Kloster, Kölsch und Kaffee

Ein Gespräch mit Nick Laird-Clowes alias Trashmonk

Laird Clowes war in den 80ern Chef der Dream Academy, als Teenie – nachdem er mit 13 von zu Hause auriß, um zum Isle of Wight Festival zu kommen – Dauergast bei John Lennon (in dessen Haus er seinen ersten Sex hatte), später Mitbewohner von Paul Simon, Backing Vocals auf dem letzten T. Rex-Album, Mitarbeit an Pink Floyds „Division Bell“, von Brian Wilson als Genie bezeichnet und und und…

Nach neun Jahren meldet sich der Engländer jetzt mit eigenem Album zurück („Mona Lisa Overdrive„), das zurückhaltend und leicht verschroben klingt, wunderschöne lyrische Folksongs und beatle-esque Ethno-Elektronik-Fusion enthält und den gesammelten Weltreisen des Typs Rechnung trägt. Es ist sein erster Deutschlandbesuch, aber die Basics hat er schon drauf: „Ein Kolsch bitte“. Etwas sei noch vorausgeschickt: „amazing“ ist eines seiner Lieblingworte: amazing, isn´t it? It is.

Hinter-Net!: Im Promo-Text wirst Du mit einem beeindruckenden Namedropping vorgestellt: Brian Wilson, John Lennon, Paul Simon, Pink Floyd, T. Rex… Was konnten diese Berühmtheiten Dir beibringen für das Überleben im Musik-Business?

Trashmonk: Naja, sie konnten es zumindest versuchen. Ich hab von jedem was anderes gelernt. John Lennon wollte um keinen Preis auf einen Sockel gestellt werden. „No more heros!“ Man mußte ihn wie einen normalen Menschen behandeln – die einzige Chance, nicht die Bodenhaftung zu verlieren! Das half mir, als ich Marc Bolan traf: man durfte sich von seinem Star-Status nicht einschüchtern lassen. Er selbst brachte mir bei, daß es beim Singen weniger auf die richtigen Noten ankommt als auf die Energie, die du ´reinlegst.

Bei Paul Simon hab ich Musik quasi theoretisch studiert. Er zeigte mir, daß es viel Kraft braucht, um auch nur ein bißchen besser zu sein als die anderen! Er arbeitete ein ganzes Jahr an einem Text, und am Ende war die ursprünglich stärkste Zeile die schwächste! Und David Gilmour hat mir beigebracht, wie man Geräusche von „Draußen“ mit Musik mixt, so ähnlich wie „musique concrète“. Er ist bis heute ein echter Freund.

Hinter-Net!: Du bist bekanntermaßen ein großer Nick Drake-Fan, auch auf deinem neuen Album finden sich einige Akustik-Folk-Songs von der Art. Woher die Begeisterung für ihn?

Trashmonk: Ich hörte seine Songs Anfang der 70er vor, bevor er starb (1974, Anm. d. Red) und fand sie toll. Er war ein wundervoller Gitarrist. Als ich mit 16 die Schule verließ, wollte ich mir eine Gitarre kaufen und ging in der RCA-Plattenfabrik arbeiten, Platten verpacken, und als ich das Geld zusammen hatte, meinte ein Profi-DJ, dem ich assistierte: „Erinnerst Du Dich noch an die Gitarre auf dem Cover von Nick Drakes ´Bryter Later´? Der Typ, der sie hat, will sie verkaufen.“ Wir kauften sie für 150 Pfund. Es war wirklich ein tolles Stück, sie gehörte 1966 schon Eric Clapton, und ich spiel sie natürlich auch auf dem neuen Album.

Außerdem plan ich ein Nick Drake-Tribute-Album und -Konzert mit anderen Musikern, wenn ich zurück in England bin. Das Album produziert Nick Drakes eigener Produzent. Aber auch „Life in a nothern town“, die Single mit Dream Academy“, hatten wir schon Nick Drake gewidmet. Es gibt also Verbindungen zu ihm, aber getroffen hab ich ihn nie.

Hinter-Net!: Was hörst Du an aktueller Musik?

