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Literarische Krimis - eine Diskussion

Schön so. Meine harsche Ablehnung "literarischer Krimis" hat ihren Widerspruch gefunden. Und weil ich Bernds Kommentar für wichtig halte, ein Kommentar aber leider oft untergeht, eröffnen wir ein neues Thema. Also hier der Kommentar - und meine Antwort darauf. Weitere sind natürlich willkommen.

Bernd schreibt:

Lieber dpr,
erlaube mir zweiundhalb Anmerkungen.
Erstens, als literaturwissenschaftlicher Laie finde ich das Adjektive literarisch zur Bezeichnung bestimmter Krimis tauglich ! Wie es ja nun einmal bei Sprache so ist, lebt sie und deshalb kann sich die Bedeutung eines Wortes auch verschieben [wenn alle Bücher Literatur darstellen, ist „literarisch“ in Bezug auf Bücher erst einmal sinnlos]. Für mich persönlich bezeichnet „literarisch“ Krimis, bei denen sich der Autor über Humor, Spannung und Rätsel hinaus, Mühe mit der sprachlichen Gestaltung gegeben hat (z.B. Ruth Rendell) oder aber wie in „richtigen Büchern“ Darstellungen schafft, die über den Krimitext hinaus gehen (A. Vachss „Shella“) oder sein Buch in einen Literaturkontext einbindet (M. Connelly „The Poet“ – E. A. Poe -, M. Walters „The Scold´s Bridle“ – „King Lear“ -, P. Lovesey, Bloodhounds - Krimiliteratur).
Zweitens, wäre ich mir gar nicht einmal so sicher, dass der Anteil der hauptberuflichen Autoren in den USA, Kanada und England sehr viel höher ist. Auch dort gibt es ja einige gut beleumundete Autoren (z.B. Kathy Reich, Andrew Vachss) die „nur“ nebenberuflich schreiben. Du darfst auch nicht vergessen, dass das was aus Amerika zu uns kommt, meistens das ist, was Erfolg hat. Die breite Masse der amerikanischen Autoren, die nicht vom Schreiben leben kann, wird bei uns (vermutlich) kaum wahrgenommen, Dagegen sehen wir einen wesentlich breiteren Ausschnitt der deutschsprachigen Krimiautoren.
Und halbstens, warum ist es den so, dass deutschsprachige Autoren sich Ihr Brot anderweitig verdienen ? Neben dem „gehemmten Verhältnis“ der Autoren, gibt es ja wohl auch ein solches der Leser, einen wesentlich kleineren Markt und eine Fixiertheit auf große Namen.
Mit besten Grüßen
bernd
PS Medwedew ist angekommen, ich arbeite dran.

Und meine Antwort:

Hallo Bernd,

so leid es mir tut, aber jetzt muss ich doch mal kurz den Literaturwissenschaftler aus dem Schrank holen. Literatur „als die Gesamtheit des Geschriebenen“ (also nicht nur von Büchern!) zu definieren, hat seinen guten Grund. Nehmen wir das Beispiel des Einkaufszettels, den kein vernünftiger Mensch „Literatur“ nennen würde. Nehmen wir an, ich schriebe folgendes auf diesen Zettel: „das Zeug, das da immer auf die Dinger unter meinem Bett kommt“. Wenn ich nun ins Warenhaus gehe und dieses „Zeug“, von dem ich ja ganz genau weiß, was es ist, kaufe, dann ist das weder gute noch schlechte Literatur, sondern halt nur ein Einkaufszettel. Jetzt nehmen wir aber an, ich gebe den Zettel dem Nachbarsjungen und schicke ihn, mir das „Zeug“ zu besorgen. Er wird scheitern. Wie anders, wenn ich einfach „schwarze Schuhcreme“ geschrieben hätte!

In dem Moment, wo ich den Zettel dem Jungen gebe, wird er Literatur. Und weil der Junge das Geschriebene gar nicht verstehen kann, wird er schlechte Literatur. Eine etwas genauere Definition wäre also: Literatur ist die Gesamtheit alles Geschriebenen, bei dem mit der Sprache zum Zweck einer Kommunikation mit Dritten gearbeitet wird“ (oder, siehe Merseburger Zaubersprüche, wenn sie vor allem sprachhistorisch wichtig ist).

Das heißt aber auch: Der Begriff „Literatur“ beinhaltet kein Werturteil per se. Und genau jetzt kommen wir zum Begriff des „literarischen Krimis“, der – offen oder versteckt, bewusst oder unbewusst – denunziatorisch eingesetzt wird. Er grenzt alles, was „nur“ Krimi ist aus und wirft es in den großen trüben Topf „Unterhaltung“. Wenn er dort einmal liegt, kann ich ihm aber mit literaturkritischen Methoden nicht mehr beikommen. Ich kann als Leser / Kritiker zwar sagen, dass mich ein Krimi unterhalten / nicht unterhalten hat, aber ich kann es nicht beweisen. Ich dürfte bei einem solchen Text, der ja dann dezidiert „Nicht-Literatur“ wäre, auch nicht mehr mit meinem Instrumentarium kommen. Personenzeichnung? Dramaturgie? Alles „literarische“ Begriffe, die mit „Unterhaltung“ nichts zu tun haben.

