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Crime School: Lektion 1

Einschulung in der Crime School! In der ersten Lektion erfahren wir etwas über Lesehoffnungen und deren Erfüllung, die Schwierigkeiten, etwas objektiv zu bewerten, das lediglich Erwartungen bestätigen soll und warum es töricht wäre, Krimis als bloßes Unterhaltungsfutter einzustufen.

Bahnhof Saarbrücken. Vor mir liegen sechs Stunden ICE nach Berlin in einem Nichtraucherabteil und, so steht zu befürchten, in Gesellschaft krawattierter Geschäftsleute mit ekstatisch piepsenden Handys.
Also zum Kiosk, also einen Jerry-Cotton-Roman kaufen.
Sechs Stunden später: Berlin, Bahnhof Zoo. Der Cotton ist gelesen und hat seinen Zweck, mir die Langeweile zu vertreiben und die Anwesenheit fickrig telefonierender Businessmen und –women erträglich zu gestalten, erfüllt.

Frage: Habe ich nun ein gutes Buch gelesen? Möglich. Ich weiß es nicht, weil ich den Cotton nicht aufgeschlagen habe, um ein gutes Buch zu lesen. Mein Urteil beruht einzig und allein auf einem subjektiven Empfinden, dem eine ebenso subjektive Hoffnung in einer ganz speziellen Situation zu Grunde lag.

Nun ist diese Hoffnung, ein Buch möge mich gut unterhalten, eine der wesentlichen, die uns dazu bringen, überhaupt ein Buch in die Hand zu nehmen. Sie findet sich nach der Lektüre erfüllt oder nicht erfüllt – doch wie sollte ich mein Urteil so begründen, dass es einem mir völlig unbekannten Leser X zuverlässiger Ratgeber wäre, seine eigenen subjektiven Hoffnungen zu erfüllen?

Natürlich gibt es auch für die Beurteilung eines Heftromans seriöse Kriterien, die etwas mit dem zu tun haben, was wir schnöde „Handwerk“ nennen und dort, wo der blanke Genius regiert, als einen eher ungeliebten Eindringling betrachten. Ein Heftromanautor befleißigt sich einer möglichst schnörkellosen, einfachen Sprache, er zeichnet einen großen, von Action geprägten Spannungsbogen, um den sich weitere, kleinere gruppieren. Ein Heftautor kann ein Meister sein, C.H. Guenter sei Dank.

Nur, sorry: Das ändert nichts. Heftautoren arbeiten für ein bestimmtes, genau abgezirkeltes Zielpublikum. Da sehen wir den Arbeiter im Frühzug, konzentriert in seinem Cotton schmökernd. Wir beobachten, im Spätzug, die Sekretärin, wie sie beinahe in den Arztroman hineinkriecht. Oder, ja, wir wundern uns im ICE nach Berlin über den doch ganz gebildet aussehenden jungen Mann, den ein trauriges Schicksal für sechs Stunden in die Zielgruppe der „Schundleser“ verschlagen hat.

Die Qualität eines Heftromans hängt also immer davon ab, ob das zu seiner Herstellung verwendete Werkzeug zielgruppengerecht ist. Sprache und das, was ich „Textarchitektur“ nenne, haben lediglich die Leser im Auge, niemals aber den Text an sich. Sie verlassen ihn gleichermaßen, ihr Ziel ist es ausschließlich, die Bedürfnisse einer fixen Gruppe von Konsumenten zu bedienen.

Wem das zu theoretisch ist, dem sei ein kleines praktisches Beispiel zur Verdeutlichung geliefert. Bleiben wir bei C.H. Guenter und einem seiner Serienhelden, dem famosen „Mr. Dynamit“, Agent des BKA und das Idealbild eines Heftchengottes. Die gesamte Konstruktion der Story basiert auf der Intention, Mr. Dynamit in möglichst viele, möglichst spannende, möglichst actionreiche Situationen zu bringen. Die Sprache, mit der dies bewerkstelligt wird, ist diesem Zweck völlig untergeordnet: klipp und klare Schilderungen, lakonische Dialoge, ein wenig Sex für den kleinen erotischen Hunger zwischendurch. Es ist NICHT die Absicht des Autors, durch Konstruktion, Dramaturgie und Sprache etwa das Schema gut / böse (sprich: freier Westen / unterdrückter Ostblock) zu analysieren oder gar in Frage zu stellen. Solche Dinge kommen bei der Zielgruppe nicht gut an. Sie will unterhalten werden, das ist ihr gutes Recht.

Das meine ich, wenn ich behaupte, bei Heftromanen seien Sprache und Handwerk einzig auf die Kommunikation mit der Zielgruppe angelegt und erfüllten exakt deren Wünsche. Sie konstituieren den Text in Abhängigkeit von seinem Zweck, das Publikum gut zu unterhalten. Das ist eine Leistung, die man nicht unterschätzen sollte.
Nur kann ich als Kritiker dann nicht die Qualität des Textes beurteilen, sondern nur, wie es dem Autor gelungen ist, seine Zielgruppe zu befriedigen. Der Text selbst bleibt außen vor, er ist Mittel zum Zweck.

Wenn wir uns darauf einigen, genau das sei auch die Aufgabe des Kriminalromans – gut. Aber dann tappen wir arglos in die Falle der Krimiverächter, die dieses Genre unter „Unterhaltungsliteratur“ subsummieren und ihm damit jegliche weiteren Qualitäten absprechen.
Aber wollen wir das wirklich? Geben wir uns zufrieden, solche Krimis zu lesen, solche Krimis zu schreiben? Auf einige trifft es gewiss zu. Andere jedoch erwarten von Krimiliteratur neben dem völlig legitimen Wunsch, angenehm unterhalten zu werden, noch die Erfüllung eines zweiten: Literatur nämlich soll mir die Welt so zeigen, wie ich sie ohne ein bestimmtes Buch niemals sehen würde. Sie soll mir, durch Sprache und „Textarchitektur“, Einblicke in neue Sphären des Denkens ermöglichen, mich auf Gedanken bringen, die zu denken ich ohne dieses Buch niemals begonnen hätte. Kurz: Es gibt eine Zielgruppe von Lesern, die eben NICHT erwartet, dass ein Text so konstruiert ist, dass er ausschließlich ihre Unterhaltungswünsche erfüllt, sondern dass er sie selbst in irgendeiner Weise verändert. Das ist quasi der Gegenentwurf zur reinen Unterhaltungsliteratur, wo es ja höchstes Gebot sein muss, den Leser unangetastet zu lassen und wo die literarischen Mittel völlig im Dienste dieses Lesers stehen. Dazu mehr in der nächsten Lektion, wo wir speziell der wichtigen Frage nachgehen wollen, warum Autoren beim Schreiben nicht an Zielgruppen denken sollten.

Als Hausaufgabe bis dahin solltet ihr das soeben Gelesene überdenken, eventuelle Einwände formulieren, euch wichtige Ergänzungen auch, und, so ihr wollt, mir per Mail übermitteln. Schließlich sind wir hier eine moderne Schule und wollen, dass der Schüler, die Schülerin selbstständig an der Erarbeitung des Stoffes mitarbeitet. Alle eure Mails werden von mir gelesen und zu Beginn der nächsten Stunde besprochen. Bis dann!

dpr

14. März 2005

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