Trashmonk: Lauryn Hill zum Beispiel. Sie ist die einzige Mainstream-Künstlerin, die vollkommen kompromißlos und originell arbeitet. Sie macht schwierige Musik, denn HipHop ist nunmal für viele schwierig zu machen, und sie hat tolle Texte. Ich hab sie in Paris live erlebt und backstage getroffen, sie ist wirklich toll!

Underworld mag ich schon seit zehn Jahren. Und die neue Flaming Lips! Außerdem hör ich viel E-Musik, grad hab ich mir das „Wohltemperierte Klavier“ von Bach gekauft. Es ist so modern, kein bißchen überholt. Und Wagner, Mahler… Und vieles aus der Dritten Welt, das ganz ohne moderne Technik auskommt. Klingt wie in einem Feld aufgenommen. Ich mag richtig komplexe Sounds, aber auch wieder ganz rohe, die haben echte Power!

Hinter-Net!: Wie konsumierst du aktuelle Musik? Guckst du MTV oder so?

Trashmonk: Nein, kein MTV. Aber es ist ein Problem: wo ich auch hinkomm, erzählen mir die Leute „Ich liebe Musik, aber ich weiß nicht mehr, wo ich interessante und neue finde.“ Schrecklich! Das liegt auch an den Major Companies, die nur ihr eigenes Zeug groß rausbringen wollen, obwohl drumherum so viel interessante Musik ist. Aber kein Weg, an sie ranzukommen. Ziemlich besorgniserregend. Offensichtlich ist das Internet der Ort ist, wo man fündig wird. Aber momentan kriegen die Musiker noch kein Geld dafür, was immer noch besser ist, als überhaupt nicht gespielt zu werden. Aber die Plattenfirmen, von denen du denkst, sie kümmern sich um deine Rechte, haben genau das versäumt!

Also, wo hör ich gute Sachen? Glücklicherweise bin ich im Business (denk ich jedenfalls) und hab Leute, die mich anrufen und fragen „Kennst Du das-und-das?“ Dann sag ich „Nein“, geh ins Büro meiner Plattenfirma (Creation Record, Anm. d. Red.), und die besorgen mir das.

Aber insgesamt ist das alles nicht mehr so wichtig wie früher, denn ab einem bestimmten Punkt kannst du Musik in deinem Kopf abspielen. Ich hör eine Menge alter Songs in meinem Kopf. Im Moment am liebsten meine eigene Scheibe. Ich hab seit 1995 dran gearbeitet, drei bis vier Jahre dafür gebraucht.

Hinter-Net!: Zu deinem neuen Album: wenn man die ganzen spektakulären Infos zu dir liest, erwartet man auch eine bizarre, verrückte Platte. Aber dann kommt diese leise, introvertierte und introspektive, fast scheue Musik!?!

Trashmonk: Stimmt! Ob man´s glaubt oder nicht, ich bin scheu – zwangsläufig! Jeder ist scheu, wenn er drei Jahre an Song arbeitet, wegen des Resultats niedergeschlagen ist und versucht, es besser zu machen. Aber wenn man hinterher damit rausgeht, ist man froh, daß es vorbei ist und viel optimistischer.

Es ist wirklich eine sehr nach innen gekehrte Scheibe, aber produziert mit Sounds der äußeren Welt! Auf meinen Reisen hatte ich statt einer Kamera einen Recorder dabei und hab viele unterschiedliche Geräusche aufgenommen.

Hinter-Net!: Klingt wie eine Art „Fusion“. Was hast Du davon wo aufgenommen?

Trashmonk: Ich hab alles aufgenommen, was ich gut fand. Das „Bing Bong“ am Anfang des Albums ist am Moskauer Flughafen aufgenommen, von da aus bin ich nach Indien, wo ich phantastische Vögel gehört hab – ich hab das Taxi angehalten und gefragt, ob wir kurz die Vögel aufnehmen können. Und eines morgens hab ich Feuer unter meinem Fenster gehört – raschelndes, knackendes Feuer, und Leute haben gesungen (singt wie ein arabischer Priester, Anm. d. Red.). In dem Himalaya-Kloster, wo ich war, hab ich diese unglaublichen Mönche aufgenommen, die klangen wie Crosby, Stills & Nash!

