Die Pfauenfeder

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10. November, ein Freitag

„Die Herrschaften der PFAUENFEDER-Reise-GmbH begeben sich bitte auf Bahnsteig 5, wo ihr Sonderzug in wenigen Minuten einfahren wird! Ich wiederhole....“ -Oh Gott, das ist nur ein Traum! Noch! Ein Alptraum! Tatsächlich bin ich eingenickt, während der Zug - rattatatarattatata - durch die Nacht fährt. Aber meine Alpträume neigen dazu, schneller Wirklichkeit zu werden, als mir lieb ist, und Elfriede Winter, die rührige BWL-Studentin, hat sich durchgesetzt: Wir gründen immerhin einen „DIE PFAUENFEDER-Reise-Verein“! „Au ja!“ röhrt Hutschenreuther, „Wahlen! So spannend wie in den USA, so dämlich wie bei Big Brother! Können wir nicht beides verbinden? Ich meine, wenn meine bescheidene Stimme als Lottogewinner und Ächter einer dominanten Mutter überhaupt gefragt ist, wie wäre es, wenn wir zwei Kandidaten nominieren, von denen derjenige, der die meisten Stimmen erhält, Präsident unseres neuen Vereins wird und der Verlierer quasi den Container verlassen muß?“

Frau Winter ist begeistert. Überhaupt sind sie und Hutschenreuther sich in den letzten Stunden verdächtig nahe gekommen, sehr zum Unwillen des Wintermannes und der Sylviafrau. Ich sage gar nichts. Ich habe ja auch nichts zu sagen. Vielleicht sollte ich mich aufstellen lassen und beten, daß ich verliere. Bei meinem Pech lande ich aber wahrscheinlich einen haushohen Sieg. Die Winter und Hutschenreuther stecken, zur weiteren Präzisierung der Regularien, angeregt die Köpfe zusammen und sind schließlich so ...äh... angeregt, daß sie ihre Konferenz auf der Zugtoilette weiterführen. Nach zwei Stunden kommen sie zurück und verkünden das Ergebnis.

„Also“ setzt die augenscheinlich im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Befriedigung verweilende Winter an, „wir machen das so: Mein Gatte, Herr Winter, und ich kandidieren. Wahlberechtigt sind alle Teilnehmer der PFAUENFEDER-Fluchtreise, auch die minderjährigen, als deren neunmonatige Austrägerin ich jedoch das Stimmrecht ausüben darf. Die Wahl erfolgt direkt, geheim und sofort, wer verliert, ist ein guter Verlierer und putzt an der nächsten Haltestelle die Platte, wer gewinnt, verspricht, stets treu dem Vereinsziel zu dienen, sein Gehalt von DM 5000 im Monat nicht durch Bestechung aufzubessern und seine Pläne spätestens dann zur demokratischen Diskussion zu stellen, wenn sie in die Tat umgesetzt und nicht mehr reversibel sind. Gut. Dann fangen wir jetzt an.“

Der düpierte Winter, der trotz angeborener Dummheit ahnt, wie und wo der Hase läuft, versucht zaghaft zu protestieren, wird aber vom agilen Hutschenreuther durch einen gezielten Handkantenschlag vorübergehend außer Gefecht gesetzt. Ein unscheinbares Männchen, das sich zu uns ins Abteil verirrt hat, macht sich nun durch Räuspern bemerkbar und spricht: „Ich finde ihre Idee natürlich hervorragend, gnädige Frau. Um aber zu gewährleisten, daß die Wahl nicht angefochten werden kann, brauchen Sie einen unabhängigen Wahlbeobachter. Er muß integer sein und, wie man so sagt, eine ehrliche Haut. Mit anderen Worten: Nehmen Sie mich. Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Haberkorn, ich reise als Repräsentant der ‘einzigen Kirche des permanenten Weltuntergangs´“.

„Ah!“ schreit Hutschenreuther, „ein Mann der Kirche! Ja dann! Herzlich gerne! Darf ich Sie nach draußen bitten, um mit Ihnen die Einzelheiten der Wahl zu besprechen? Übrigens bin ich deutscher Juniorenmeister im Handkantenschlagen, dies nur nebenbei. Ich übe diese Tätigkeit indes nur noch aus, wenn nicht alles so läuft, wie ich es mir vorstelle. Sind wir uns einig, mein hoch verehrter Haberkorn?“

Das Männchen, ein kaum 50 kg schwerer Gnom kurz vor der Pensionierung, schluckt und sagt dann: „Ich habe verstanden. Sicher werden wir uns sehr schnell einigen.“

Die beiden verschwinden und kehren nach wenigen Sekunden zurück. „So!“ jubiliert Hutschenreuther, „wir haben uns verständigt! Herr Haberkorn wird die Wahl überwachen und dafür Sorge tragen, daß Herr Winter auch wirklich an der nächsten Haltestelle den Zug verläßt. Sollte er sich zu diesem Zeitpunkt noch im Stadium der Ohnmacht befinden, legen wir ihn einfach auf eine Bank und verduften. Wir schreiten jetzt zur Wahl. Also wer ist für Frau Winter?“ Diese hebt sofort die Hand, auch Hutschenreuther tut nämliches. „Ich stelle damit fest, daß Frau Winter gewonnen und Herr Winter verloren hat, da Frau Winter über insgesamt vier Stimmen verfügt: ihre eigene, die ihrer beiden Kinder und die ihres momentan leider ohnmächtigen und zur Ausübung seines Stimmrechts nicht in der Lage seienden Gatten. Die Wahl ist beendet und -“ Er schaut zu Haberkorn, der sogleich anzufügen sich beeilt: „- äh...und absolut ordnungsgemäß verlaufen!“

Dies ist der Stand der Dinge. Winter wurde am nächsten Bahnhof wie versprochen auf einer Bank abgelegt, einen Zehnmarkschein als Wegzehrung daneben. Seinen Platz im nunmehr neuen „DIE PFAUENFEDER-Reise-Verein e.V.“ übernimmt der wegen seiner Verdienste hochgeschätzte Haberkorn. Und ich? Ich hoffe, daß das alles nur ein Traum ist. Ein Alptraum. Wer kneift mich?

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