Interview: Sasha

Sasha ist ein Phänomen. Ein Bravo-Liebling, der auch bei „Zimmer frei“ oder Harald Schmidt einen guten (und vor allem: intelligenten) Eindruck macht. Ein Teeniestar, dessen Musik ganz ohne uffza-uffza-uffza-Rhythmen auskommt. Grund genug für unsere Fachfrau für Charts-Fragen, mit Sasha ein Telefongespräch über das Wesen des Pop, Brusthaare und singende Schauspieler zu führen.

Hinter-Net!: Wir sind gleich alt. Können wir uns duzen?

Sasha: Um Gottes Willen! Nein! (Lacht) Geht klar, gerne. Ich hatte grade ein Siez-Gespräch, das war ein bißchen eigenartig. Da komm ich nicht so gut mit klar.

Hinter-Net!: Was fällt Dir spontan zum Wort Pop ein?

Sasha: Musik. Aber es gibt auch Pop-Art, was ich allerdings nicht so gut finde. Pop ist für mich die Musik, in der man sich am meisten ausleben kann. Es ist nicht die einzige Musikrichtung, die ich höre, aber die einzige, die ich machen möchte. Und es ist Geschmackssache. Man kann nicht sagen, das ist guter Pop – das ist schlechter Pop. Genausowenig, wie man das von Musik generell sagen kann.

Hinter-Net!: Kann man nicht? Ich wollte Dich jetzt eigentlich fragen, was gute Pop-Musik ausmacht?

Sasha: Gute Popmusik ist vielfältig. Ich glaube, guter Pop sind gute Songs. Schlüssige Songs, die in sich rund sind.

Hinter-Net!: Was ist für Dich der perfekte Pop-Song?

Sasha: (lacht) Wenn ich das wüßte, dann hätt ich ihn schon geschrieben. Das glaub mir mal! Es gibt soviele gute Pop-Songs… Und es gibt immer wieder Jurys, die meinen, sie könnten darüber entscheiden, was der Pop-Song des letzten Jahrhunderts ist. Da kommen die unglaublichsten Sachen bei raus, ich wunder mich immer nur schwer, wenn „Smells like Teen Spirit“ von Nirvana zum Song des Jahrhunderts gekürt wird. Da denk ich mir immer, wo sind denn Gershwin, Queen und die Beatles geblieben? Das find ich sehr eigenartig. Deshalb würd ich mir nie rausnehmen, zu sagen, das ist der ultimative Pop-Song

Hinter-Net!: Also, meiner ist „Be my Baby“ von den Ronettes.

Sasha: Kenn ich noch nichtmal. Oder ist das…? (singt „Be my Baby“ von den Ronettes) Ja? Echt? Das ist also Dein ultimativer Lieblingssong?

Hinter-Net!: Nein, das ist mein „perfekter“ Pop-Song. Ich finde, besser geht’s nicht. Es hat so ´ne Leichtigkeit, ist knackig und hat eine geniale Melodie.

Sasha: Hm. Es gibt einen Song, den ich sehr gut finde: „And I love her“ von den Beatles. Der ist superschön.

Hinter-Net!: Du schreibst ja auch selber Songs, nicht wahr?

Sasha: Ja, so´n bissken.

Hinter-Net!: Was kriegt man denn da mit von den Schwierigkeiten des Songwritings? Sieht man Songs mit einem anderen Blick?

Sasha: Ja, ich glaub schon. Ich hab in meiner früheren Band vornehmlich die Texte geschrieben, weil ich selbst nicht besonders gut Instrumente spiele. Ich brauch immer jemanden, der die Musik liefert. Also, ich bin schon Teamarbeiter. Momentan arbeite ich mit zwei, drei Produzenten zusammen, wir schreiben Songs, und manchmal ist es natürlich auch schwierig. Wenn man nicht weiterkommt, sollte man den Song beiseite legen und was komplett Neues anfangen. Dann fällt einem plötzlich ein, was man mit dem anderen machen wollte. Zu kramphaft an einem Song zu arbeiten, ist ein Fehler. Denn es ist viel Emotion dabei, die muss man fließen lassen. Natürlich gibt´s so´n „Schema F“, mit dem man anfängt: Strophe, Bridge und Chorus. Allerdings kann man damit auch spielen.

Hinter-Net!: Wie sehr mischst Du im Studio mit?

Sasha: Kommt drauf an. Es gibt Songs von meinen Produzenten, und ich sage, ob sie mir gefallen oder nicht. In den meisten Fällen sind die aber gut und auf mich zugeschnitten. Bei den Arrangements kann ich noch mitmischen. Ich bin eigentlich bei allen Sachen mitspracheberechtigt und bei der Hälfte der Songs textlich und musikalisch involviert.

