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Kapitel XI

wickius_forts_cover_2.jpg

Was bisher geschah: Deutschlands Krimielite ist verschwunden. Katastrophenalarm. Was steckt dahinter? Wirklich nur die merkwürdige Liste, die man beim toten Krimisuperblogger gefunden hat? Und wieso ist ausgerechnet Anne Chaplet der Schlüssel zu allem? Wie kommt Wickius auf diese Idee? Jedenfalls: Der Mann muss jetzt sein stilles Kämmerlein verlassen und endlich mal in die Puschen kommen. Die Chaplet und andere halten sich auf einer mysteriösen "künstlichen Insel" in der Südsee auf, da bleibt auch Wickius nichts anderes übrig, als in die Verne zu schweifen. Die Beller muss daheim bleiben. Ihre Kreditkarte reist wenigstens mit Wickius in die Südsee.

Endlich sank Wickius in die weiche Polsterung seines Sitzes der Economy Class. Er schwitzte, er stöhnte. Flug 393 von Pacific Peace Airlines nach Kattupippi, Hauptstadt des winzigen Südseeatolls Kannipippi konnte beginnen. Wickius schloss die Augen. Er versuchte die Erinnerung an jene peinliche Situation in der Abfertigungshalle zu vergessen, als die Beller, laut „Ich will auch in die Südsee! Ich LIEBE die Südsee!“ jammernd, ihr linkes Handgelenk und Wickiussens rechten Fuß vermittels Handschellen verbunden hatte. Er musste sie, bäuchlings auf dem Boden liegend, ein gutes Stück hinter sich her schleifen, eine greinende Frau im Bikini, bis schließlich zwei Männer des Sicherheitsdienstes die Fessel mit einem Bolzenschneider durchtrennt und die Beller abgeführt hatten. Wickius war nicht in der Stimmung gewesen, ihr zu gestehen, das Flugticket mit ihrer Kreditkarte bezahlt zu haben. Das würde sie noch früh genug bemerken.

„Pardon“, riss eine süße Stimme den hinter seinen Augenlidern phantasierenden Wickius aus der Kontemplation. Er drehte sich zu der Stimme hin und öffnete die Augen. Was er sah, nahm ihm den Atem. Eine Frau, so schön und geheimnisvoll wie jene Weltgegend, der sie gleich gemeinsam entgegenfliegen würden. Langes schwarzes Haar, große dunkle Augen, Diamanten eigentlich. Ihr vollendeter Körper steckte in einem lachsfarbenen Kostüm von Popo Flanell, die zierlichen Füße in glänzenden High Heels – ein Assessoire, das Wickius mehr erregte als fünf Jahrgänge des Playboy zusammen.

„Fliegen Sie auch nach Kattupippi?“ begann er mit vibrierender Stimme die Konversation. Sie nickte graziös.

„Ich besuche dort Verwandte“, antwortete sie, und jetzt nickte Wickius. Natürlich. Dieser Teint. Diese Exotik.

Als hätte sie die Gedanken des Kommissars erraten, fuhr sie fort: „Meine Mutter ist Kannipippianerin, mein Vater Deutscher. Sie haben sich in Brunsbüttel kennengelernt, wo meine Mutter als Aupair-Mädchen arbeitete. Ich heiße übrigens Claudine Schrunz. Und Sie?“

20 Stunden später – Flug 393 von Pacific Peace Airlines setzte soeben zur Landung auf dem winzigen Flughafen des winzigen Atolls an – waren sie per Du. Wickius hatte die ganze Zeit geredet, er, der sonst eher wortkarg war. Von seiner Vergangenheit, von jenem merkwürdigen Fall, der die deutsche Krimikultur in ihren Grundfesten erschütterte, auch von Blogger Menke, der vorgestern überstürzt in die Südsee geflogen war und dem Wickius den Triumph, das Mysterium der künstlichen Insel mitten im großen Ozean zu entschleiern, nicht gönnte.