Zuhause in England hab ich alles zusammengestellt und Freunden vorgespielt, wie man ein Fotoalbum zeigt. Außerdem hatte ich ja keine Band mehr, und nur Gitarre spielen wollte ich nicht. Stattdessen spielte ich mein Band mit den Geräuschen ab, friemelte sie ineinander – und eines Tages hatte ich einen einzigen kompletten Sound aus Vögeln, Feuer, Priestern. Es war wie die Entdeckung eines Geheimrezepts: einfach die Geräusche der Welt „draußen“ als Background, und dann wieder Akustik-Songs, nur Gitarre und Stimme. Morgens nach dem Aufstehen bin ich ins Vorderzimmer, hab „Play“ und „Record“ gedrückt, gespielt und gesungen – und hab die Außenwelt von der Straße dazukommen lassen. Ich hab gar nicht erst versucht, so zu klingen, als wär ich im Studio gewesen, denn in Wahrheit war ich ja in meinem Vorderzimmer.

Hinter-Net!: Dein Album scheint tatsächlich irgendwie zweigeteilt: einerseits diese Ethno-Fusion, und andererseits der Folk.

Trashmonk: Ja – und das zusammenzubringen, war die Schwierigkeit.

Hinter-Net!: Aber du bringst es nicht immer zusammen, manchmal steht beides auch hart nebeneinander: ein Song so, der andere so.

Trashmonk: Ja, manchmal sind sie separiert, nicht wahr?

Hinter-Net!: Ist mein Eindruck. Und noch was: kann es sein, daß in dir drin eine „alte Seele“ schlummert? Ich mein nicht unbedingt „altmodisch“ oder „konservativ“, aber deine Musik hat sowas Romantisches und klingt, als hättest du einen Draht zu Epochen weit vor unserer Zeit.

Trashmonk: Stimmt, exakt das! Ich hab ewig gebraucht, traditionelles Songwriting mit all seinen Strukturen zu lernen, das fiel mir lange Zeit schwer, und ich kann´s immer noch nicht ganz, aber irgendwie will ich diesen Zustand auch beibehalten… Ich mag dieses „poetic writing“, ich möchte Songformen und Texte so schreiben, als bedeuteten sie etwas. Aber ich mag auch Klänge aus der Dance-Culture und Elektronik-Sachen, und ich wollte beides unbedingt zusammenbringen, aber nicht als Dance-Music, denn sie ändert sich ständig, und wenn du nicht den richtigen Beat drauf hast, bist du schon „out“ -ich glaub nicht an Musik als Mode-Erscheinung, mich interessiert mehr, wie man bestimmte Gefühle ausdrückt.

Mein Album ist eine Mischung aus Tradition und den Vorteilen neuer Technologie. Es klingt gleichzeitig sehr roh, weil die Technik es erlaubt. Normalerweise arbeite ich mit Hand-Drums, weil sie sich den Songs nicht so aufdrängen. Sonst bläst es dein Lied schon mal weg, wenn es empfindlich ist. Den letzten Song der Platte („On the way home“) hab ich produziert, wie es gerade aus mir rauskam, hab ihn nicht mal vorher auf Kassette aufgenommen, sondern direkt mit dem Mehrspur-Rekorder, so daß es ziemlich roh klang – und ausgerechnet dieser Song wurde für einen Film mit Cameron Diaz ausgesucht! Außerdem ist es David Gilmores Lieblingssong von dem Album. Eigentlich ist es gar kein Song – es floß einfach so raus.

Hinter-Net!: Vieles klingt von den Harmonien her irgendwie arabisch, es ist mehr eine Art „Flair“, eine Atmosphäre.

