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Wertung

1 Fritte:
unterirdisch

10 Fritten:
grandios, Meisterwerk

* * *

Kurzrezensionen

2002

CD-Rezensionen - die langen

Aktuelle Kritiken

Los Placebos: Respect Is Due

(FireTorch/Alive)

Nein, Briten sind es nicht. Los Placebos stammen aus Deutschland. Aber ihr Frontmann darf stolz auf sein British English sein. Authentizität hoch zehn. Sowieso wissen die Placebos mit ihrem Ska-Reggae-Gebräu zu begeistern – selbst in Verbindung mit deutschen Texten. Partystimmung ist Trumpf. Die wird auch nicht durch ruhige Lieder ("Traffic Jam", "Nutville") beeinträchtigt.

[kfb, 7 Fritten]

Little Feat: Highwire Act Live In St. Louis 2003

(New Little Feat/Eagle Records)

Blues, Prog-Rock und Hardrock haben sich Little Feat auf die Fahnen geschrieben. Seit Jahrzehnten zeigen sie auf der Bühne wie auf ihren Alben, dass sie Handwerk verstehen. So auch anlässlich der im August 2003 in St. Louis mitgeschnittenen Shows. Nicht jedermanns Sache, aber gefällig.

[kfb, 5 Fritten]

Jester: Not Ready For The World

(DJ.Sets/Alive AG)

Eine wundervolle Platte zum Versinken. Die Zeit anhaltender TripHop mit Headz-Anleihen und einem leichten Hauch von Jazz. Man könnte es auch nu Jazz, Nu Soul oder Nu Irgendwas nennen. Die Charakteristika wären die gleichen: treibend, ruhig, den Puls gen Null gehen lassend, verträumt, entspannt und verdammt cool. Eine Platten zum Zudecken, Ankuscheln und Wegdösen.

(kfb, 8 Fritten)

Swollen Members: Heavy

(Battle Axe/Groove Attack)

Ja, verdammt. Geht doch! Nach Outkast und den famosen Black Eyed Peas hier also noch eine supergeile HipHop-Party-Platte mit Ohrwurm-Garantie. Zweimal hören und die Songs sitzen im Ohr. "Wir haben viel Zeit in dieses Album gesteckt", erklärte Swollen Member Mad Child unlängst. Das hört man dieser auch an. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Es groovt und bounct an allen Ecken und Enden. Hätten sie eine finanzstarke Plattenfirma in der Hinterhand, sie wären schon so bekannt und chart-erfahren wie die Black Eyed Peas. Das Artwork stammt übrigens von Todd McFarlane, dem Erfinder des einsamen Comic-Rächers "Spawn".

(kfb, 8 Fritten)

Crowfish: Requiem For A Broken Heart

(Freecore/Alive AG)

Der Pop-Punk der bulgarischen Band Crowfish hört sich mehr nach Progrock an als nach irgendetwas anderem. Die Jungs aus Varna haben beim Komponieren etwas zu sehr auf ihren Kopf denn ihren Bauch gehört. Zu kalt und künstlich sind die Songs. So als wollten Dream Theater eine beliebige Emo-Pop-Band covern. Es fällt daher schwer, mit "Requiem For A Broken Heart" warm zu werden.

(kfb, 4 Fritten)

 

Alias Eye: A Different Point Of You

(DVS Records/Alive)

Manchmal tun mir Bands Leid, denen das gewisse Etwas fehlt. Vielleicht deswegen, weil man ihnen mehr gönnen würde. Alias Eye pendeln zwischen symphonischen Klängen, Prog-Anleihen und gebremstem Hardrock und sprudeln mit brauchbaren Songs los. Trotzdem stehen hinter "A Different Point Of You" zu viele Wenns: Wenn die Produktion fetter wäre, wenn die Songs ein bisschen weniger eingängig wären, wenn man bei den Arrangements nicht alles auf einmal gewollt hätte... Ja, dann wäre vielleicht das gewisse Etwas dagewesen und ich hätte noch ein paar Fritten draufgepackt.

(dmm, 5 Fritten)

Motörhead: Live At Brixton Academy

(Steamhammer/SPV)

Ein nicht wirklich elementarer Mitschnitt zum 25jährigen Jubiläum der Band vom Oktober 2000 aus der Brixton Academy in London. Trotz namhafter Gäste wie Brian May und Doro ist die Doppel-CD überraschungsfrei, dafür aber grundsolide wie ein Presslufthammer. Mir fehlt aber ein bisschen der lässige Groove, der Motörhead Studioalben ausmacht.

