Interview: Sharon Stoned

Es scheinen bessere Zeiten anzubrechen! Wenn eine Band wie Sharon Stoned ausgiebig tourt und noch (relativ) viel Unterstützung von Seiten der deutschen Musikmedien erhält, gibt dies Anlaß zur Hoffnung für alle, die das „Mein Gott was sind wir so hart“-Ding satt haben. Noch verwunderlicher erscheint die Tatsache, daß 250 zahlende Gäste den Weg in das Dampfbad „Haifischbar“ nach Saarbrücken gefunden hatten, dachte ich immer, daß diese Stadt eine Art Wasteland für artverwandte Musik darstellt. Ein Hoch also auf Mingo Diener, den Herausgeber des „GOAR“, der die hohe Kunst Christofer Uhes schon zu Speedniggs-Zeiten, zu schätzen wußte. . .

Ich spreche hier von der hohen Kunst des Schreibens von Songs, die zwar nie in die Hitparaden vorgestoßen sind, die nichtsdestotrotz das gleiche Hitpotential aufweisen, wie die besten Scheiben der Lemonheads oder Dinosaur Jr’s.

Diese Fähigkeit übt Krite (Christofer Uhe) nicht nur bei Sharon Stoned aus- eine Band sei ihm zu wenig. Er zieht es vor, mit seinen Freunden verschiedene Projekte aufzuziehen, damit „man über die Runden kommt“- schließlich verkauft sich eine CD aus diesem Genre nur um die 5000 mal.“

Namedropping gefällig?

Bei Great Tuna spielt Krite zusammen mit Christoph Pfeifer (Ex-Speedniggs), bei Locust Fudge spielt Schneider von den Hip Young Things mit dem Meister zusammen, Familiy Affair gleicht tatsächlich einem Familientreffen, wo sich die Brüder Markus und Micha Acher (The Notwist) mit Schneider und Krite zusammenfinden. Man könnte meinen es gäbe in Deutschland ein zweites „Dischord-Syndrom“. Sharon Stoned besteht zwar nur aus den beiden Musikern Christofer Uhe und Mark Kowarsch, doch werden auf ihrer aktuelle CD „License To Confuse“ zur Verstärkung nur Freunde gefeatured- wie Schneider, Lou Barlow , Markus & Micha Acher, Evan Dando und Sylvia Junosca, um nur einige zu nennen.

Ein verbindendes Glied zwischen allen Projekten ist nicht nur der Mensch, der den Gesang beisteuert, sondern auch verschiedene Stücke, die in anderen Versionen auf den verschiedenen CDs vertreten sind. Dies sei allerdings keine Absicht, sondern beruhe teilweise darauf, daß man bei älteren Stücken, die nicht optimal abgemischt waren, den Drang verspürte, sie nocheinmal „besser“ aufzunehmen. Auf keinen Fall nimmt sich Christofer Uhe vor, bestimmte Songs für ein jeweiliges Projekt zu schreiben.

„Ich schreibe einfach Stücke und je nachdem in welchem Arbeitsprozeß ich gerade stecke, versuche ich sie dann zu verwenden.Die nächste Sharon Stoned wird ganz im Studio fertiggestellt werden, ohne große Vorproduktion.“ Wie diese allerdings aussehen wird, darauf kann und will man keine Antwort geben.

Eins scheint sicher: Das große Namedropping wird nicht wie bei „License To Confuse“ im Vorfeld ablaufen. Offensichtlich ist man darüber verärgert, daß Leute von der Plattenfirma auf der letzten Popkomm herumstolzierten und verkündet haben, daß Evan Dando auf dem Tonträger verewigt sei, hingegen man von Seiten der Band nur über die Absicht ein Stück mit Mr. Lemonhead aufzunehmen, geredet hatte. Eine solche Art von Propaganda findet Mark Kowarsch „peinlich“, schließlich soll sich die CD aufgrund der eigenen, künstlerischen Leistung verkaufen.