Trashmonk: Ja, ich war auf dem Himalaya, um den Buddhismus zu studieren. Nach dem Ende von Dream Academy hatte ich eine Periode großer Unsicherheit, wußte nicht, wie´s weitergehen sollte. Musik machen? Und wenn ja, wo? Ich hatte ja keine Band mehr! Also beschloß ich, erstmal zu reisen, und zwar in den Osten auf der Suche nach Weisheit. Einfach mal erfahren, wie´s dort ist. Ich war an verschiedenen Seiten des Himalayas: Pakistan, die chinesische Grenze zu Afghanistan, Nepal… Ich studierte bei einem buddhistischen Lehrer und reiste dann zur Schneeseite des Himalaya, wo der Dalai Lama lebt. Dort blieb ich in einem Kloster mit acht oder zehn anderen Leuten. Meine Zelle teilte ich mit einem Deutschen, der Mönch werden wollte. Es war eine tolle Zeit, wir sprachen die ganze Zeit über den Sinn des Lebens. Dort wurde ich auch „Trashmonk“.

Mein buddhistischer Lehrer, zu dem ich danach zurückging, erzählte mir von Leuten, die noch nicht reif waren, um Mönch zu werden: „Trashmonks“. Das brachte mich auf die Idee, mich auf meiner Platte „Nick Laird Clowes: Trashmonk Phenomena“ zu nennen, aber als ich das dem Chef von Creation Records erzählte, meinte der (ahmt eine Art russischen Akzent nach, Anm. d. Red) „No no, Du bist Trashmonk – das ist der Sound von Trashmonk!“ Er sagte „Komm zurück in die Welt, und mach was aus dem, was du gelernt hast.“ Mit dem Buddhismus und der Meditation war ich wieder fähig, zu schreiben und zu arbeiten. Ich hatte nicht mehr solche Angst vor der Welt. All das ging ja, seit ich 14 war, und am Ende war ich in keiner guten Verfassung, ich brauchte wirklich eine Pause.

Hinter-Net!: Wie kam Brian Wilson dazu, dich ein Genie zu nennen?

Trashmonk: Er muß verrückt gewesen sein! Ich war 1987 mit Dream Academy in Amerika (nicht in England) unter Vertrag, bei Warner Brothers. Der Label-Chef, unser Produzent, hatte auch Brian Wilson gesigned. Damals fragte er mich eines Tages, ob ich mal runterkäme ins Studio, um mir Brians neue Songs anzuhören, „aber ich will nicht nur hören ´Ja, die Sachen sind toll!´, sondern ich will, daß du mir ernsthaft sagst, was du denkst. Sei ehrlich – dazu bis Du hier!“ Okay, ich ging runter und sagte „Ich mag die Texte nicht.“ Sie meinten „Stop, stop! Brian hat die Texte nicht geschrieben. Sein ´Seelenklempner´ (engl. ´Shrink´, Anm. d. Red.) war das, sein Analytiker.“ Jeder verbot mir, über die Texte zu sprechen. Ich meinte: „Fein, ich hab verstanden. Und da ist noch dieser Song, ´I walk the line´. Er hat einen tollen Refrain, aber eine bescheuerte Strophe.“ Sie meinten: „Okay, wir treffen uns morgen noch mal, dann ist Brian dabei. Versuch, bis dahin eine neue Strophe zu schreiben.“

Am nächsten Tag kam ich wieder, und Brian war da. Aber man konnte ihn nicht dazu bringen, sich zu konzentrieren. Er schien ganz weit weg, dachte an vollkommen andere Dinge und sang irgendwelche Cockney-Reime (weil ich Engländer war), die er auf dem Klavier begleitete – und das 20 Minuten lang! Die anderen versuchten, an ihn ranzukommen: „Hey Brian, können wir weiter am Song schreiben?“ „An welchem Song?“ „An ´I walk the line´.“ „Ah. Was wollt Ihr mit ihm machen?“ „Wir würden gern eine neue Strophe versuchen.“ „Wie soll die klingen?“ Ich sang sie ihm vor. Brian nuschelte „Du bist ein Genie. Du mußt am ganzen Album mitarbeiten.“ Dann ging er weg – und das war´s!