(dmm, 6 Fritten)

Jill Parr: Orbit

(Butterfly/Gerth)

Jill Parr ist so eine Art rothaarige Vanessa Amorosi, von der man ein bisschen Pop-Appeal abziehen kann und übrig bleibt eine wahrlich beeindruckende Stimme. Das macht zwar "Orbit" nicht wirklich spektakulär, aber wenn ihr auch eine Partnerin habt, die das Autoradio bei Leann Rimes lauter dreht, könntet ihr mit Jill Parr einen Überraschungserfolg landen.

(dmm, 6 Fritten)

Superjoint Ritual: A Lethal Dose Of Hatred

(Mayan/Sanctuary/Zomba)

Was für ein Album. Hass pur. Irgendwo zwischen Pantera, Eyehategod und Exhorder ist diese Platte stilistisch einzuordnen. Endlich kann sich Phil Anselmo voll entfalten. Er darf schreien und singen und Gitarre spielen. Gegen Superjoint Ritual wirken die letzten Pantera-Alben wie die von aufmüpfigen Teenagern. Die Band um Anselmo, just verstärkt durch Down-Gitarrist Jimmy Bower und nach wie vor mit Hank Williams III. am Bass, geht keinerlei Kompromisse ein.

(kfb, 8 Fritten)

 

Boysnightout: Make Yourself Sick

(Ferret)

Irgendwann haben sich alle Genres die Hörner abgestoßen, man hat seine Favoriten eingesammelt und wenn niemand die Schubladenkruste aufbricht, haben es Nachkömmlinge extrem schwer. Boysnightout aus Kanada surfen an den bekannten Emo-Größen vorbei und schaffen es relativ zielsicher, ihren Vorbildern ein bisschen Gischt in die Augen zu spritzen. Gute Songs sind schon da, wenn jetzt noch die Eigenständigkeit mit aufs Brett kommt, könnte für Boysnightout nach oben noch eine Menge drin sein.

(dmm, 7 Fritten)

 

Static X: Shadow Zone

(Wea)

Nicht nur Wayne Static stehen bei dieser Musik die Haare zu Berge. Der Rezensent hat mit diesem aggressiven und kompromisslosen Nu Metal-Werk schwer zu kämpfen. Er hat das Gefühl all dies schon in mehrfachen Variationen anderswo gehört zu haben. Selbst der angebliche Disco-Anteil, der sich eher wie ein Industrial-Marschrhythmus anhört, weiß nicht zu überzeugen. Wayne Static mag noch so wild rumschreien, der Schatten legt sich über sein Werk. Not my cup of tea.

(kfb, 3 Fritten)

 

Nothing In Common: Leaving Without Moving

(Killer Release Records/Cargo)

"Ten songs about disgust and dislike" auf knapp 34 Minuten Albumlänge – das Motto klingt altbekannt. Die 1996 gegründete Band ist – auch wenn sie sich im Bandinfo mit Händen und Füssen dagegen wehrt –in die Schublade "Emo" zu stecken. Ätsch. Da macht sie ihren Job einigermaßen gut. Es fehlt ihr jedoch an Hits, an einem schlagkräftigen und ausdrucksstarken Sänger und pfiffigen Ideen. Mehr als Durchschnitt ist das nicht.

(kfb, 5 Fritten)

 

Hedningarna: 1989 - 2003

(Westpark/Indigo)

Die schwedische Vorzeigeband Hedningarna beglückt ihre Fans oder potenzielle neue Freunde mit der Compilation "1989-2003" mit insgesamt 18 Titeln. Auch wenn die Band in Sachen moderner skandinavischer Folklore Zeichen gesetzt hat, kann ich mit ihren Epigonen manches Mal mehr anfangen. Irgendwo zwischen schrill und mystisch verlangen Hedningarna ihrem Hörer eine Menge ab, aber wer ein bisschen Geduld mitbringt, wird belohnt.

