Die Pfauenfeder

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26. November, ein Sonntag

Böse Überraschung in X., dem heutigen Etappenziel meiner Flucht vor und durch Deutschland: Alle Hotels sind doppelt und dreifach belegt. „Tut mir leid“ schulterzuckt das hübsche Fräulein von der Tourist Information stolz, „aber an diesem Wochende tagen ‘die Liebhaber von Jenny Elvers e.V.´ in unserer Stadt, ab Montag dann der Zentralrat der deutschen Katholiken und nächsten Samstag treffen sich die Vorstandsmitglieder der Pornografischen Vereinigung Niederrhein. Sie sehen: Wir sind ein begehrter Ort.“

Ja, ja. Und ein lauter. Männer mit Megaphonen stehen auf allen öffentlichen Plätzen und plärren, wer noch schnell Mitglied bei den Jenny-Elvers-Liebhabern werden wolle, der solle sich jetzt gleich im Hotel „Waldfrieden“ einfinden, wo Jenny herself die sogenannte „Honeymoon Suite“ gemietet habe. „Unter allen Neumitgliedern wird eine exklusive Vaterschaft verlost!“. Muß ich erwähnen, daß das lüsterne Trio Hutschenreuther /Haberkorn / Dobrowski sogleich ein Taxi entert und Richtung „Waldfrieden!“ dirigiert? „Das mit den Verhören hat auch noch bis morgen Zeit!“ hechelt Hutschenreuther ganz atemlos vor Vorfreude, „aber Mitglied in einer Vereinigung zu werden, die Leben und Werk dieser jungen, sympathischen Künstlerin ehrt.... Und dann auch noch DIESES Aufnahmeritual...“

Auch die Damen unseres Vereins sind nicht mehr zu halten. „Die Liebhaber von Jenny Elvers?“ kreischt Elfriede, „dann ist ja auch Heiner Lauterbach in der Stadt! Nichts wie hin!“

So suche ich, alleingelassen, ein ruhiges Plätzchen und nehme mir vor, die inzwischen zahlreich, um nicht zu sagen zahllos eingegangenen Lesermails zu sichten. „Großer Autor!“ schreibt etwa Frau Werlingerrode aus Werlingerrode, „ich kenne sämtliche deiner Werke, insonderheit die im Starcluster Verlag zum Spottpreise von 49,80 DM erschienene Biografie JONI MITCHELL UND EINIGE IHRER ZEITGENOSSEN, welche über den Buchhandel oder direkt über den Verlag zu beziehen ist. Meine Frage: Könnte ich mir ein Zweitexemplar auch bei dir persönlich bestellen? Und würdest du mir sogar eine Widmung hineinschreiben?“ Klar doch, verehrte Frau. Schicken Sie einfach eine Mail an autor@hinternet.de, und das Ding kommt umgehend. Für nen lausigen Fünfziger, Porto inklusive.

Herr Bertram aus Ochsenzoll sieht mehr in die Zukunft und fragt nach meinen weiteren literarischen Plänen. Nun, lieber Herr Bertram, im Frühjahr 2001 wird im Verlag Addison Wesley in der dortigen „Integrata“-Reihe das von mir und meinem Co-Autor Albrecht Darimont verfaßte Buch „Der Multimediaentwickler“ erscheinen, „Effektives Entwickeln mit DIRECTOR und FLASH für Einsteiger und Profis“. 400 vollgepackte Seiten zum Superhammerpreis von nur 69,90 DM.

Über die Beantwortung solcher für das Verständnis der PFAUENFEDER eminent wichtiger Fragen vergeht der Tag wie im Fluge. Ich schlendere durch die örtliche Fußgängerzone, laut Hinweisschild „die einzige nicht von Guido Westerwelle eingeweihte“, komme zufällig auch am Hotel „Waldfrieden“ vorbei, vor dessen Eingang lange männliche Warteschlangen geduldig stehen, während diejenigen, welche von Jenny Elvers hochselbst in den Club aufgenommen worden sind, leicht derangiert aus dem Dienstboteneingang torkeln.

„Mensch!“ jauchzt eine wohlbekannte Stimme hinter mir, „ich bin drin! Jetzt nur noch die Vaterschaft gewinnen, was aber in Anbetracht meines Lottoglücks bloße Routine sein dürfte!“

„Schämen Sie sich, Herr Hutschenreuther!“ gifte ich den Sprecher an, bei dem es sich, Sie dürften es längst erraten haben, um niemand anderen als Herrn Hutschenreuther handelt, den kleidungsmäßig momentan etwas unvollständigen Liebhaber aller schönen Frauen.

„Wo haben Sie eigentlich Ihre Hose gelassen?“ frage ich den Schweratmenden. „Ach, meine Hose!“ lacht der, „die mußte ich dem Hosenmuseum der Vereinigung der Liebhaber von Jenny Elvers e.V. spenden! Aber es hat sich gelohnt! Sehen Sie nur: eine Vereinsnadel!“

Er zeigt mit unverhohlenem Stolz auf das Revers seines dunkelpinkblauen Anoraks. Und wirklich: sehr hübsch: Zwei riesige, stilisierte Brüste auf metallblondem Hintergrund, darunter die Inschrift: I SURVIVED JENNY. Ja, denke ich, leider.

 

 

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