Auffällig an „License to Confuse“ ist nicht nur die Tatsache, daß der Titel einem Stück der letzten Sebadoh-Veröffentlichung „Bakesale“ entliehen ist, sondern auch die Tatsache, daß Sharon Stoned einige Songs mit einem 4-Spur Rekorder zu Hause aufgenommen haben- ein Stilmittel, dessen sich Lou Barlow des öfteren bedient. Mark Kowarsch sieht in dieser Tatsache keine Reminiszenz an Lou Barlow:

„Die letzte Sebadoh klingt wie eine gigantische Rockproduktion- was auch cool ist. In unserem Fall ist es so, daß der Etat von der Plattenfirma nicht ausgereicht hat, um alle Stücke sauber zu produzieren. Wir setzen uns nicht mit irgendeinem Arschloch ins Studio, der nichts auf die Reihe kriegt, um nachher kein Geld mehr übrig zu haben. Die Versionen klingen mit 4-Spur aufgenommen total gut und deshalb sind sie auch in dieser Form auf der Platte.“

Christofer Uhe:

„Außerdem haben wir diese Homerecording- Geschichte schon zu Zeiten der Speedniggs durchgezogen, nur hat das damals noch keinen interessiert. Es ist keine Anpassung an den Trend eine „Low-fi“-Aufnahme zu machen! Die Speedniggs-Alben wurden mit total geringen Mitteln in nur drei Tagen aufgenommen- bis auf die dritte; die hätten wir auch gleich einstampfen sollen (lacht!)“

Die Nähe zu den Vorbildern der Post-Punk-Bands der Mitte-Achtziger ist , trotz der Einwände von Mark nicht von der Hand zu weisen. Die Stimme Christofer Uhes erinnert doch sehr an die des jungen J.Mascis und außerdem singt man auf Englisch mit leicht amerikanischen Akzent.

„Das mach ich schon seit meiner Jugend. Es gibt für mich keinen Grund auf deutsch zu singen – ich kann das auch gar nicht. Ich habe auch keine Message wie Jochen Diestelmeier von Blumfeld oder Thomas Lewin von Cpt. Kirk &, die sich permanent mitteilen wollen. Versteh mich nicht falsch – Blumfeld ist eine meiner Lieblingsbands, aber ich denke, es ist gleich, ob meine Songs jemand in England, Deutschland, Amerika oder Holland hört- wenn sie jemand verstehen will, dann versteht er sie auch. Es kommt auf die Musik an. Das ist wohl auch der Grund warum Blumfeld in England so groß rausgekommen sind. Sie machen einfach gute Musik! Mir würden Blumfeld auch mit englischen Texten gefallen.“

Die musikalische Verwandtschaft ergibt sich bei Uhe als logische Konsequenz aus der Sozialisation:

„Klar ist man von Dingen beeinflußt, die gerade hip sind; ich habe Dinosaur bis zur dritten Platte gemocht, aber meine Roots liegen doch eher bei Neil Young. Meine Eltern besitzen all diese Scheiben und ich habe sie als Achtjähriger immer mitgehört. Deshalb spiele ich keinen Punkrock – ich sah bisher keinen Grund gegen die Musik meiner Eltern zu rebellieren. Außerdem habe ich noch nie einen politischen Text verfasst, denn ich schreibe für mich. Wenn ich ein Problem mit mir herumtrage, geht es mir, nachdem ich einen Text über die Schwierigkeiten geschrieben habe, meistens besser.“

Am Ende unseres Gesprächs gab Krite noch sowas wie eine „Top-Five of all Times“ an, die Musik, die ihn u.a. dazu veranlaßt hatte eine Band zu gründen:

„Fünf Platten reichen wohl kaum aus, um die Vielfalt meiner Einflüsse wiederzugeben, aber sicherlich gehören die „Blonde on Blonde“ von Dylan, die Doppel-Live-LP von Velvet Underground, „Sister“ von Sonic Youth und „You´re Living All Over Me“ von Dinosaur Jr. dazu. Im Moment höre ich ganz andere Musik, die mich beeinflußt, die überhaupt nichts mit meinen eigenen Stücken zu tun haben, wie z.B. Tocotronic, oder eben Blumfeld.“

Das Konzert anschließend war für die Freunde des melancholischen Gitarrenrocks in musikalischer Hinsicht ein Hochgenuß . Optisch werden nur die wenigsten Zuschauer etwas mitbekommen haben, denn die „Haifischbar“ ist das Gegenteil eines idealen Musikclubs und so standen Sharon Stoned auf gleicher Höhe mit den Zuschauern und lärmten um die Wette.

Es wäre wohl eines der Konzerte in Saarbrücken geworden, wenn die räumlichen Umstände dies nicht verhindert hätten.

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