(dmm, 7 Fritten)

 

Dreamtide: Dreams For The Daring

(Frontiers/Soulfood)

Ups, der Song hat mich wirklich weggeblasen. "Dream Real" ist bis zur Schmerzgrenze ausgesteuert und donnert in einer Wucht, die Magnum würdig wäre, aus den Boxen. Das ist ohne Hohn und Ironie ein beeindruckender Song. Danach pendelt sich das Album in etwas gemäßigteren Gefilden ein und bietet gut gemachten, bombastischen Rock. Die Zielgruppe dürfte begeistert sein.

(dmm, 6 Fritten)

 

The Nervous Return: "Headshots"

(Nois-O-Lution/Indigo)

Verdammt, die sind gut. Girls Against Boys, Power-Pop-Rock, Now Wave (= Post Emo mit Wave-Einschlag – sagt man, nicht ich!) und noch viele andere Komplimente schießen einem durch den Kopf. Alles richtig gemacht. Catchy Melodien, ein Opener aus Zucker ("Murder Weapon") und den richtigen Mann zum Singen auserkoren. Rocken können sie auch ohne Pop, dafür dreckig ("Move") und in der Garage ("Destroy The Rocker"). Wir hüpfen und klatschen besinnungslos mit den Händen im Takt. Schlecht ist anders Ganz anders. Beste unbekannte Band auf kleinem Indie seit langem!

(kfb, 9 Fritten)

 

Royce Da 5'9'': "Build & Destroy"

(Trouble Records/Groove Attack)

"Ladies, don't fuck with a nigger like me", heißt es in "We're Live (Danger)". Aha. So einer ist er. Ein Gangster, ein Uzi-Schwinger, ein Frauen-Flachleger, einer, vor dem man Angst haben soll. Zumindest verpackt er seine Straßensprache in tolle Beats und Samples. Und reimen kann er eh, der sich da nennt Royce Da 5'9''.

(kfb, 6 Fritten)

Ojo Rojo: "Tunes From The Way Out"

(Swellcreek/Soulfood)

Der erste Eindruck täuscht. Es ist druckvoller Stoner Rock, wie er aus deutschen Landen selten an unsere Ohren dringt. Doch gegen Ende des Albums stellt sich langsam aber sicher Eintönigkeit ein. Vielleicht nur ein erster Versuch mit Aussicht auf Besserung. Vielleicht auch weniger. Abwarten.

(kfb, 5 Fritten)

Req: "Car Paint Scheme"

(Warp/Zomba)

Verdammt bizarr uns abstrakt, was sich Req da wieder ausgedacht hat. Der frühere Graffiti-Künstler aus Brighton verdingt sich nun als visionärer Beat-Bastler. Reime sucht man auf "Car Paint Scheme" vergebens. Alles worauf es ankommt, sind die komplexe Beat-Figuren, die lediglich von einigen wenigen Geräuschen begleitet werden. Strange stuff!

(kfb, 5 Fritten)

M83: "Dead Cities, Red Seas & Lost Ghosts"

(Gooom/Labels/Virgin)

M83 – das klingt nach einem smarten Computer, der Musik generiert. Könnte sein. Obwohl M83 zwei Jungs aus dem französischen Antibes sind, deren Musik ähnelt einer elektronischen Variante der sphärischen Klanglandschaften von Mogwai und Sigur Rós. Wobei die zwölf Stücke im Vergleich zu denen der beiden genannten Bands kälter und befremdlicher wirken.

(kfb, 7 Fritten)

Enon: Hocus-Pocus

(Touch & Go/EFA)

John Schmersel (ex-Braniac), Matt Schulz (Let's Crash) und Toko Yasuda (Blonde Redhead, The Lapse) bilden diese unschlüssige Trio namens Enon, das in so vielen Töpfen rührt, es wird einem beim Hören schwindelig. Indie-, Electro- und Irrsinns-Rock, der stets darauf besteht, schräg und anders zu sein. Hier muss man schon die Nerven bewahren, um von einem Song zum nächsten nicht ob der Stiländerung zu verzweifeln.

(kfb, 6 Fritten)

Sin City Six: Home Of The Brave

(Locomotive/Point)

Ein dreifach donnerndes "Yeah!" auf Sin City Six. Rotzrock der alten Schule mit einem ungewöhnlich präsenten Rolling Stones Einschlag, der jedem gefallen müsste, der die frühen Gluecifer oder The Hellacopters mag. Zudem ist "Home Of The Brave" für dieses Genre erstaunlich breit gefächert.

