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Arbeitslos und Spaß dabei

freitagsessay.gif

Wer in Deutschland Humor ernstnimmt, gilt als humorlos. Wer in Deutschland humoristisch schreibt, gilt als originell. Wer in Deutschland über Tragödien lacht, lacht meistens über den Tragöden und nicht über die Umstände, die ihn dazu machen. Auch im Krimi.

Hartz IV, Arbeitsmarkt“reform“: Man weiß nicht, wen man mehr bemitleiden soll. Die Arbeitslosen, denen man die Würde nimmt; die Politiker, die mit überlebten Rezepten hilflos und panisch eine neue Welt abkochen wollen; die Arbeitgeber, die grinsend am Ast sägen, auf dem sie jahrzehntelang bequem saßen. Oder die Literatur, die zu alledem schweigt? Der es genügt, wenn die Handlanger des Elends einen schönen Stabreim – „Fördern und fordern“ – gedichtet haben, der so dumm und verlogen ist wie alle Slogans aus allen Werbekaschemmen, wo man Sprache gefügig macht? Aber nein, so ganz schweigt man eben nicht. Arbeitslosigkeit ist ein Thema im Krimi, ganz langsam bricht das Sujet in die nichts weniger als heile Welt. Und, seltsam, immer mit Humor.

Es begann mit Iain Levisons „Betriebsbedingt bekündigt“, der Geschichte eines Mannes, der seine Arbeitslosigkeit dadurch überwindet, dass er zum Auftragskiller wird und diesen neuen Job so sauber und bieder ausübt wie jeden anderen auch. Das Buch ist gelobt worden, sehr zu recht, auch →hier. Denn Levison beschreibt das Bizarre der Situation, ihre Lächerlichkeit und ihre Abgründigkeit. Man lacht. Aber nicht der Protagonist ist komisch, die Gesellschaft und ihre Regeln sind es. Und man lacht vor allem dort, wo die Tugenden des Arbeitnehmers, der einen Menschen tötet, nichts weiter sind als die Tugenden des Arbeitnehmers, der ein Auto montiert oder ein Kassenbuch führt.

Nun gibt es, aus deutschen Landen, einen zweiten Krimi, der „Arbeitslosigkeit“ thematisiert. Sagt man. Jedenfalls tut dies der Gmeiner-Verlag in seinem Waschzettel.

In Ordnung; für den Inhalt eines Waschzettels kann man die Autorin Sinje Beck nicht verantwortlich machen. Die, nebenbei, aus der Werbebranche kommt, und auch das ist nichts prinzipiell Ehrenrühriges. Ihr Roman „Einzelkämpfer“ schildert die Verwicklungen, in die der Mittvierziger Heiner Himmel gerät, arbeitslos, geschieden, also zwangsläufig verarmt, doch mit der guten Idee gesegnet, sich selbst für 7 € die Stunde als „nimm mich mit!“- Männlein vor ein Einkaufszentrum zu stellen. Zunächst mit mäßigem Erfolg, dann mit katastrophalem. Heiner gerät in die Aktivitäten einer kriminellen Vereinigung, wird plötzlich mutig und... aber man kennt den Inhalt von vielen anderen Gelegenheiten aus Film, Buch und Fernsehen. Sinje Beck macht das ganz okay, wenn man so etwas mag; als Erzählerin ist sie nicht einmal schlecht, „Potenzial“ attestiert man ihr durchaus – nur: Wenn Sie bloß nicht so witzig wäre.

Darum soll es gehen. Witzigkeit. Und um es klar zu sagen: Ich wäre der Letzte, der es einer Autorin, einem Autor aus quasi moralischen Gründen untersagen würde, ein ernstes Thema mit Witz zu bearbeiten. Im Gegenteil. Ich kenne Comics und Komödien zu Auschwitz, die ergreifender sind als jede „ernste“ Aufarbeitung, ich finde Chaplins „Großen Diktator“ decouvrierender als eine Tausendseiten-Analyse des Anstreichers und Aquarellisten, und bei Lubitschs „Sein oder Nichtsein“ lache ich selbst anlässlich der zwanzigsten Wiederholung Tränen.

Nein, es geht um etwas ganz anderes. Um die Angriffsfläche, die sich Humor sucht, um seine generelle Funktion in einem Text. Während sich bei Levison die Situation-an-sich als humorhaltig erweist und von eben diesem Humor perforiert und bloßgestellt wird, fokussiert sich die Witzigkeit bei Beck ganz auf den Protagonisten.

