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Einige Abschweifungen nach Lektüre eines Wörtche-Artikels

Als ich mich vor nun auch schon geraumer Zeit der Kriminalliteratur zuwandte, hatte ich meine desillusionierendem Jahre auf literarischen Märkten schon hinter mir. Ein „experimenteller Roman“ war geschrieben worden, der selbst im nur unter dem Mikroskop relevanten Segment für solcherlei Wortarbeit fürchterlich floppte. Eine Zeitschrift zum Werk Arno Schmidts war herausgegeben worden, die gute Resonanz fand, also maximal 60 Abonnenten.

Alles, für das ich mich interessierte, spielte sich in engen, geschlossenen Räumen ab. Die Leute, die sich dort aufhielten, kannte man schon nach wenigen Wochen sämtlich; es waren nie viele. Dennoch waren es Märkte. Submärkte der Submärkte der Submärkte.

Dann kam der Krimi. Mir war bewusst, dass die Spannweite meiner Arme nicht ausreichen würde, das zu umfassen, was sich „Krimi“ nennt. Du triffst auf übelsten Schund und wunderbar geformte Blumen, aber die meiste Zeit deines Lesens und Forschens verplemperst du damit, durch den knietiefen Morast des Durchschnitts zu waten, so weit das Auge reicht nur Morast, nur Durchschnitt, lieblos dahingerotzt, beliebig etikettiert, von einer Armada feuilletonistisch-germanistischer Analphabeten durch das neueste Schablonien gejagt, mal Daumen rauf, mal Daumen runter, ohne System, ohne Wissen, ohne Neugier, ohne Lust.

Das überraschte mich aber nicht. Warum sollte es in Krimiland anders sein als in Hochliteraturland? Aber eines überraschte mich doch, ja, es erschütterte mich und erschüttert mich jeden Tag aufs Neue: Mit wie wenig die Kritik zufrieden zu stellen ist. Wie souverän sie den banalen Umstand, dass Krimis Literatur sind, umkurvt, wie bedürfnislos man in Geschichten kriecht, die weder spannend noch gut erzählt sind, die uns nichts lehren, uns von nichts heilen, uns vor nichts feien, und für die am Ende nur spricht, dass man für sein Geld wieder einmal eine Spanne Zeit abgelesen hat. Zuklappen, weg damit, nie dagewesen.

Es gibt auch hier Ausnahmen, und wer diesen Beitrag liest, kennt sie natürlich. Leute, die sich nicht nur intensiv mit Krimis beschäftigen, sondern auch Ansprüche an sie stellen, Leute, die man mit Morden im Dutzend und sehr viel Gänsehaut schwerlich beeindrucken kann, die über den Rand des „Genres“ hinausschauen und, wie ich selber, jeden Tag dreimal verfluchen, dass es überhaupt Genres gibt. Orte also, die wir uns als hübsch organisierte Zoos vorstellen wollen, deren Gehege nur den dort jeweils vorgesehenen Tierarten offenstehen, weil man befürchtet, Löwe und Antilope, nicht durch Gitter und Gräben voneinander getrennt, seien die friedlichsten Nachbarn nicht, und wenn sie es wider Erwarten doch sein sollten, wärs noch schlimmer, denn das Ergebnis aus Löwe und Antilope möchte nun wirklich keiner sehen, geschweige denn lesen, und dann schaut man sich um in den Buchhandlungen und dort liegen sie dann dumm rum und warten auf unsereinen: Krimis, die alles sein wollen und gar nichts sind, „Politthriller mit Soziotiefgang und psychologischer Finesse, und das alles auf der Basis eines gut abgehangenen, ausgebluteten Literaturbegriffs“. Mei, da sehe ich vor meinem geistigen Auge, wie des Nachts Schimpanse, Schabrackenschakal, Gemse und Elefant über die Gitter steigen und es zünftig miteinander treiben.

Aber das nur nebenbei. Einer, dem man, wenn er über Krimis redet und schreibt, immer zuhören kann, ist Thomas Wörtche, unter anderem Herausgeber der nie genug zu lobenden „metro“-Reihe des Unionsverlags. Im „Krimi Spezial 2005“ der Zeitschrift „Buchkultur“ hat Wörtche nun unter dem Titel „(K)ein Markt für Krimis“ ein reichlich düsteres Bild der näheren Zukunft des Kriminalromans gezeichnet, mit Argumenten, die man – nun, nicht gerne, aber zustimmend abnicken kann. Markt regiert. Erscheint ein Original, wird es sogleich geklont, auf das zarte Pflänzlein „Krimi = Hochliteratur“ setzten sich breitärschig Mankell, Leon und Konsorten, und vorbei wars mit dem Blümelein. „Destruktion, Spagettisierung, möglicherweise völlige Auflösung und allmählich ein Neuaufbau mit veränderten Parametern“: so die Prognose Wörtches, der er aber, Recht hat er, selbst nicht traut.

Denn wen betrifft diese düstere Prognose? Die Leser? Ach wo! Die lesen, was ihnen vor die Flinte kommt. Die Verleger? Noch abwegiger! Die verlegen, was der Leser gerne vor der Flinte hat, und was er gerne vor der Flinte hat, das sagen dem Leser die Werbefuzzis und die journalistischen Lautsprecher der Moden der Saison. Die Autoren? Klar, die schauen sich um, wenn es nur noch einen Markt für Klone und Epigonen gibt. Da aber ca. 90 % nichts lieber sind als Klone und Epigonen, schauen sie sich um, damit auch sie ein warmes Plätzchen dort finden.

Die Kritiker? Genau! Die Kritiker! Die sollte es wenigstens betreffen. Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass Kritiker großen Einfluss auf „den“ Markt ausüben könnten. Aber es wäre ihre Pflicht, auf die Klone und Epigonen, die schlamperten und im Grunde an Literatur desinteressierten Autoren und ihre Produkte hinzuweisen, sie nach allen Regeln der Kunst auseinander zu nehmen, Dekonstruktion at its best, und dann wieder als das zusammenzusetzen, was sie recht eigentlich sind: Schrott.

Aber unsere Kritiker heißen nicht alle Wörtche, Gohlis oder Ammer (plus ein paar mehr, Entschuldigung, wenn ich euch hier nicht aufführe), sie äußern sich gemeinhin geschmäcklerisch, „aus dem Bauch“, was immer ein schlechtes Zeichen ist, denn wenn der Bauch zu denken und zu schreiben anfängt, möchte ich den dazugehörigen Kopf gar nicht sehen. Krimis rezensieren kann, so siehts aus, jeder, und jeder tut es. Das ist wie Krimis schreiben, möchte man zynisch und krimiautorenverachtend hinzufügen. Sind ja Krimis, ist keine Literatur. Ach, es ist zum Kotzen.

Man kann der „Hochliteratur“ (ich nenne sie lieber „Nichtkrimiliteratur“) einiges vorwerfen; aber nicht, dass ihre Kritiker ihr Handwerkszeug nicht parat hätten. Trefflich streiten kann man mit ihnen, man kann ihnen Borniertheit, Blindheit, Parteilichkeit vorwerfen, ja, man kann sogar die Qualität des Handwerkzeugs in Zweifel ziehen. Aber, das muss man ihnen zugestehen: Sie haben wenigstens eins oder wissen doch, dass sie eins haben sollten, bevor sie ein Buch lesen, um es zu rezensieren.

Also: Können wir etwas ändern? Können wir dafür sorgen, dass Wörtches Prognose Prognose bleibt und niemals Wirklichkeit wird? Ich weiß es nicht. Aber versuchen wir es doch einfach.

dpr

30. Juni 2005

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