(dmm, 7 Fritten)

Michael Schenker: Forever And More –
The Best Of Michael Schenker (Do-CD)

(Steamhammer/SPV)

Nachdem Michael Schenker bei Mascot eine neue Label-Heimat gefunden hat, legt jetzt die alte Plattenfirma mit einer Doppel-Best-Of-CD nochmal nach. Die Auswahl aus neun Alben gibt zwar keinen kompletten, aber doch recht umfassenden Überblick. Specials oder irgendwelche Boni fehlen zwar, aber es geht ja um die Mucke.

(dmm, 6 Fritten)

Peter Frampton: Now

(Framptone/SPV)

Peter Frampton gehört in den großen Topf mit Jim Capaldi und Eric Clapton, sprich – alternde Rockstars, die mehrheitsfähige, nette Musik machen. Gemeinsam mit dem Sessiongitarristen Gordon Kennedy hat Peter Frampton 13 Songs geschrieben und sie mit einer etwas unnötigen Coverversion von "While My Guitar Gently Weeps" ergänzt. Solide wie ein Bobby-Car, aber ungefähr auch so spannend.

(dmm, 6 Fritten)

Ane Brun: Spending Time With Morgan

DetErMine/V2

Nordlicht (diesmal eine Frau) sitzt hinter der Gitarre und klampft. Erinnert stimmlich an eine Mischung aus Ani DiFranco und Pina und hat damit eigentlich alles richtig gemacht, um mich zu begeistern. Aber trotz aller musikalischer Intimität will tiefe Emotionalität hier nicht aufkommen. Ane Brun müht sich redlich, muss aber am Lagerfeuer weiterhin in der dritten Reihe sitzen bleiben.

(dmm, 6 Fritten)

 

Seekersplanet: Something Special

(Words Of Truth/Asaph)

Bis auf wenige Ausnahmen sind die Staaten des ehemaligen Jugoslawien musikalisch ein weißer Fleck auf der Landkarte. Mit diesem Exotenbonus ausgestattet, trötet uns jetzt ausgerechnet eine Punk-Ska-Band in die Ohren. Im positiven Sinne ist das unverbraucht, manchmal etwas unprofessionell, aber Seekersplanet müssen den internationalen Vergleich nicht scheuen. Speziell bei den Bläser-Arrangements lassen sie mehr Einfallsreichtum walten als viele Genrekollegen.

(dmm, 6 Fritten)

Screamin' Stukas: "A Lotta Rhythm"

(Tug Records/Indigo)

Das Cover ist weniger ansprechend. Doch Albumtitel und Bandname lassen schnell erahnen, in welche Richtung es geht. Die Screamin' Stukas bescheren uns eine gelungene und trotz aller anfänglicher Skepsis begeisternden Mischung aus Rock'n'Roll, Beatles-Pop und US-Rock aus den 60er und 70er Jahren.

(kfb, 8 Fritten)

Ricochets: "Holiday In Brazil"

(9:PM/Indigo)

Norwegen, oh Du Land der Schwarzmetaller, Dank sei Dir für diese wahnsinnige Rock'n'Roll-Band. Du hast Deinem Herz einen Stoss gegeben und Ricochets die Chance, fernab ihrer Heimat die Ohren von Gitarrenmusikfreunden zu verzücken. Die Hammondorgel, das Piano, der dreckig-arrogante Gesang, die Gitarrenriffs, der Bass, das Schlagzeug – all das passt so gut zusammen. Ist es nicht schön? Wir "scheißen" fortan auf die Hellacopters und frönen nur noch den Ricochets.

(kfb, 8 Fritten)

Minnie's: "Un' Estate Al Freddo"

(Heartfelt)

Wer hat gesagt, in Italien könne man keinen vernünftigen Emo-Punk machen? Minnie's jedenfalls wollen uns vom Gegenteil überzeugen und geben mit ihrem flotten, melodischen Punkrock- und Emorock-Hybriden eine ganz gute Figur ab. So hört sich das also mit italienischen Texten an...