Ich bin zurück ins Hotel, von dem Song hatte ich mir einen Kassetten-Mitschnitt gemacht, und am nächsten Tag riefen sie mich um ein Uhr morgens an und wollten die Kassette zurück. „Komm sofort zurück! Niemand nimmt eine Kassette von uns mit!“ Ich meinte „Aber ich flieg morgen zurück nach England.“ Also versuchten sie´s auf die sanfte Tour: „Du gibst brav die Kassette zurück. Brian mag dich. Du könnstest am gesamten Album mitarbeiten.“ Ich sagte „Ich will nicht am ganzen Album mitarbeiten. Ich geh nach Hause und mach mein eigenes Album.“ Wie auch immer – ich hab die Kassette nie zurückgegeben. Und ich bin auf Brians Album gelandet, das war toll!

Tja, Brian war irgendwie „wild“. Ich weiß noch, als ich ins Studio kam, fragten sie mich, ob ich was trinken wolle. Ich sagte „Ja, eine Tasse Kaffee.“ Sie schreckten sofort auf: „Kein Kaffee! Kein Kaffee! Gott, wenn Brian das rauskriegt! Wenn´s Kaffee gibt, wird er verrückt! Heute morgen haben wir ihn erwischt, wie er die Reste aus einer Tasse getrunken hat, und er war echt irre drauf, wow!“ Er durfte wirklich gar nichts. Aber wir hatten einen guten Draht zueinander in diesen zwei Tagen. Er ist ein brillanter Mensch. Sein Vater hat ihn geschlagen, weißt du. Er hatte wirklich schwere Zeiten. Und er ist der einzige Bruder, der übriggeblieben ist, unglaublich! Ein wahres Genie! Ich hab beobachtet, wie er einen Song aufbaut. 24 Harmonie-Spuren, keine Wörter, nur so (singt verschiedene Hooks auf „La“, Anm. d. Red.), wie klassische Musik. Und ohne je das Klavier anzufassen. Er hat es einfach getan. Danach ließ er sich in seinen Stuhl fallen, „Uff“, wie – naja, es war zuviel für ihn. Aber es war toll anzusehen. Er selbst sagt von sich „Nein, ich bin kein Genie. Ich arbeite nur härter als andere.“

Hinter-Net!: Du hattest schon in jungen Jahren ein bewegtes Leben. Hast Du nach Deinem Ausriß mit 13 Jahren und nachdem Du bei John Lennon gelebt hast, nochmal zu Hause gewohnt?

Trashmonk: Ja klar. Ich kam nach Hause, und die Polizei war da. Meine Eltern sagten: „Das kannst Du nicht machen. Wir haben uns solche Sorgen gemacht.“ Die ganze Sache brachte ihnen eine Menge Probleme ein, vier oder fünf Jahre lang. Ich besucht zig verschiedene Schulen und ging dann mit 16 ab. Ich kam einfach nicht mit der Schule klar… Außerdem hab ich damals Gitarre gelernt und gemerkt, daß man sich selbst was beibringen kann. Und ich mochte englische Literatur, T. S. Elliott, Shakespeare und so. Ich hätte auch gern geschrieben, aber noch lieber wollte ich Musiker werden. Ich arbeitete bei RCA, kaufte die Nick Drake-Gitarre, begann in Folk-Clubs zu spielen, gründete eine Band, und mit 18 hatten wir einen Plattenvertrag bei EMI, dem selben Label wie Marc Bolan. Und mit 21 war alles vorbei! Wir knallten auf die Fresse, es war wie – „Wow, ich hatte meine eigene Karriere, und jetzt ist es aus!“ Mit 21 ging ich nach New York und schaute, was dort los war. Dann ging ich zurück, gründete eine neue Band, ging ´78 wieder nach New York, die Band brach ´82 auseinander, und aus den Resten entstand ´82 Dream Academy. Die erste Platte ´84, der Bruch ´90, der Rest ist ja bekannt. ´92 ging ich nach Amerika, ´94 die Pink Floyd-Sache, ´95 oder ´96 unterschrieb ich bei Creation.

Ich war zwar nie auf ner Uni, aber du findest eine Uni an jeder Ecke und in jedem Buchladen. Solange du dich für etwas interessierst, unterrichtest du dich selbst. Und man trifft interessante Leute, die einem etwas beibringen können.

