Interview: Anton Fier

Ein Mann geht seinen Weg

Anton Fier ist einer der vergleichsweise wenigen Schlagzeuger, der sich erfolgreich zu einem selbständig plattenproduzierenden Künstler gemausert hat. Wenn Fier Platten macht, dann unter dem Namen GOLDEN PALOMINOS. Acht waren es bislang, die erste 1983 und die neueste, „Dead Inside“ Ende 1996. Obwohl er mit einigen der besten Experimentalmusiker aus New York zusammenarbeitet (wie Bill Laswell und Gitarrist Nicky Skoplelitis, die auf allen acht Alben spielen), IST Anton Fier die GOLDEN PALOMINOS. Und er beeilt sich gleich zu Beginn des Interviews, mich darauf hinzuweisen: „There ain´t no band!“

Aber auf den frühen PALOMINOS-Platten gab es eine Band. Auf der ersten LP „Golden Palominos“ spielten Arto Lindsay und John Zorn und auf der zweiten, „Visions of Excess“, Jack Bruce, Richard Thompson und Henry Kaiser. Am interessantesten für die breite Masse waren aber die Gastauftritte von Michael Stipe, Bob Mould, John Lydon und Mick Taylor. Auf „Dead Inside“ ist Fier jetzt praktisch für die ganze Musik verantwortlich, die hauptsächlich aus atmosphärischen Synthesizer Dreamscapes besteht.

„Musikalisch gesehen ist das meine bislang unkooperativste Platte. Ich sehe diese Platte aber als Zusammenarbeit mit Nicole Blackman“ , sagt Fier über die Frau, die sämtliche Texte auf „Dead Inside“ geschrieben und gesprochen (nicht gesungen!) hat.

„Ich wußte, ich mußte eine Platte machen und ich mußte Leute finden, mit denen ich sie machen konnte. Ich hatte da eine Kassette einer Compilation, bei der ich auch mitgearbeitet hatte. Die Beteiligten übernahmen den Part einer Figur der griechischen Mythologie und schrieben und lasen ein kleines Stück. Ich hörte Nicoles Beitrag und was mich anzog, war der Klang ihrer Stimme und die Art, wie sie den Text vortrug. Sie klang sehr real, wie jemand, der zu dieser ganz bestimmten Zeit gelebt hat. Sie war daran interessiert, verschiedene Sachen auszuprobieren. Wir trafen uns und sprachen einige Male darüber, wie ich die Platte haben wollte.“

Wenn man mit Fier spricht, werden zwei Dinge über seine Arbeitsgewohnheiten sofort klar. Zunächst einmal ist er Perfektionist.

„Ich wußte, als ich die letzte Platte („Pure“, 1994) beendet hatte, daß sie eigentlich noch nicht fertig war. Eine Hälfte war, meiner Meinung nach, fertig und großartig und ich bin glücklich, daß es sie gibt. Bei der anderen Hälfte wußte ich aber, daß sie nicht gut war. Ich versuchte, die Plattenfirma dazu zu bringen, die Platte noch nicht zu veröffentlichen. Die Platte war ein Fehler, den ich ganz bestimmt nicht wieder machen werde, denn ich habe nur eine beschränkte Anzahl an Platten zu machen bevor ich sterbe und sie sollen alle etwas besonderes werden. Sie sollen alle etwas bedeuten.“

Fier is a Blackman´s best friend

Über die Zusammenarbeit mit Nicole Blackman bei „Dead Inside“:

„Ich erarbeitete primitive Versionen von drei Stücken und wir nahmen sie uns eine nach der anderen vor. Es war nicht so, daß wir uns an drei Stücken versuchten und es bei einem vielleicht nicht klappte. Wir haben uns mit einem Stück so lange beschäftigt, bis es fertig war – nicht das ganze Stück, aber bis die Texte fertig waren und wir Nicoles Aufnahmen auf Band hatten. Die ersten drei Stücke waren „Victim“, „Belfast“ und „Metal Eye“. Der Standard der ersten drei Titel war so hoch, daß wir Schwierigkeiten hatten, weiter zu machen, denn ich wollte, daß jedes weitere Stück genauso gut sein sollte, wie die ersten drei. Deshalb hat es ziemlich lange gedauert, bis wir mit der Platte fertig waren. Über ein Jahr. Ich wollte mich hundertprozentig mit dem Album identifizieren können. Wenn es fertig war, wollte ich es anhören können und sagen: Ja, das ist die Platte, die ich machen wollte.“

Fier ist aber nicht nur ein Perfektionist, er will auch, daß alles nach seinen Vorstellungen läuft:

„Ich habe das letzte Wort. Ich war etwas unzufrieden, wenn ich in den letzten Jahren mit anderen Songschreibern zusammenarbeitete. Deshalb wollte ich jemanden finden, der gar nicht erst versucht, mir seine musikalische Persönlichkeit aufzuzwingen“.

Fier gibt zu, daß Blackmans nicht-musikalischer Status eine große Anziehung auf ihn ausübte.

„Ich habe nach und nach die Zahl der Mitmusiker verringert und jetzt gibt es fast nur noch mich und die Texterin. Und ich glaube, die nächste Platte mit Nicole wird noch weiter gehen. Mehrere Platten lang gab es immer einen Gitarristen (entweder Nicky oder jemand anderes), der mir geholfen hat, die Musik in die richtige Richtung zu bringen. Auf der aktuellen Platte aber war ich der einzige, der die musikalische Richtung vorgegeben hat. Und ich hatte das Gefühl, daß das sehr wichtig für mich war. Meine Platten müssen etwas persönlicher werden.“

So betrachtet Fier sogar seinen Computer, der bei der Erstellung von „Dead Inside“ eine große Rolle spielte, mit einem gewissen Mißtrauen.

„Ich möchte eine gewisse Distanz zu meinem Computer beibehalten. Ich möchte ihn nur als ein Musikinstrument betrachten. Mein Computer läuft fast 24 Stunden am Tag, aber ich werde mir keine Textverarbeitung zulegen und ich werde kein Modem kaufen, denn ich kenne mich nicht gut genug aus, um mit ihm arbeiten zu können. Es hat sehr lange gedauert, bis ich den Computer als Musikinstrument einsetzen konnte. Ich möchte ihn nur als das sehen.“

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