(kfb, 6 Fritten)

Kju: "The Pices Fit"

(Swellcreek/Soulfood)

Ein merkwürdiger Bandname, eine umso bessere Band aus dem bundeskanzlerischen Hannover. Emorock, der nicht vom Fliessband kommt, und insbesondere durch Sänger Tobias Hartwig eine ganz eigene Note aufgedrückt bekommt. Lebendig, kraftvoll, bewegend, treibend und zum Moshen animierend. Ach ja. Guido Lucas hat produziert, dass heißt mal wieder: Der Sound ist vom Feinsten.

(kfb, 8 Fritten)

Gruppe 3: "Grundgedanken"

(M Company/Sony Music)

Gruppe 3 scheinen die Nachfolge von Selig und Echt antreten zu wollen. Das Trio rockt zu deutschen Texten. Wenn sie zu rappen versuchen, greifen sie verdammt tief ins Klo ("Marathon Mann"). Sie sollten beim Funk bleiben, den beherrschen sie immerhin.

(kfb, 5 Fritten)

Cryptic Slaughter: "Money Talks"
Cryptic Slaughter: "Convicted"

(Relapse/SPV)

Zwei Re-Releases, die via Relapse Records ins Haus geschneit kamen. Cryptic Slaughter werden auf zwei Scheiben geehrt, die mit reichlich Bonusmaterial angereichert wurden. Wer vor Jahren D.R.I. & Konsorten mochte, wird diese Band in bester Erinnerung haben. Ein Schriftzug wie eine Death Metal-Band, die Musik hyperschneller Crossover, der früher eine Mischung aus Hardcore und Thrash Metal war. Abwechslungsreich ist anders. Kultig ist es allemal.

(kfb, 6 Fritten)

Mammuth: Shine

(Talking Music /Asaph)

Wer grundsätzlich etwas mit Bands wie P.O.D. oder Blindside anfangen kann, sollte in "Shine" reinhören. Das Debüt der fünf Schweden startet amtlich und klingt für dieses ausgelutschte Genre erstaunlich frisch. Aber nach drei Nummern geht auch bei Mammuth die Luft raus und es bleibt ein nettes Album, das sich in sich selbst wiederholt.

(dmm, 5 Fritten)

Various Artists: The Soul Of Disco

(Ministry Of Sound)

Ich hatte mal einen Kollegen, der bei "Just An Illusion" von Imagination direkt 15 Jahre jünger wurde und sich mit verklärtem Blick an bessere Zeiten in einer oberhessischen Disco erinnerte. Wer ähnliche Flashbacks sucht, liegt mit dem vorliegenden Sampler auf der richtigen Spur. Nett compiled gibt es 13 kleine Ausflüge in "the golden era of disco" und wer mit Namen wie Leroy Hutson oder Pam Todd nichts mehr anfangen kann, kriegt spätestens den Flashback wenn er die Songs hört.

(dmm, 7 Fritten)

Cracker: Countrysides

(Cooking Vinyl/Indigo)

Cracker goes Country. Wer die Alben der Indierocker aufmerksam hört, merkt schnell, dass der Sprung zu lupenreinem Country gar nicht so weit ist. Acht Coverversionen (u.a. Merle Haggard, Hank Williams, Ray Wylie Hubbard) und eine bissige Abrechnung mit der ehemaligen Plattenfirma ("Ain't Gonna Suck Itself") ergeben ein skurriles Album, das authentisch klingt, aber wahrscheinlich nur zu besonderen Anlässen in den Player wandert.

(dmm, 7 Fritten)

Blackmore's Night: Ghost Of A Rose

(Steamhammer/SPV)

Ritchie Blackmore hat wieder zugeschlagen. So langsam gewöhne ich mich an die Stimme von Candice Night; es ist aber auch unüberhörbar, dass sie sich von ihrem Klein-Mädchen-Charme weg bewegt. "Ghost Of A Rose" bietet gewohnte Kost mit ausnahmsweise gelungenen Coverversionen und besserem Songmaterial als auf "Fires At Midnight". Ganz Optimistische können sogar schon fast Gitarrensoli ausmachen.

(dmm, 6 Fritten)

Tower Of Power: Oakland Zone

(SPV)

Wenn's warm ist, muss man schonmal das Gebläse aufdrehen. Schade, wenn dann nur ein laues Lüftchen rauskommt. Tower Of Power sind mit Sicherheit der Inbegriff eines "Gebläses", aber die alten Recken garen mit ihrem neuem Album nur ihren Legendenstatus. Wirklich cool ist hier nix, zu sehr parkt die Band auf dem Parkplatz der Routine und der technischen Finesse. Also - alles ein bisschen langweilig.

