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Die Kriminalerzählung -1-

Ja, da braut sich wieder etwas zusammen. Da kann wieder einer nicht das Erreichte genießen, sondern muss gleich blindlings auf das nächste Ziel losgehen. Blindlings? Nein, nicht doch. Er macht sich so seine Gedanken. Sie ranken sich um die Kriminalerzählung und werden hier in nächster Zeit dem verehrten Publikum zur gefälligen Kenntnis gebracht. Teilweise noch ungeordnet. Und was steht am Ende? Natürlich ein neues Projekt. Man kennt es von diesem Menschen ja gar nicht anders.

Poe did it. Even Arthur Conan Doyle did it. Sie schrieben Kriminalerzählungen. Handliche Geschichten im zweistelligen Seitenbereich, die sich leicht publizieren, das heißt: zu Geld machen ließen. Heute ist das, wie so vieles, anders. Nein, nicht erst seit heute. Schon vor Jahrzehnten beklagte der Autor Arno Schmidt den Niedergang der längeren Erzählung mangels geeigneter Örtlichkeiten, sie zu veröffentlichen. Ein allgemein-literarisches Lamento, und für Kriminalerzählungen sieht es nicht viel besser aus.

Schön; es gab die „Schwarzen Hefte“, es gibt jetzt „Kaliber .64“. Von Zeit zu Zeit erscheinen Sammelbände mit Erzählungen, doch zu großen Rennern werden die nicht. Das Lesepublikum dürstet nach dem papiernen Ziegelstein, dessen dramaturgische Konzeption längst in die Gesetzestafeln des „Genres“ geritzt ist. Verwicklungen, Fährten, die psychischen Innereien des Personals, mit dickgreller Ölfarbe gepinselte Atmosphären, Aussagesatz an Aussagesatz, damit auch der unkonzentrierteste Leser begreift, wie er eine Szene verstehen soll, möglichst auch noch Nebenstränge, die – Kommissar Zufall führt Regie – den Hauptstrang umranken. Und natürlich der suspense-Zwang, der Action-Zwang, der Botschafts-Zwang, der Am-Ende-wird-alles-gut-Zwang. Macht zusammengezählt 300, 400, 500 Seiten.

Dass es auch anders geht, beweist momentan Andrea Maria Schenkel mit „Tannöd“, einem Krimi, der ohne Ermittler und Ermittlungen auskommt, ohne behäbigen, alles bis ins Detail zerredenden Erzählton. Folgerichtig auch nur 125 Seiten, die im Kopf des Lesers eine Welt entfalten. Nimmt man es genau, ist „Tannöd“ kein „Roman“, sondern eine Novelle, in deren Mittelpunkt seit Goethes Definition „ein unerhörtes Ereignis“ steht. Nun ist nicht alles Novelle, was nicht romandick ist. Aber der Kriminalfall als solcher, ein „unerhörtes Ereignis“ par excellence, schreit geradezu nach novellistischer Umsetzung.

Besieht man sich aber die herkömmliche Kriminalerzählung, so ist sie meistens nichts weiter als ein zum Miniformat eingedampfter Roman. Das war nicht immer so. Zur Hochzeit der deutschen Kriminalerzählung etwa, im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts, hielten keine „Genregesetze“ den Krimi in der Spur. Er verarbeitete keine Verbrechen zu abendfüllenden Lesepackungen, sondern nutzte sie zu anderen Zwecken: moralischen wie demagogischen, erbaulichen wie abschreckenden, er war gleichsam Unterhaltung als Belehrung und Belehrung als Unterhaltung. Wichtiger aber noch: Er zeigte die Wirklichkeit, er schickte Nachrichten aus dieser Wirklichkeit in diese zurück, wo ein notorisch un- und desinformiertes Publikum diese dankbar aufnahm.

Auch künstlerisch wurde die Kriminalerzählung prägend. Sie war ein Experimentierfeld, auf dem die Vereinbarkeit von schierer Unterhaltung und komplexerer, „ernsterer“ Thematik geprüft wurde. Damit stand sie, ohne es zu wissen oder nur zu erahnen, in der Tradition eines Urvaters: Edgar Allan Poe. Dessen Erzählungen, die nach allgemeiner Auffassung das ganze Genre aus der Taufe hoben, waren weit mehr als „unheimliche Geschichten“ oder Manifestationen der Überlegenheit menschlicher Intuition und Kombinatorik. Um es nur anzudeuten: Hatte Poe zuvor das Bekannte verlassen, um ins Unbekannte vorzustoßen („Arthur Gordon Pym“ und „Julius Rodman“), so ging er in seinen Kriminalerzählungen den Weg zurück, vom Unbekannten (Etwas Unerhörtes ist geschehen und muss erklärt werden) zum Bekannten (Das Unerhörte wird mit Hilfe von Induktion und Deduktion erklärt.). Hier also ein endlicher Prozess (Es ist eine Lösung), dort ein unendlicher (Es gibt viele Fragen, aber keine Antworten).

Dies an anderer Stelle ausführlicher, hier nur in Andeutung um aufzuzeigen, welches Potential in Kriminalerzählungen stecken kann, wenn man sie nicht nur als Babyromane sieht, sondern als ein Feld, das geeignet scheint, Genregrenzen dadurch zu verwischen, dass man sie bewusst missachtet, sprich: mit den scheinbaren Gesetzmäßigkeiten experimentiert).

Die ersten drei Bände von „Kaliber .64“ (die Besprechung des zweiten folgt am Freitag) sind gelungene und unterhaltsame Beispiele für mit Sachkenntnis „eingedampfte“ Romane, wogegen gar nichts einzuwenden ist. „Tannöd“ steht für die andere Richtung, die längere Erzählung als Experimentierfeld.

Und warum erzähle ich das jetzt? Dazu mehr beim nächsten Mal.

dpr

8. März 2006

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