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Schule der Rezensenten -4-

rezensent1.GIF

Rezensenten arbeiten für Leser. Über deren Heterogenität ist an dieser Stelle schon einiges gesagt worden, aber es hilft ja nichts. Auch wenn ich mir vornehme: Ich schreibe so, wie ICH das Buch lese oder: Ich schreibe so, wie es DAS BUCH erfordert – eine Schnittstelle zum Leser sollte schon vorhanden sein.

Woran ist nun der Leser interessiert? Ganz schlicht: An Informationen über den Inhalt, seine Umsetzung und die Meinung des Kritikers. Letztere sollte begründet sein – „nachvollziehbar“, wie man so gedankenlos fordert. Aber der Kritiker, von dem wir doch annehmen, er habe das Objekt seiner Kritik vollständig und aufmerksam gelesen, hat natürlich einen Informationsvorsprung. Er wird also nicht nur den Inhalt „nacherzählen“ müssen, sondern auch eine Bresche durch das Dickicht seiner Eindrücke zu schlagen haben. „Nachvollziehbar“ heißt also immer: komprimiert, auf das Wesentliche beschränkt.

Woran ein Leser kaum interessiert sein dürfte, ist der Bildungsstand des Rezensenten. Er wird als vorhanden vorausgesetzt. Der Leser geht davon aus, dass derjenige, der für ihn ein Buch liest, weiß, was er da liest. Eruptionen vollständigen Belesenseins, welche bei Gelegenheit eines Besprechungsthemas aus dem Rezensenten hervorbrechen, erschlagen den Leser eher als dass sie ihn belehren. Und mit welcher Berechtigung täten sie das auch?

Das schlimmste Beispiel für eine solche Eruption ist mir vor Jahren in einer großen deutschen Tageszeitung begegnet, die aber auch ein großes deutsches Nachrichtenmagazin gewesen sein kann oder eine große deutsche Wochenzeitung; ich weiß es ganz einfach nicht mehr. In Erinnerung ist mir indes geblieben, dass der Rezensent, dessen Aufgabe es gewesen wäre, Claude Simons Roman „Georgica“ zu besprechen, sich über wenigstens 80% der ihm zur Verfügung stehenden Zeilenmenge mit seinen Meinungen zum Spanischen Bürgerkrieg ausgelassen hat. Nun ist dieser Spanische Bürgerkrieg ein Thema in Simons Roman. Aber Simon, als Anhänger des „nouveau roman“, ist vor allem Formalist, ein Magier der Erzählzeit. DAS hätte es zu analysieren gegolten. Wurde aber, wenn ich es recht entsinne, wenn überhaupt dann nur angetippt.

Ich gebe zu, dass ein Werk wie „Georgica“ es einem Kritiker nicht leicht macht, etwas über den „Inhalt“ zu sagen. Bei einem Krimi ist die Sache meistens weniger heikel, denn sein Augenmerk gilt der Handlung, die dann – in Maßen – nacherzählt werden kann. In Maßen? Eine Ermessensfrage, die von Buch zu Buch neu zu stellen ist. Und eine Frage der Schreibökonomie. Nicht alles, was im Waschzettel des Verlags steht, ist wirklich nacherzählenswert, der Leser sollte einen Überblick erhalten, mehr nicht. Mal ein Beispiel.

In meiner →Rezension von Jeff Lindsays lesenswertem Krimi „Des Todes dunkler Bruder“ fasse ich den Inhalt so zusammen:

„Dexter Morgan, Blutexperte bei der Polizei, ist Serienkiller. Ein traumatisches Kindheitserlebnis (aha!) hat ihn dazu gemacht, doch Dexter zerlegt ausschließlich Bösewichte, das hat er seinem Stiefvater versprochen, der auch bei der Polizei war. Dann taucht ein zweiter Serienkiller auf. Er zerlegt wie Dexter, kopiert ihn, fordert ihn heraus. Faszinierend, findet das Original, und weil auch seine Stiefschwester Deborah, die als Polizistin in Nuttenklamotten Freier überführt, Karriere machen will und an dem Fall interessiert ist, versucht Dexter, den Doppelgänger ausfindig zu machen. Gelingt ihm auch. Und, Überraschung: Unser erster Psychologe aus der Jungsteinzeit hatte Recht!“

Ich beschränke mich hier auf den Haupterzählstrang, der dem Leser zudem einen ersten Eindruck von der erzählerischen Verfahrensweise vermittelt. Ein Serienkiller. Noch einer. Jener jagt diesen. Sie kommen sich immer dramatischer näher. Ende.