(dmm, 5 Fritten)

Satirnine: Void Of Value

(White Jazz/Zomba)

Rotzfrech rocken die vier Girls Satirnine drauf los. Entgegen poppigen Punkrock-All Girl-Bands wissen Satirnine noch, wie rauer, kantiger Punkrock gespielt wird, der nicht unbedingt in den College-Radiostationen laufen wird/soll/muss/kann. Rock on, chicks... aber leider nur für 32 Minuten!

(kfb, 7 Fritten)

Sepultura: Roorback

(Steamhammer/SPV)

Der Opener "Come Back Alive" verbreitet eigentlich direkt Totengräberstimmung. Wer braucht Sepultura noch, wenn sie so einen stupiden Stiefel runterspielen? Ja, die alten Fans, die freuen sich, aber Innovation ist was anderes. Trotzdem ist der Weg zurück zu einem ursprünglichen Sound bestimmt nicht der schlechteste, wie "As It Is" und die überaus gelungene Coverversion von U2s "Bullet The Blue Sky" belegen.

(dmm, 6 Fritten)

The Fight: Home Is Where The Hate Is

(Fat Wreck/SPV)

Die 18-jährige Kate ist Sängerin und Gitarristin und noch die Älteste in der Punk-Band The Fight. Ihre Miutstreiter sind männlich und ein und zwei Jahre jünger. Alt genug, um auf der Debüt-EP 1-2-3-4-Punkrock der alten Schule aus den Instrumenten zu schmettern. Watch out, Avril, here comes a true punkrock heroine!

(kfb, 6 Fritten)

Mikrowelle: Twang Boom Tschak

(Exile On Mainstream/EFA)

Liebste Damen, liebe Herren, diesen Albumtitel dürfen sie ausnahmsweise wörtlich nehmen. Mikrowelle ist das Hirngespinst des ehemaligen Think About Mutation-Bassisten Peter G. Mit dem Computer und einer Klampfe, einer Fender Mustang, hat er dieses Album zustandegebracht. Knapp 33 Minuten heiterer Elektro-Surf sind Peter und seinem PC gelungen. das skurrile Gesamtkunstwerk erinnert an Radio-Jingles aus den Siebzigern und versüßt einem so manch trübe Stimmung.

(kfb, 8 Fritten)

Clutch: Live At The Googolplex

(Megaforce/SMIS)

Clutch sind göttlich - insbesondere live. Wer noch nie in den Genuss einer ihrer Auftritte gekommen ist, der kann mit diesem Live-Album vorliebnehmen. Alle anderen haben sie bestimmt schon gesehen oder sollten sie demnächst mal in Natura erleben (Wer weiß wie lange sie noch durchhalten werden?). Bei Clutch wird noch gearbeitet und gerockt auf der Bühne. Da wird den Orange-Verstärkern alles abverlangt.

(kfb, 7 Fritten)

Friends Of Dean Martinez: Under The Waves

(Glitterhouse/Indigo)

Eine etwas andere Marschrichtung geben die Friends Of Dean Martinez vor. Nunmehr erinnern sie wie Calexico auf einem psychedelischen Trip. Verschwommen, eingenebelt und mystisch. Mehr denn machen sie Soundtrackmusik von epischer breite und kühler Erhabenheit.

(kfb, 7 Fritten)

IR8 vs. Sexoturica: Split

(Surfdog/SMIS)

Wieder ist Jason Newstedt am Werk. Dieses Mal mit Tom Hunting (Exodus), Andreas Kisser (Sepultura) und Devin Townsend (Strapping Young Lad). Aus dem Oktober '94 stammt das Projekt IR8 (mit Townsend und Hunting). In sechs Tagen entstanden drei Songs, die verdammt böse und leider auch einfältig klingen. Thrash Metal kann dabei so aufregend sein. Besser sind die drei Lieder von Sexoturica. Newstedt, Hunting und Kisser gaben sich im März 1995 die Punk/Thrash Metal-Kante.