Hinter-Net!: Du hast ja früher in einer Funkrock-Band gespielt…

Sasha: Wie bitte?

Hinter-Net!: In einer Funkrock-Band…

Sasha: Ja genau. Viele sagen „Punk“, aber wir haben keinen Punkrock gemacht – wir haben Funkrock gemacht! Das ist ein Unterschied, ein großer sogar.

Hinter-Net!: Keine Frage. Du kennst das Musikbusiness also von außen und innen, hast Rock und Pop gemacht. Wo würdest du den Unterschied ansiedeln? Ihr Pop-Künstler seid ja nicht nur besser gekleidet…

Sasha: Hihi, „Ihr Pop-Künstler“… Also, das mit dem „besser gekleidet“ lass ich mal so dahingestellt sein. Ich für meinen Fall bin auch großer Rock-Fan, ich hab vieles von Living Colour, Pearl Jam und den Red Hot Chili Peppers im Schrank. Das waren so meine Favoriten, als ich selber lange Haare trug, Riesenkoteletten und zerrissene Jeans, die ich heute immer noch hab. Aber es hat mir nicht ausgereicht, das war der Unterschied. Wir haben mit der Band so viel gemischt wie eben ging. Aber in der Popmusik ist es viel einfacher und legitimer, mit den Stilrichtungen zu spielen. Wenn man als Rockmusiker mal eine Pop-Ballade schreibt, ist man plötzlich nicht mehr „kredibil“, was auch immer das Wort heißen mag. Ich hasse dieses Wort. Außerdem bedarf es endlich mal einer ordentlichen Definition. Wer sagt einem denn, was „kredibil“ ist und was nicht?

Hinter-Net!: Ist das nicht eher ein Problem, das die Rockmusiker betrifft?

Sasha: Ja, HipHop- und Rockmusiker, aber auch viele Popmusiker. Ich hab das Problem nicht, weil ich halt noch nicht herausgefunden hab, wer dieses Wort erfunden hat. Aber für viele ist das schon wichtig. Ich glaube, „kredibil“ heißt, bei den Kritikern anerkannter zu sein als beim Publikum. Vielleicht hab ich ja die Lösung! (lacht)

Hinter-Net!: Was bedeutet Dir denn die Meinung der Kritiker?

Sasha: Also, wenn sie hinterfragt ist, nehm ich sie gerne an. Ich hab nach der letzten Tour die ganze Pressemappe durchgelesen und nach Kritiken gesucht. Die meisten waren positiv, mit diesem Überraschungseffekt, Mein Gott, der Junge kann ja was. Etwa zehn Prozent waren negativ, davon nur eine Kritik, die wirklich ein paar Sachen aufgezeigt hat, mit denen ich übereinstimmen muss. Wo ich gesagt hab, stimmt, ich war an dem Tag nicht supergut drauf, da muss ich dran arbeiten. Aber es waren auch negative Kritiken dabei, wo man gemerkt hat, die Leute waren ein, zwei Lieder beim Konzert und sind dann gegangen. Dann kann man nicht über ein ganzes Konzert schreiben. Das sind so Sachen, dann sag ich mir, na Gott, dann war´n se halt nicht da.

Hinter-Net!: Wenn man über Dich liest, fallen oft die Namen „Elvis“ und „Tom Jones“. Was schätzt du an ihnen: die Musik oder ihre Entertainerqualitäten?

Sasha: Beides. Tom Jones ist mit einer unglaublichen Stimme gesegnet, ich hab ja schon neben ihm gesungen, das ist unfassbar, was der Mann für ein Volumen hat, da zittert der Boden! Man kann nur den größten Respekt davor haben, und außerdem ist der auch noch ´ne recht coole Sau… Elvis Presley hab ich leider nie kennengelernt. Er hat Sachen gemacht, die niemand anders so zuvor und auch bis jetzt nie wieder geschafft hat. Er hatte zwar auch so seine Macken, aber er ist nunmal der größte Star des Jahrhunderts und deshalb natürlich auch in meinem Kopf. Er hat aber, was mich schwer gewundert hat, fast nie einen Song selber geschrieben. Also waren seine Entertainerqualitäten natürlich hervorstechend.

Hinter-Net!: Also, wenn ich an den „späten“ Elvis denk oder an Tom Jones schlechthin, dann kommst Du aber als Entertainer angenehm anders rüber. Nicht so dieses Schwülstige, dieses Gockelhafte…

Sasha: (lacht) „Gockelhaft“, find ich super! Wie geht´n das?