Natürlich hätte ich abschweifen können: Was für ein Typ ist dieser Dexter Morgan? Hat er eine Freundin? Lebt er allein? Wie sieht es mit dem Nebenpersonal aus? Tatsächlich gibt es eine Polizistin, die Dexter an die Wäsche will, es gibt auch eine Freundin, die Dexter zum schier Unglaublichen, dem Geschlechtsakt, treibt, es kommt auch zu der Situation, dass nicht nur Dexter seinen Nachahmer jagt, sondern der Nachahmer Dexter – und zwar mit wesentlich mehr Erfolg.

Es hätte nun nichts dagegen gesprochen, diesen Informationsteil anders zu gestalten, etwa so:

„Dexter Morgan tötet Menschen. Der Blutexperte bei der Polizei in Miami, Adoptivsohn eines Polizisten, ist nach einem traumatischen Kindheitserlebnis von der Ästhetik des Mordens besessen. Doch ausschließlich Bösewichte zerlegt Dexter; dieses Versprechen hat er seinem Adoptivvater gegeben. Die ebenso heile wie grausig-alltägliche Welt des Protagonisten kommt ins Wanken, als ein zweiter Serienmörder seine Kunst in Dexters Manier zelebriert. Zufall? Bloße Nachahmung? Oder fordert der Unbekannte Dexter zum Duell heraus? Dexters Stiefschwester Deborah, ebenfalls Polizistin, bittet den wegen seiner Eingebungen in Sachen Täterpsyche bewunderten Bruder um Hilfe bei der Tätersuche. Für sie ist es ein Karriereschritt – für Dexter wird es zur Obsession. Und die Vorzeichen kehren sich rasch um. Der „Nachahmer“ lässt Dexter Botschaften zukommen: eine malträtierte Barbie-Puppe in der Wohnung, grotesk arrangierte Leichen, einen Frauenkopf gar. Serienkiller jagt Serienkiller. Die Ereignisse spitzen sich zu, verwirren sich. In einem Container kommt es zum großen Showdown mit überraschendem Ende...“

Diese Zusammenfassung des Inhalts dient einem erkennbar anderen Zweck als die ursprüngliche. Deren Intention nämlich war es, von der am Anfang der Rezension aufgestellten Behauptung, Lindsays Roman sei entweder kein „Psychothriller“ oder, falls doch, einer, dem „jungsteinzeitliche Psychologie“ zugrundeliege, mit der eigentlichen Textanalyse zu verbinden. Die „Nacherzählung“ beschränkt sich also auf eine kurze Wiedergabe des Hauptstrangs und stellt ihn in Bezug zur These des Rezensenten (man beachte etwa das „(aha!)“ und den finalen Rekurs auf den „Psychologen der Jungsteinzeit“).

Die zweite Zusammenfassung hingegen hält sich an die Handlungsoberfläche. Sie gibt den Hauptstrang wieder und folgt ihm bis zum Ende des Buches, einige Details sind zur Illustrierung eingearbeitet.

Auch an dieser Vorgehensweise ist nichts auszusetzen, und so gäbe es noch etliche Varianten, die ebenso legitim genannt werden können. Worauf ich aber verweisen wollte ist schlicht dies: Ein Rezension sollte ihre Teile (Information, These, Beweisführung, Urteil) möglichst in einem Guss, als etwas Zusammenhängendes, sich Ergänzendes präsentieren. In unserem Beispiel – und deshalb vor allem habe ich es ausgewählt – wird übrigens auch der Wissensstand des Rezensenten ersichtlich. Immerhin bezieht er sich auf Ellroy und de Quincey, Autoren, die in diesem Roman gar nicht vorkommen und deren Zitieren Übelmeinende als bloßes "name dropping" oder abseitigen Exkurs deuten könnten. Aber dieses „Zusatzwissen“ gehört nun einmal in die Beweiskette der These. Es mag den Leser nicht interessieren, weil er einen „Psychothriller“ lesen möchte – und er darf es ja auch. Was ihm die Rezension bietet, ist schlicht: EINE Möglichkeit, den Roman zu interpretieren. Sie sollte eingebettet sein in möglichst sachliche, neutrale Informationen, sie sollte mögliche Alternativen zur Lesart des Rezensenten andeuten.

In der nächsten Folge werden wir uns die weiteren Bausteine der Lindsay-Besprechung noch etwas näher betrachten.

dpr

5. September 2005

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