(kfb, 5 Fritten)

Papa Wheelie: Live Lycanthropy

(Surfdog/SMIS)

Jason Newstedt hatte endgültig genug vom Gute-Nacht-Hardrock von Metallica und lieber bei Voivod ein neues Zuhause gefunden. Mit zwei Kumpels hat er dieses Album eingespielt. Statt sich müde zu hardrocken lässt Newstedt die Punk- und Sludge Rock-Sau raushängen. Es darf auch mal Doom sein. Bei der Produktion müssen leichte Abstriche gemacht werden. Dafür ist der Unterhaltungswert umso höher. Für Fans der mittleren Melvins besonders gut geeignet.

(kfb, 6 Fritten)

Genocide Superstars: Superstar Destroyer

(Relpse/SPV)

Was uns das Label als Metal verkaufen will, ist präziser formuliert eine Hardcore-Variante von Motörhead. Mit unmenschlicher Geschwindigkeit fegen die Genocide Superstars (geschmackloser Name übrigens!) durch 14 Songs und spielen sich dabei um Sinn und Verstand. Headbangen kann man bei diesem Tempo echt vergessen.

(kfb, 7 Fritten)

JR Ewing: Ride Paranoia

(GSL/Sony Music)

Herrlich, endlich mal wieder eine noiserockende Band, die Erinnerungen an Jesus Lizard, At The Drive-In und Refused wach werden lassen. Natürlich sind JR Ewing, die aus dem Emo-Umfeld, kommen, nicht nostalgisch veranlagt. High Energy-Rock vom Feinsten. Und jedes schräge Break ist ein Genuss.

(kfb, 8 Fritten)

Autechre: Draft 7.30

(Warp/Zomba)

Gottverdammt. Was für eine Platte. Ich kann es nicht glauben. Es ist atemberaubend. Für Jahre waren mir Autechre suspekt, ich konnte ihren Sound nicht nachvollziehen. Jetzt aber habe ich mir dieses Album aufgezwungen und irgendwann hat es Click gemacht. Hier sitzt kein Teil auf de anderen. Der Rhythmus ist verquer und nie durchgehend. Der Kopf hört mit.

(kfb, 7 Fritten)

Eloy: Timeless Passages - The Very Best Of Eloy

(Harvest/EMI)

Art Rock deutscher Prägung hat unter anderem einen Namen: Eloy. Das ist die Band deren Cover stets Phantasiewelten zur Schau stellen. Auf zwei CDs wird die Entwicklung der Band noch einmal rekonstruiert. 22 Songs, darunter eine bis dato unveröffentlichte Live-Version von "Poseidon's Creation" und einem Remix von "Illuminations". Also: Anschnallen, wenn es auf die Reise durch die Traumwelten von Bandleader Frank Bornemann geht.

(kfb, 7 Fritten)

Jah Wobble: Fly

(30 Hertz Rec./Soulfood)

Jah Wobble ist auf einem Trip hängen geblieben. Seine Reise führt ihn durch erträglichen Jazz jenseits der freakigen Improvisation weiter durch die flauschigen Wiesen des TripHop über einige Hügel Drum'n'Bass bis hin zu Trance-mäßigen Elektro. Den Ex-Bassisten von Public Image Limited, kurz auch PIL genannt, hätte es schlimmer erwischen können.

(kfb, 6 Fritten)

Rachel Stamp: Oceans Of Venus

(Pure Stirling/Sony Music)

Schriftzug und Cover-Gestaltung lassen auf eine Progressive Rock-Band schließen – wären da nicht die böse dreinschauenden Gesichter der Musiker. Die verraten durch ihre Kajal-Schminke, dass in der Verpackung hippe Musik stecken muss. Bingo! Marylin Manson trifft die Backyard Babies. Oder so ähnlich. Not too bad!

(kfb, 6 Fritten)

Swingin' Utters: Dead Flowers, Bottles, Bluegrass, And Bones

(Fat Wreck/SPV)

"All That I Can Give", eine coole Country-Ballade, und der Folklore-Ballade "Don't Ask Why" sind mit die besten Songs auf dieser Platte. Beim Rest geben sich die Me First And The Gimme Gimmies- und Filthy Thievin' Bastards-Mitglieder typischem Street Punk mit Folk-Einflüssen hin. Kurzum: Für Fans von Social Distortion und The Clash.