„Obwohl die Gefahr, dass Menke ir-gend-et-was rauskriegt, gegen Null tendiert. Aber die Sache mit den größten Kartoffeln gilt auch für die Südsee.“

Auf dem Flughafenparkplatz verabschiedeten sie sich. Die Sonne stand hoch über Kattupippi, nur vereinzelt flanierten Touristen durch die pittoreske Kleinstadt, während die Einheimischen ihre Siesta zu halten schienen. Claudine hatte das „Kattupippi Inn“ empfohlen, „sauber und gutbürgerliche Südseeküche“, jetzt drückte sie Wickius einen flüchtigen Kuss auf die Wange, der den Besitzer dieses beneidenswerten Körperteils vor Wonne zu zerreißen drohte.

„Wir sehen uns wieder, Horatio“, flüsterte sie und stieg in ein Taxi. Wickius sah ihr grübelnd nach und winkte sich dann selbst ein Fahrzeug.

Es war keine Zeit zu verlieren. Wickius bezog sein – wirklich sehr sauberes – Zimmer und lief sogleich zum nahen Hafen, wo kleine Boote und etwas größere Jachten auf den Wellen des großen Meeres schaukelten. Er suchte nichts Spezielles. Betrachtete die Schiffe, bummelte wie ein Tourist über den Pier. Dann sah er sie. Die „Californian Dream“. Sie machte keinen vertrauenswürdigen Eindruck, doch ein Schild am Bug versprach „Individuelle Touren, wo immer Sie auch hinwollen“, und das überzeugte Wickius. Er balancierte über den schmalen hölzernen Steg an Bord und rief „Hallo?“

Ein dicker Chinese entstieg dem Inneren des Bootes. „Mister?“ fragte er abwartend.

„Ihr Boot ist zu mieten?“

Der dicke Chinese nickte. Wickius kramte den Zettel mit den Koordinaten der künstlichen Insel aus seiner Hosentasche und hielt ihn dem Chinesen hin. Der studierte die Zahlen, lächelte und pfiff durch die Zähne.

„Ich will nicht der einzige legitime Nachfahre des Kaisers von China sein, wenn das ein Zufall ist!“ lachte er dann und rief Richtung Kabine:

„Eh, komm mal rauf! Wir haben Kundschaft!“

Ein sehr schmaler Weißer kam auf diese Anforderung an Deck geklettert, nahm dem Chinesen das Stück Papier aus der Hand, las die Koordinaten und nickte ganz langsam, während er Wickius aufmerksam zu mustern begann.

„Und ich will nicht impotent sein, wenn wir diese Fahrt nicht erst gestern unternommen haben. Mit einem Deutschen. Sind Sie auch Deutscher?“

Wickius nickte beklommen. Er konnte sich schon vorstellen, wer dieser Deutsche gewesen war.

Der Chinese stellte das Lachen ein und wurde geschäftsmäßig.

„Tausend US-Dollar. Und eine Warnung, mein Freund: Die Bewohner der künstlichen Insel sehen es nicht gerne, wenn ungebetener Besuch kommt. Und an dem scheint es in letzter Zeit nicht gemangelt zu haben.“

„Woher wissen Sie das?“, fragte Wickius interessiert.

Nun lachte der Chinese wieder.

„Wir sehen das. An den Haien. Wenn sich ganze Schwärme von weißen Haien um eine solche Plattform aufhalten, ist das ein untrügliches Indiz dafür, dass es dort ausreichend zu fressen gibt. Und außerdem...“ Er schielte zum dünnen Mann, der ebenfalls lachte und den Faden aufnahm –

„...und außerdem treiben rund um die künstliche Insel gewisse...äh...Körperteile, die von den Haien verschmäht werden. Sind halt Feinschmecker. Schweißfüße mögen sie nicht.“

Wickius schluckte. Doch es gab kein Zurück.

