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→ noch mehr Tote
Die kriminellen TOP FIVE 2004
»Kindernahrung« hat der von mir hochgeschätzte Arno Schmidt den Kriminalroman genannt, und das ist ein schönes Stichwort. Sitzen wir nicht alle an Weihnachten mit offenen Mäulern unterm Baum und freuen uns wie die kleinen Kinder, wenn es Geschenke gibt? Zum Beispiel einen guten Krimi? Bon. Hier sind sie also: Meine fünf Spitzenkrimis des Jahres, natürlich höchst subjektiv, denn auch 2004 ist es mir nicht gelungen, jedes Literatur gewordene Verbrechen zur Kenntnis zu nehmen.
Auf Rang 5 hat es ein Roman geschafft, der uns in die Eis- und Schneewelten Alaskas entführt: Stan Jones, "Schamanenpass". Ein Inupiat (so nennen sich die Ureinwohner selbst) wird mit einer Harpune ermordet, die zu einer 80 Jahre alten Mumie gehört. Um deren öffentliche Zurschaustellung im Ortsmuseum von Chukchi gibt es reichlich Streit, und Polizist Nathan Active, der den Fall bearbeitet, findet sich rasch in der Vergangenheit wieder, als das Christentum der Weißen die alten Bräuche und ihre Würdenträger, die Schamanen, langsam, aber sicher verdrängte. "Schamanenpass" überzeugt nicht nur als sauber konstruierter und mit wohldosierter Action versehener Krimi, sondern besticht auch durch atmosphärisch dichte Landschaftsschilderungen. Ein Roman, gerade richtig für Winterabende im Warmen.
Den 4. Platz hat ein Spanier inne: Eugenio Fuentes, "Mörderwald". In einem spanischen Naturschutzgebiet wird die erfolgreiche Malerin Gloria bestialisch ermordet. Von ihrem Verlobten beauftragt, macht sich Privatdetektiv Ricardo Cupido an die Aufklärung des Falles, der verzwickter ist als zunächst angenommen. Ein zweiter Mord geschieht, dann sogar ein dritter... Was mich an Fuentes' Roman überzeugt hat, ist die ruhige und präzise Sprache, mit der die Handlungsstränge verflochten und schließlich wieder aufgelöst werden. Einmal beschreibt Fuentes das Geschehen gar aus der Perspektive einer Ratte - darauf muss man erst mal kommen! Spannend ist das Buch zudem und all denjenigen zu empfehlen, die es eher betulich mögen.
So, und nun die Medaillenränge. Bronze geht an Joe R. Lansdale, "Die Wälder am Fluss". Osttexas im Jahr 1933, man ist mitten drin in der "Great Depression". Der elfjährige Harry lebt mit seinen Eltern in bescheidenen Verhältnissen, und Harrys Vater braucht drei Jobs, um die Seinen durchzubringen. Er ist Farmer, Friseur und Dorfpolizist. Eines Abends finden Harry und seine kleine Schwester die übel zugerichtete Leiche einer Schwarzen, was weiße Texaner 1933 nicht sonderlich interessiert. Harry und seinen Daddy schon. Lansdales Roman ist das ebenso überzeugende wie beklemmende Sittengemälde einer rassistischen und bigotten Gesellschaft, in der "Recht & Ordnung" der Name einer dubiosen Firma sein könnten, deren Geschäftszweck es ist, den Wohlstand der Hellhäutigen zu mehren und die Dunkelhäutigen bei Bedarf zu lynchen. Das Buch liest sich flüssig, zeichnet sein Personal vielschichtig (besonders Harrys Vater) und hält ein rasantes Finale parat. Absolutes Lektüremuss.
Gleiches gilt natürlich auch für Arnaldur Indridasons "Engelsstimme". Das ist nun nach "Nordermoor" und "Todeshauch" der dritte auf Deutsch erschienene Roman des Isländers, und wieder muss der alte Erlendur von der Reykjaviker Kripo tief in die Vergangenheit tauchen, um die Tragödien der Gegenwart verstehen zu lernen. Diesmal geht es um einen Portier, den man erstochen im Keller des Hotels auffindet: kostümiert wie ein Weihnachtsmann und mit heruntergelassener Hose. Wie schon die Vorgängerkrimis ist "Engelsstimme" Beweis des stupenden Erzähltalents seines Autors. Er erzählt das Schreckliche mit jener Genauigkeit, die es uns näher bringt, als es uns vielleicht lieb ist. Aber genau das vermag zu fesseln. Spannend bleibt es allemal, von der ersten bis zur letzten Seite, aber es ist eine Spannung, die über den reinen Plot hinausreicht. "Island durfte nicht zu spannend und zu abenteuerlich sein", heißt es in "Engelsstimme". Indridason tut alles dagegen. In den meisten Jahren zuvor eine glatte Nummer Eins - diesmal "nur" Silber.
Denn der Topkrimi 2004 ist: Boris Akunin, "Pelagia und der rote Hahn". Eine Überraschung. Von Akunin kannte ich bisher nur einige Abenteuer seines Helden Fandorin, der Anfang des 20. Jahrhunderts in bester Agatha Christie - Tradition ermittelt. Leckeres Lesefutter, kein Zweifel. "Pelagia und der rote Hahn", letzter Band einer Trilogie um die detektivische Nonne Pelagia, schlägt aber die Fandorin-Stories um Längen. Auf 543 Seiten brennt Akunin ein wahres Feuerwerk ab. Da stimmt einfach alles: der Plot (Pelagia untersucht den Tod eines Sektenführers und fährt dafür sogar bis Palästina), die Figuren (herrlich auch das Nebenpersonal, das liebe- und kraftvoll, witzig und tragisch portraitiert wird), das Handlungsmosaik (Man lernt nette arabische Schwindler kennen, schwule Juden, die ein neues Sodom gründen, tiefernste Kibbuzim, aber auch perverse russische Schlossbesitzer und verliebte Staatsanwälte), die Dramaturgie... Akunin muss über ungeheure Reserven verfügen, wenn er es sich leisten kann, in einem einzigen Roman die Ideen für zehn zu verbraten. Und der Schluss erst! Perfekt, ungewöhnlich, gewagt, überzeugend - mit einem Wort: Wenn ihr 2004 noch kein Buch gelesen habt, aber unbedingt noch eins lesen wollt: DAS HIER!
Ach ja: 2004 war leider auch das Jahr des fortgesetzten Schwedenkrimi-Hype. Immer die gleichen alten Muster, nur die Autoren werden scheint's immer untalentierter. Kann man glatt vergessen. Ansonsten: Ein gutes Krimijahr, dieses 2004!
Stan Jones: Schamanenpass. Unionsverlag 2004, 285 Seiten, 19,90 € (gebundene Ausgabe)
Eugenio Fuentes: Mörderwald. Dtv 2004, 367 Seiten, 9,50 €
Joe R. Lansdale: Die Wälder am Fluss. DuMont 2004, 367 Seiten, 8,85 €
Arnaldur Indridason: Engelsstimme. Lübbe 2004, 379 Seiten, 18 € (gebundene Ausgabe)
Boris Akunin: Pelagia und der rote Hahn. Goldmann 2004, 543 Seiten, 9,95 €