(kfb, 6 Fritten)

Julian Sas: Delivered

(Corazong)

Der holländische Gitarrist und Sänger Julian Sas kniedelt sich auf der Doppel-Live-CD durch 17 Songs, kann richtig gut spielen und erinnert mehr als ein Mal an Walter Trout. Zwischen Blues und Boogie ist "Delivered" eine mitreißende Liveaufnahme, bietet aber wenig Neues.

(dmm, 5 Fritten)

Nephew: Swimming Time

(Martian Records/Indigo)

Gewöhnlicher, leider nur mittelklassiger Indie-Rock mit dezent britischer Prägung und auch kleineren Anleihen an US-amerikanischen Alternative Rock der Post-Grunge-Ära. Allerdings stammen Nephew aus Dänemark. Sie sind bemüht, doch das reicht noch nicht aus, um unsereins hinter dem Ofen hervorzulocken.

(kfb, 4 Fritten)

Add N To (X): Loud Like Nature

(Mute/Virgin)

Ohne lang um den heißen Brei zu reden: "Loud Like Nature" ist in wenig enttäuschend. Da fehlt ein Hit wie "Plug Me In" – ganz zu schweigen von der Pornoversion des dazugehörigen Videos. Das Album wirkt überhastet zusammengeklaubt. Einige Ideen wurden ohne einem roten Faden miteinander verknüpft. Alles in allem klingt es zu pseudo-trashig, wobei aber nicht alles an "Loud Like Nature" schlecht ist.

(kfb, 4 Fritten)

Ceili Rain: No You – No Me

(Cross Driven/Provident)

Gibt es Prog-Folk? Falls nicht – die amerikanische Band Ceili Rain hat sich einem Stil verschrieben, der dieser Beschreibung am nächsten kommt. Irish Folk mit orchestralen Rock-Einflüssen, der zwischen typischen Sing-A-Longs bis hin zu ausgefuchsten Balladen eine Menge zu bieten hat. Wer es gerne eingängig aber nicht abgeschmackt mag, sollte seinen Schirm in Richtung Ceili Rain aufspannen.

(dmm, 7 Fritten)

Boards Of Canada: Twoism

(Warp/Zomba)

Zum ersten Mal gibt es dieses famose Mini-Album der schottischen Elektro-Frickler auf CD. Bis dato nur für Vinyl-Junkies und spendable Sammler (da seinerzeit auf mickrige 100 Exemplare limitiert) zu erstehen, komplettiert diese 1995 auf Music70 erschienene EP die Diskographie. Elektro-Easy Listening vom Feinsten. Und einmal mehr ein Indiz für die Genialität des Duos.

(kfb, 8 Fritten)

Guitar: Sunkissed

(Morr Music/Hausmusik)

Electronic Beats mit Gitarrenflächen der cinemascopischen Art angereichert. Da sitzt man zwischen einigen Stühlen, die da hießen. Obendrein exotischer Gesang aus fernen Landen von Ayako Akashiba. Mal schreddern die Gitarren verzerrt und verechot über dem trance-mäßigen Beat-Gerüst, mal treten sie völlig in den Hintergrund und lassen dem süßlichen Reverse-Pop den Vorrang.

(kfb, 7 Fritten)

O.S.T.: Morvern Callar

(Warp/Zomba)

Diesen Soundtrack muss man haben, wenn man ein Freund von Musik der etwas anderen Art ist. Für die Untermalung des Films von Lynne Ramsay wurden Songs von Can, Aphex Twin, Boards Of Canada, Lee Hazelwood & Nancy Sinatra, Ween, Broadcast, Stereolab, Holger Czukay und The Velvet Underground zusammengetragen. Bezaubernd, nich'?

(kfb, 8 Fritten)

Un Kuartito: No Pares! Non Stop

(Übersee/EFA)

Im vergangenen Jahr haben wir euch hier den Sampler von Übersee Records vorgestellt, jetzt hat das Label das erste komplette Album über den Teich geholt. Un Kuartito kommen aus Argentinien und sind trotz Exotenbonus der Beweis dafür, dass zwei starke Nummern nicht ein ganzes Album tragen können. Nach einem furiosen Ska-Rock-Einstieg verliert sich die Truppe überwiegend in Kaspereien und zumindest ich kann das nicht lustig finden.

(dmm, 4 Fritten)

 

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Die Kurzrezensionen 2002

Coming Attractions