Hinter-Net!: Nochmal zurück zum Ende der 70er. Du warst also zur gleichen Zeit in New York wie John Lennon!

Trashmonk: Nein, das war – hey doch, stimmt. Das war, als er im Dakota gelebt hat. Aber in New York haben wir uns nicht mehr gesehen.

Hinter-Net!: Viele der Menschen, mit denen Du zusammengearbeitet hast, sind mittlerweile tot. Etwa John Lennon und Marc Bolan. Klingt ziemlich traurig.

Trashmonk: Ja, das stimmt. Aber es gibt noch viele andere Musiker, mit denen ich befreundet bin und zu tun hab, und die leben noch. Trotzdem bin ich sehr froh, daß ich nicht in New York war, als John starb, das wär zu traurig gewesen. In New York selbst hat mich der Tod von Sid Vicious am meisten getroffen. Und Marley, der starb damals auch…

Hinter-Net!: Hast Du damals die New Yorker „Glitzer-Szene“ kennengelernt? Disco, Funk und so?

Trashmonk: Nein, damit hatte nicht viel am Hut. Ich mochte Sly Stone, aber nicht diesen White-Boy-Funk, den es in England gab. Wir gründeten Dream Academy ja als Gegenreaktion gegen dieses Zeug. Wir versuchten etwas anderes zu machen als das, was damals „in“ war. Vermutlich, weil meine ersten beiden Bands zu sehr wie andere klangen, das führte zu nichts. Schließlich hab ich begriffen, daß „Kopieren“ nicht das Ding ist – du mußt du selbst sein und etwas finden, daß du wirklich magst. Es war Zeit, wirklich originell zu sein, und das funktionierte mit Dream Academy.

Es ist es nicht wert (das „Nachahmen“), sowas ist allenfalls ein Anfang, aber nie ein wirklicher Grund. Menschen wollen letztendlich doch ihre Individualität ausdrücken: werden, was sie sind. Du kannst ja beeinflußt sein, aber nicht sklavisch abkupfern.

Hinter-Net!: Wo lebst Du momentan?

Trashmonk: Im Londoner Stadtteil Notting Hill Gate, wo ich herkomme. Als ich nach von meinen Reisen kam, hab ich festgestellt, was das für ein toller Ort ist. Da gibt´s eine westindische und eine jamaikanische Gemeinschaft, Portugiesen, Serben, Kroaten – alle möglichen Lebensformen! Reich und Arm, Künstler und Banker – alle leben am gleichen Ort, es ist eine tolle Mischung. Aber vielleicht zieh ich auch nochmal woanders hin. Letztendlich kommt es ja nicht wirklich darauf an, wo du bist, denn tief in Dir drin bist Du Du selbst! Das ist es, was jeder sein will.

Ich mag dieses große, neue europäische Gemeinschafts-Gefühl. Es ist jetzt viel eher eine wahre Gemeinschaft, als sie es lange Zeit war. Irgendwie ist jeder vereinigt auf eine europäische Art.

Hinter-Net!: Deine Rückkehr nach London klingt, als wärst Du nach einer langen Odyssee wieder in den heimischen Hafen eingelaufen.

Trashmonk: (schaut zweifelnd, scheint nicht unbedingt das Gefühl zu haben, eine „Odyssee“ hinter sich gebracht zu haben, jedenfalls nicht im negativen Sinne) Naja, hier kenn ich jede Straße und kann zu jeder eine Geschichte erzählen. Mein Urgroßvater hatte zum Beispiel das erste Zinn-Bad in der Straße, das war das erste Bad der ganzen Gegend. Meine Schwester ging hier zur Schule… Hier wurde ich zum ersten Mal fast verhaftet, hab mein erstes Acid bekommen vom Bongo-Spieler von T. Rex. Es ist wie eine historische Nachbarschaft für mich. Eigentlich kommt es nicht so sehr darauf an, wo du hingehörst, aber es ist schon schön, einen Ort mit einer Geschichte zu haben. Doch ich fühl mich eigentlich mehr als Weltbürger.

Foto: Axel Fuhrmann

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