Die Pfauenfeder

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12. Dezember, ein Dienstag

Wenn der liebe Gott nicht gewollt hätte, daß man sich 25 Glühwein und 18 Dampfnudeln reinpfeift, hätte er die Weihnachtsmärkte nicht erschaffen. Nur die Sache mit der sich anschließenden leichten Übelheit hat er nicht bedacht; aber auf dem Gebiet der Schöpfung war er halt schon immer nur ein Halbprofi, unser derzeit amtierender Gott.

Daß Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch ohne meine Mitteilungen einen schönen Tag hatten, kann ich nur hoffen. Wie mir der Chefredakteur berichtete, hat an meiner Stelle der Sponsor etliche Zeilen abgesondert, „ein selten langweiliger Bürokrat“, so die Worte des Chefredakteurs, „aber für Geld tue ich bekanntlich alles“. Jetzt bin ich aber wieder fit, und wir können unsere Verhörserie mit Herrn Hutschenreuther fortsetzen.

„Frisch ans Werk!“ befeuert mich dieser, „Ich habe nichts zu verheimlichen, aus meinem Munde kommt stets die Wahrheit, und nichts als die Wahrheit, so wahr mir Gott helfe!“

„Versündigen Sie sich nicht!“ fährt, plötzlich und unerwartet sowie überraschend scharf im Ton, der fromme Haberkorn dazwischen. „Sie sind ein notorischer Lügner, und das kann ich beweisen!“

Wir sind schockiert. Auch Hutschenreuther ist fassungslos, aber nicht so fassungslos, daß er es unterlassen würde, den armen Haberkorn am Halse zu packen und kräftig durchzuschütteln. Entschieden greife ich ein. „Aber meine Herren! Was ist denn das für eine Streitkultur!“

„Der da hat angefangen!“ schreit Huschenreuther und zeigt auf den lautstark um Luft ringenden Haberkorn. „Aber ich habe doch Beweise!“ keucht der und provoziert mit diesen Worten Hutschenreuther zur erneuten Attacke, die wir im letzten Moment vereiteln können.

„Ich bin dafür“ ist Sylvia dafür, „daß Herr Haberkorn uns seine Beweise vorlegen soll, damit wir uns selbst ein Bild machen können!“ „Sie sollen sich kein Bild von mir machen! Das steht schon in der Bibel!“ erwidert der großenwahnsinnige Hutschenreuther, doch zu spät. Zustimmendes Gemurmel zu Sylvias Vorschlag bringt ihn zum Schweigen, und Haberkorn beginnt zu sprechen:

„Also, es war so. Ich habe doch letzte Woche einen Lottoschein ausgefüllt, denn schließlich ist Weihnachten, und da braucht man Weihnachtsgeschenke, und da braucht man Geld, und ich habe kein Geld. Und tatsächlich! Ich hatte Glück! Ich gewann! Weil ich aber in solchen Sachen so komplett ohne Erfahrungen und Wissen bin, fragte ich Herrn Hutschenreuther, der sich ja immer als großen Lottokönig bezeichnet hat und also ein Experte sein muß, mit welchem Betrag ich denn für einen Einser mit Zusatzzahl rechnen könnte. Und was antwortet mir der verlogene Mensch? Nun, antwortet er, für einen Einser ohne Zusatzzahl gebe es wohl kaum mehr als vier Mark neunzig, doch mit Zusatzzahl könnte ich einen vollen Tausender als sicher einkalkulieren, wenn nicht gar noch mehr! Das erfreute mich, wie Sie sich vorstellen können. Doch wer beschreibt meine Enttäuschung und meine Wut, als mir die nette Frau von der Lottoannahmestelle erklärt, für einen Einser mit Zusatzzahl sehe man keinen Pfennig, geschweige einen Tausender! Da wußte ich, daß mich Hutschenreuther belogen hat, weil er ahnungslos ist und selber noch nie getippt hat und somit auch kein Lottogewinner sein kann, wie er uns immer vorgaukelt!“

Wir schwiegen betroffen und blickten zu Hutschenreuther, der die Rede Haberkorns ruhig und gefaßt, ja, sogar mit einem gewissen ironischen Lächeln angehört hatte. „Da sieht man wieder einmal“ sah Hutschenreuther, „daß dieser Haberkorn ein Idiot ist. Natürlich bin ich ein Lottogewinner! Und natürlich habe ich noch nie Lotto gespielt! Aber gerade darin besteht schließlich mein Gewinn! Indem ich nicht spiele, spare ich mir den Einsatz und die Bearbeitungsgebühr, das heißt: Ich gewinne ständig! Würde ich spielen, würde ich gewiß auch verlieren, da kenne ich mich gut genug! So! Das müßte an Erklärung reichen! Ich schlage vor, wir erkunden jetzt die Fußgängerzone und besuchen den dort unfehlbar vorhandenen Glühweinstand. Ich bin dem Haberkorn auch nicht mehr böse. Er ist eben ein Arschloch von Natur aus, das walte Gott der Herr.“

Wir nickten erleichtert und machten uns ausgehfertig.

 

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