„Vom arbeitslosen Blechschlosser zum arbeitslosen Werbekaufmann – Heiner Himmels steile Karriere. Immerhin sind die Arbeitslosen heute besser qualifiziert als vor 20 Jahren, könnte ich mir vorstellen. (...) Bin zwar arbeitslos, aber nicht frei von Visionen. Ohne Job, aber nicht ohne Ideen. Langhaarig, aber nicht langweilig und ich habe gelernt, bilde ich mir ein. Wer nichts tut, dem wird auch nichts getan.“

Das ist die Mischung: Ein wenig naiv-dümmliche Reflexion, eine Brise Optimismus und jene unerträglichen Wortspielereien und Redensarten-Verballhornungen, ohne die eine ganze Generation von „stand up comedians“ nie von den Ärschen hochgekommen wäre, in die man sie am Liebsten treten möchte.

Ich kann ja verstehen, dass dieses Konzept, ein ernstes Thema zum Vorwand für einen Krimi zu nehmen und mit lockerer Sprache zu überzuckern, so beliebt ist. Zeitgeist? Weniger. Worthülsen, Flapsereien, Witzchen aus dem unerschöpflichen Quell des Belanglos-Unverbindlichen waren und sind zu allen Zeiten gerne genommene Zutaten. Dabei ist es völlig einerlei, ob sie die Personen, denen man solche Dämlichkeiten in den Mund legt, diskreditieren. Zeitgeist allerdings strömt aus dem Thema und seiner Umsetzung. Gib nicht auf! Kämpfe! Du hast keine Chance, aber... auch so ein ursprünglich genialer Satz (von Herbert Achternbusch, nebenbei), den beliebiger und wahlloser Gebrauch ausgeleiert hat.

Zwar keine Thematisierung der Arbeitslosigkeit an sich, aber Sein und Tun eines Arbeitslosen bietet Sobo Sobodniks Krimi „Oktoberfest“ (dtv). Auch hier gilt: witzig, witzig. Indes: Es ist ausgeborgter Witz, der Sprachduktus Sobodniks ist der Sprachduktus von Wolf Haas. Nun hätte ich nichts gegen einen Wolf Haas auf Speed, aber eine Aspirin nehmen und glauben, man könne jetzt ganze Nächte im Ballsaal der Sprache auf Rechnung eines anderen durchtanzen, ist denn doch etwas dreist. Ja, Wolf Haas auf Valium wäre auch ne schöne Idee... aber ich höre jetzt auf, bevor ich anfange, wie Hunter S. Thompson zu schreiben.

Ob „Oktoberfest“ wenigstens ein akzeptabler Krimi ist, weiß ich noch nicht. Stecke mitten in der Lektüre. Dass sich der Autor mit gemopstem Witz die verkaufsfördernde „Originalität“ erschreiben möchte, ist jedenfalls bäh.

Humor im Krimi. 2005 war ein durchaus gutes Jahr dafür. Gunnar Steinbachs Worteskapaden – schön, noch nicht ausgereift, aber immerhin -, Jeff Lindsays Serienkiller-Parodie „Des Todes dunkler Bruder“, Steinfest skurril und souverän wie gehabt, Nury Vittachis Fengshui-Detektiv, ach, die unsterbliche Modesty Blaise nicht zu vergessen – und dass Friedrich Ani nicht komisch ist, wissen wir längst, und er braucht es auch nicht zu sein.

Einige Beispiele nur, wie Humor in Literatur allgemein und Krimi im Besonderen funktionieren kann. Subversiv, entlarvend, parodistisch, ätzend-sezierend oder einfach nur atmosphärisch wie in Hammetts „Dünnem Mann“. Humor kann, in die Sprache injiziert, bestes Wortdoping sein; kann Antipodisches miteinander verbinden und daraus Alltag schaffen. Humor kann dich auch, ganz schlicht, um Auflachen oder Ablachen bringen. Humor, der „im Halse stecken bleibt“, ist dagegen so ziemlich das Ekligste, das Primitivste, das Dümmste, das Nervigste. Humor, der einfach nur da ist, weil er die Schreibhand ach so locker schlenkern lässt: vergesst es.

dpr

2. September 2005

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