Andererseits bedeutet „literarischer Krimi“ natürlich auch ein positives Werturteil. Ein „literarischer Krimi“ ist im normalen Sprachgebrauch gleichzusetzen mit einem „anspruchsvollen Krimi“. Ich könnte also nicht ohne immanenten Widerspruch einen „literarischen Krimi“ einen „schlechten literarischen Krimi“ nennen, obwohl er das vielleicht ist. Ein „schlechter literarischer Krimi“ wäre bestenfalls ein Nur-Krimi.

Auch hier ein Beispiel: Guillermo Martinez, „Die Pythagoras-Morde“. Gilt als „literarischer Krimi“? Warum? Weil in ihm philosophiert wird. Nicht schlecht philosophiert, so wie das ganze Buch nicht schlecht ist. Aber eigentlich ist er ein simpler Whodunit, elegant, aber auch ein bisschen langweilig geschrieben, „Hochsprache“ eben, kantenfrei und windschnittig.

Ich muss zugeben, dass die Literaturwissenschaft an der ganzen Entwicklung nicht unschuldig ist. Bis in die 70er Jahre galt ein Krimi nichts; es sei denn, er wurde von Fontane, Schiller oder Dürrenmatt geschrieben, und dann galt er auch nur deshalb etwas, weil er von LITERATEN geschrieben wurde. Das änderte sich, als man erkannte, dass Krimis und generell „Populärliteratur“ durchaus in der Lage waren, die Gesellschaft abzubilden und zu kommentieren (Stichwort: Sozio-Krimi). Hinzu kam, dass dieses Sinneswandel mit der Hoch-Zeit der sogenannten Rezeptionsforschung in der Literaturwissenschaft zusammenfiel. Nicht mehr die Qualität eines Textes an sich wurde untersucht, sondern seine Wirkung auf die Leser. Und da hatten Krimis und andere „mindere Literatur“ natürlich ein Pfund, mit dem sie wuchern konnten, weil plötzlich Einblicke in die „niederen Schichten“ möglich wurden.

Diese Aufnahme von Krimis in den Himmel der Literatur war aber natürlich an Voraussetzungen gebunden. Sie durften nämlich plötzlich keine Nur-Unterhaltung mehr sein. Womit wir bei einem weiteren kritischen Punkt wären: Wer bestimmt, was „literarischer“ resp. „Nur-Krimi“ ist? Wieviel Prozent der Literaturwissenschaftler und Kritiker, glaubst du, würden etwa James Ellroy mit literarischen Weihen versehen? Und wie viele Donna Leon, weil sie doch so schön das traurig-romantische Venedig zeichnet?

Hinzukommt noch: Würde ich den Begriff des „literarischen Krimis“ übernehmen, dürfte ich z.B. einen Autor wie C.H. Guenther, der viele Nummern der Kommissar X – Reihe geschrieben hat, gar nicht mehr zur Kenntnis nehmen geschweige denn behaupten (was ich getan habe), es handele sich dabei um GUTE LITERATUR. Genau das aber kann ich BEWEISEN (nicht, dass ich das unterhaltsam finde, das nicht. Das ist Geschmacks- und Momentsache). Leute wie Guenther haben sich zur Erreichung ihres Ziels (das Publikum mit eskapistischen, actionreichen Stories zu unterhalten), eine originäre Sprache antrainiert und arbeiten nach einer ausgeklügelten Dramaturgie. Wie gesagt: Ich muss das alles nicht gut finden. Ich kann das völlig langweilig und versatzstückhaft finden. Dennoch ist es GUTE LITERATUR, weil sie ihre Zielgruppe mit Mitteln erreicht, die auch ein Thomas Mann etwa sich schon zu eigen gemacht hat, Sprache und Dramaturgie.

Kommen wir noch zu den Autoren selbst. Erstmal: Meine Meinung, deutsche Autoren seien weniger professionell als angloamerikanische, ist ein subjektiver Eindruck, und du hast objektiv sicherlich Recht. Es geht mir aber um die Attitüde. Ich verstehe, ehrlich gesagt, Autoren nicht, die frank und frei schwafeln, es ginge ihnen überhaupt nicht um Literatur, sondern „nur“ um Unterhaltung. Ich verstehe sie deshalb nicht, weil ich es einen Frevel finde, sein Handwerkszeug geringzuschätzen, die Sprache nämlich. Natürlich geht es um Unterhaltung, in der Literatur geht es immer um Unterhaltung. Aber wenn ich mir dieses Steckenpferdeln und Heimwerkern so anschaue, dieses gedankenlose Zusammenbosseln von Versatzstücken, ohne Ambition, das Optimale herauszuholen (man kann dabei scheitern, das ist sogar ehrenvoll!) - nee, bitte nicht.

Ich selbst lebe auch nicht von „meiner Schreibe“. Aber ich nehme die Literatur ernst. Sie ist Arbeit, und ich mache sie nicht nur zu meinem Vergnügen und weil mir der Herrgott a bisserl Talent mitgegeben hat, sondern ich mache sie, um mit Lesern zu kommunizieren. Über den Text.

Und ganz zum Schluss: Wenn DU weiterhin Krimi und literarischen Krimi unterscheiden willst, habe ich nichts dagegen. Weil ich bei dir sicher bin, dass du es nicht aus niederen Beweggründen oder Gedankenlosigkeit tust. Bei vielen anderen bin ich mir da überhaupt nicht sicher. Und widersprich mir bloß weiterhin (gilt auch für alle andern)! (Dass du den Medwedew gekriegt hast, beruhigt mich. Ich kenne die Post auch anders.)

dpr

2. Juni 2005

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