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Schule der Rezensenten - Opitzrest

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Na also: Ich habe gelacht. Auf Seite 331 seines famosen Werkes nennt Opitz ein paar Titel aus Tinius’ Bibliothek: „Die Rächdschreibung der Deutdschen Buchschdaben“ – „Cicero, ein großer Windbeutel, klar erwiesen“ – „Lob der schlechtesten Schriftsteller“. Und auf Seite 332: „Untersuchungen der Ursachen des verdorbenen Geschmacks der Deutschen“.

Und sonst? Opitzens Schreibtendenz hat sich fortgesetzt: Fast nur noch Wiedergabe der langwierigen Vernehmungen, kaum noch Ausflüge ins Hier und Jetzt, ein aktueller Fall von „Pfarrer als Mörder“, kleingedruckt in der Außenspalte, die Selbstverbrennung des Pfarrers Brüsewitz 1976 in der damaligen DDR, angestrichen habe ich mir Opitzens Urteil über die Verteidigungsschrift des Tinius-Anwalts:

„Sie wirkt müde, lustlos, schlecht gearbeitet, formal, verliebt nur in die eigene sperrige Grammatik.“

Das könnte auch ein Urteil über Opitz sein, jedenfalls über den zweiten Teil des Buches. Der erste ist weniger müde, weniger lustlos, dafür noch schlechter gearbeitet, noch selbstverliebter. Man liest alles am Ende nur noch so runter; es ist nicht einmal uninteressant, d.h. vom Thema her. Tinius indes bleibt uns weiterhin ein unbekannter Kontinent. Was habe ich über ihn erfahren? Auch die Klischees, die man andernorts über ihn verbreitet hat, nur vielleicht anders gedeutet. Die im →vorigen Eintrag frohgemut aufgestellte Theorie habe ich schnell wieder fallen lassen. Opitz geht es, wenigstens in diesem zweiten Teil, um gar nichts mehr. Er will fertig werden, den Fall raushauen. Dass er ambitioniert begonnen hat, übersehe ich dabei nicht. Auch nicht, dass er wohl selbst irgendwann auf halber Strecke das Handtuch werfen musste.

Eigentlich schade. Schreiben kann er, der Opitz, theoretisch jedenfalls, das Potential merkt man, aber die Disziplin fehlt. Hätte er sich damit begnügt, einfach nur nach Aktenlage einen Bericht zu schreiben, wäre ihm der wohl gelungen. Das Ganze als Sprachkunstwerk mit höheren Weihen zu versehen, das ist gründlich schiefgegangen. Geblieben ist ein Roman, über den sich nicht einmal mehr streiten lässt. Er ist weder das eine noch das andere noch ein drittes oder viertes. Er ist in der ersten Hälfte alles – und alles missglückt, in der zweiten Hälfte runtergerattert mit nicht einmal mehr provokativen, nur noch hingenommenen stilistisch-formalistisch-inhaltlichen Rowdy-Attacken, er ist – nicht langweilig, weil das Thema nicht langweilig ist, aber belanglos, weil der Autor das Thema belanglos gemacht hat. Er ist nicht einmal mit Karacho gegen die Wand gefahren, sondern hat sein Autochen selber vor dem Aufprall abgebremst und begutachtet jetzt den leichten Blechschaden. Das ist traurig. Und das soll ich jetzt rezensieren?

Ziehen wir, quasi zur ersten Gedankenbereinigung, ein Fazit: Opitz’ Roman hat mich sprachlich enttäuscht, keine Frage. Meine Anstrengungen, überhaupt zu verstehen, worum es dem Autor geht, sind im Sande verlaufen. Es ist kein Roman über Herrn Tinius, keiner über Bibliomanie, keiner über das 19. oder 20. oder 21. Jahrhundert, keiner über den Autor, nicht einmal das, was man früher "experimentell" nannte. Es läuft immer mal in die eine oder andere Richtung, macht dann kehrt oder bricht ab. Nun könnte genau darin ein gewisser Reiz liegen, tut es aber nicht. Die letzten ca. 150 Seiten nimmt sich Opitz sprachlich etwas zurück und vertraut auf den Duktus der Akten. Was wir daraus erfahren, mag nicht uninteressant sein, aber dann lese ich doch lieber gleich die Originale und erspare mir die Kommentare und Abschweife des Autors.

Auffällig: Das Ganze spielt ja in einer sehr turbulenten Zeit: 1813 aufwärts, Leipzig wird zum Durchmarschgebiet diverser Truppen (was nur angedeutet wird), es bildet sich so etwas wie eine „deutsche Einheitsfront“ gegen Napoleon mit allen nur erdenklichen nationalen bis nationalistischen Ausprägungen (was auch nur angedeutet wird) – thematisiert oder wenigstens in die Geschichte eingewoben wird das aber nicht. Stattdessen erzählt Opitz kurze Parallelgeschichten (wie Suhl einmal niederbrannte, wie ein Pastor seine Frau ermordete oder nicht), deren Korrespondenz zum Hauptstrang des Erzählten zwar offensichtlich ist, aber eine Linie ist darin nicht zu erkennen.

Der Leser darf nun mutmaßen, wie die Rezension aussehen wird, die ich über Opitzens „Büchermörder“ ablasse. Sie wird das, was ich vorstehend resümmierte, noch weiter verkürzen müssen, ihren Akzent zunächst auf die Sprache, dann auf den Inhalt legen und beide in ihrer Entwicklung zeigen. Sie wird auch darauf eingehen, dass das wirklich Lehrreiche am "Büchermörder" nicht der Text selbst, sondern seine Aufnahme durch das Feuilleton ist. Wie man Leute via Klappentext und Vorgemunkel dermaßen einschüchtert, dass sie von vornherein die Waffen strecken und sich nach Plattitüdien zurückziehen, froh, dass man Werke in jene höheren Sphären erheben kann, die sie kritischer Betrachtung entrücken. So wird das aussehen. Oder doch nicht?


dpr

28. November 2005

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