Hinter-Net!: Naja, immer mit offenem Hemd…

Sasha: Ach so, das ist ja auch eine Modesache. Zu der Zeit, als die Jungs am Start waren, als Tom Jones seiner beste Zeit hatte, da waren Brusthaare bei Männern auch noch „in“. Das ist ja mittlerweile nicht mehr so, obwohl das wieder kommt, glaub ich.

Hinter-Net!: Aber das macht der ja heute noch, und es kommt gut an.

Sasha: Ja, Tom Jones ist eine Ikone. Man darf nicht vergessen, dass der Mann schon 35 Jahre im Showgeschäft ist. Das ist natürlich auch ein alter Hase, wie man so schön sagt. Aber er hat immer noch viel Energie, und dem kann man nur mit größtem Respekt entgegentreten.

Hinter-Net!: Wenn man über Dich recherchiert, liest man viele Sachen, die man bei anderen Musikern nur mit Mühe rauskriegen würde. Fühlst Du Dich als komplett öffentliche Person? Hast Du das Gefühl, dass man schon alles über Dich weiß?

Sasha: Nein, eigentlich nicht. Es gibt viele Sachen, die lass ich auch draußen. Das bleibt mir zum Glück selbst überlassen. Ich hab keine Probleme damit, mich bis zu einem bestimmten Punkt zu öffnen, weil ich finde, man sollte ehrlich sein.

Hinter-Net!: Aber das mußt Du mehr als andere. Und viele reden mit Dir nur über Deine Frisur und Deine Anzüge…

Sasha: Ja, mein Gott, das gehört mittlerweile dazu. Man muss schon ´ne ganze Menge geben heutzutage. Ich möchte mich nicht verstecken, aber ich möchte auch einige Sachen für mich behalten. Dann erzähl ich eben lieber mehr über meine Frisur als über meine Unterhosen.

Hinter-Net!: In den Medien kommst Du als unglaublicher Saubermann rüber. Dabei traust Du Dich durchaus, Deine Meinung zu sagen. Über Oli P. und Modern Talking hast Du Dich ziemlich kritisch geäußert.

Sasha: Nee, Oli P., das ist ein komisches Thema. Ich glaub, das ist mißverstanden worden. Ich mochte halt die Musik nicht, aber er ist ein Supertyp.

Hinter-Net!: Aber Du hast doch gesagt, er sei nur ein „singender Schauspieler“.

Sasha: Ja gut, das ist schnell eine Floskel – das war halt zu der Zeit, als die Welle der singenden Schauspieler unheimlich groß wurde. Und das find ich halt einfach schade – nicht mir gegenüber, ich hab ja großes Glück gehabt, dass es bei mir geklappt hat – aber es gibt halt viele, die haben tierisches Talent und werden nicht entdeckt. Und es gibt viele, die haben überhaupt kein Talent und sorgen damit für Furore, was ich sehr schade finde und auch unfair, jedenfalls gegenüber Musikern! Das ist das einzige, und damit war eigentlich nicht Oli P. gemeint, denn den mag ich sehr gern.

Hinter-Net!: Siehst Du Dich musikalisch als Kind der 80er?

Sasha: Ja, das schwingt schon stark mit. Ich finde, dass in den 80ern unglaublich gute Popsongs geschrieben worden sind, zum Beispiel find ich Nik Kershaw ziemlich gut. „The Riddle“ ist ja jetzt in einer miesen Techno-Version wieder aufgebrüht worden, was dem Song aber nicht schlecht tut. Es ist ein guter Song, und den kann man nicht kaputtmachen, auch wenn man ihn verutzt. Ich nenn das „verutzen“, wenn man diesen Techno-Beat drunter legt: utz-utz-utz…

Hinter-Net!: Was war Dein größter musikalischer Fehlkauf?

Sasha: Da muss ich mal schwer überlegen. Ich kauf ja nie so viele CDs, und wenn, dann immer gleich einen ganzen Batzen mit Klassikern, von denen ich weiss, dass sie gut sind. Aber meine allererste Platte, das war Howard Carpendale, „Nachts, wenn alles schläft“. Damals fand ich das gut, als Fünf- oder Siebenjähriger.

Hinter-Net!: Meine schlimmsten Platten sind die, die ich geschenkt gekriegt hab.

Sasha: Ja, ich hab mal von meiner Oma eine geschenkt gekriegt, das war, glaub ich, die schlimmste Schallplatte überhaupt, was ich ihr aber überhaupt nicht übelnehme. Das war eine NDW-Platte mit gemischten Künstlern, aber noch nicht mit den Originalen, sondern so ´ne Art Karaoke, und das leider fünf Jahre zu spät. Also, fünf Jahre, nachdem die NDW abgeebbt war. Das war ein schönes Weihnachtsgeschenk. Eins von denen, wo man so sagt, Ja, Danke, hähä.

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