel Neil Young gehört hat. Ähnlich wie der Kanadier geht auch der US-Amerikaner nicht allzu zimperlich mit seinen Schützlingen, den Harmonien, um. Aber was dabei herauskommt, ist aufregend neu und infizierend.

Wynn ist kein Kammermusiker, sein Melodien brauchen jeden Zentimeter Raum, den sie kriegen können. Und der krachende Sound tut ein übriges dazu, den Hörer die Macht des Americana spüren zu lassen... Die Poesie kommt dabei allerdings nicht zu kurz, immer wieder schwelgt Wynn in archaisch-romantischen Klang-Epen, mischt auch mal Brian Wilson´sche Leichtigkeit und psychedelisches Flair unter seine Songs, die ohnehin schon beharrlich zwischen grantiger Biker-Rock-Attitüde und Highschool-Melodiösität pendeln - für Roots-Klänge exotisch genug.

Manch zäher Song ist dazwischen geraten, unter die Masse des Wynn´schen Opus Magnum. Weniger wäre mehr gewesen, aber natürlich auch weniger facettenreich. Unwahrscheinlich, dass jemand auch nur annähernd jeden der 19 Takes gelungen findet. Aber von Wynns Seite steht das Angebot: möge jeder auf seine Facon glücklich werden mit dem monumentalen, in seiner Kraftvölle einschüchternden "Here come the miracles".

(Katja Preissner)

 

Steve Wynn

The Suitcase Sessions

(Return to sender/Normal)

Die Firma NORMAL hat zwei Geschäftsbereiche, zum einen verdient die Bonner Firma mit ihrem Mailorder Vertrieb ihr Geld, zum anderen stellt NORMAL RECORDS auch ein Plattenlabel dar. Neben der Neuseelandfraktion The Chills, The Clean sind die Australier Beasts of Bourbon, Kim Salmon und die San-Francisco-Leute Chris Cacavas und Swell auf oder über NORMAL Records in Deutschland erschienen. Seit geraumer Zeit erscheint nun bei NORMAL Mailorder eine limitierte Sonderedition ("Return To Sender")von NORMAL Künstlern, die altbekanntes oder neues Material in besonderer Form präsentieren. Angefangen hat das ganze mal á la Unplugged, mittlerweile spielt die Form eine untergeordnete Rolle, häufig ist es Archivmaterial oder Livemitschnitte der Künstler. Allen gleich ist, daß es von der jeweiligen Platte nur 2000 Kopien gibt und das sie in Deutschland exklusiv nur über NORMAL Mailorder zu beziehen sind.

Mit Nummer 28 der Return To Sender Reihe haben die NORMALen aus Bonn mal wieder ihrem Haus- und Hofmusiker Steve Wynn gehuldigt. The Suitcase Sessions sind unveröffentliche Aufnahmen von Steve Wynn, wobei das Gros aus den Jahren 1995/96 stammt. Zu erwähnende Besonderheiten sind die Coverversion von "Venus" (Shocking Blue) und das Duett "The Difference between wright or wrong" mit Rick Rizzo, der ansonsten bei Eleventh Dream Day die Hufe schwingt. Steve Wynn zeigt sich mal wieder in der Hochform, die anscheinend nur zutage tritt, wenn er wenig Zeit zum Aufnehmen einer Platte hat oder eben tatsächlich die Tracks live einspielt. Dann ist wieder da, wo man ihn seit Dream Syndicate immer haben will, das man dies dann auch altertümlich nennen kann, hat ja wohl keine Sau zu interessieren. So ziehe ich den immer charmant rockenden Steve dieser Platte, dem süßlichen popenden Wynn von "Sweetness and Lights" doch vor.

Zurück zu NORMAL Records. Der Firma scheint es zur Zeit finanziell nicht besonders gut zu gehen (dabei sagt der Kanzler doch ständig, daß der Aufschwung in diesem Moment einsetzen müßte), wie sie selbst in ihrem letzten Mailorder - Katalog verkündete. Deswegen möchte ich es diesmal mit dem Kanzler halten und euch blühende Landschaften (respektive blühende CD-Regale) versprechen, wenn ihr die Return To Sender Reihe von NORMAL wählt. Neben Steve Wynn sind in dieser Reihe bereits erschienen: X-Tal (ziemlich klasse), Louis Tillett (eher für den Winter), Tom Liwa, Chris Cacavas, Hannah Marcus (die ist in Wirklichkeit viel molliger - das Coverbild ist geschönt!), Swell und viele anderen mehr.

(fw)


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