Bis zur Abfahrt der „Californian Dream“ – „Wir bevorzugen die Dunkelheit“, hatte der Chinese gesagt und Wickius ihm beigepflichtet – erkundete der Kommissar die Stadt. Sie war langweilig. Südseetypen in Hawaii-Hemden lungerten an Straßenecken und pfiffen übergewichtigen Südseemädchen, mit Blumenketten behängt, nach, die Hulahula-tanzend um Touristen scharwenzelten. Eine üble Bretterbude offerierte „Rüdiger’s famous sausages“, Untertitel: „The very best Frankfurters outside of Wiesbaden“, doch Wickius entschied sich für ein Fischbrötchen in der auch hier nicht fehlen dürfenden NORDSEE-Filiale.

Es war mit einem Schlag dunkel geworden. Seit einer Stunde fuhr die „Californian Dream“ auf dem großen Meer, der Chinese, eine dicke Zigarre im Mundwinkel, am Steuer, stumm, nur manchmal traf sich sein Blick mit dem des Dünnen, und Wickius schien es, als würden sie sich köstlich amüsieren. Angst hatte er keine. In seinem Umhängebeutel ruhte Vaters alter Wehrmachtsrevolver, „Stalingrad-proofed“, und außerdem wusste er längst, wer die beiden Schiffseigner waren. Keine harmlosen Burschen, das beileibe nicht, aber doch irgendwie zu den „Guten“ gehörend. Meine Leser, dachte Wickius, verbittert, wären hier mal wieder überfordert.

Der Dünne, der die ganze Zeit mit gekreuzten Beinen auf dem Kajütendach gesessen und über die ruhige See gestarrt hatte, sprang nun an Deck und ließ sich neben Wickius nieder.

„Mister“, flüsterte er, „mich geht das alles ja nichts an...aber sollten wir nicht umkehren? Sie kriegen auch 500 von Ihren 1000 zurück, Ehrensache.“

Bestimmt schüttelte Wickius den Kopf.

„Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss. Täte er es nicht, wäre er ja eine Frau.“

Der Dünne zog nachdenklich an seiner Selbstgedrehten.

„Yeah, das ist ein weises Wort. Aber die Insel bringt Unglück. Nur ein Schiff ist dort willkommen, die „Cindy Cat“, ganz neu im Hafen, keiner weiß, wem sie gehört. Dreimal die Woche schafft sie komische Leute rüber. SEHR komische Leute. Viele rothaarige Frauen dabei und bleiche, ausgezehrte Typen.“

„Interessant.“

„Yeah. Sollen wir Sie wieder abholen? Den anderen Deutschen nehmen wir in zwei Tagen auf – wenn er rechtzeitig am Treffpunkt erscheint.“

Der Dünne lachte und hustete.

„Natürlich“, bestätigte Wickius. „Ich werde in zwei Tagen ebenfalls dort sein.“

„Yeah. Macht noch mal 1000. Im Voraus, Sie verstehen.“

Wickius verstand. Er zahlte, und der Dünne stand auf, verschwand unter Deck. Wickius sah hinaus aufs Meer, die glitzernde Unendlichkeit. Die Stimme des Chinesen riss ihn aus seinen Betrachtungen.

„Da vorne. Sehen Sie?“

Wickius sah. Etwas sehr Dunkles, Flaches, sah gar nicht wie eine Bohrinsel aus. Und Palmen wuchsen darauf.

„Und wo ist die künstliche Insel?“

„Das IST die künstliche Insel“, lachte der Chinese. „Sie sieht nur nicht wie eine aus. 800 Meter lang, 230 Meter breit. Wir werden eine Bucht ansteuern, die offenbar nicht vom elektronischen Überwachungssystem erfasst wird. Dort nehmen wir Sie in zwei Tagen – in GENAU zwei Tagen – auch wieder auf. Halten Sie sich bereit. Die letzten fünfzig Meter bis zum Strand müssen Sie durchs Wasser. Aber es ist nicht tief. Keine Haie. Jedenfalls keine, die uns namentlich bekannt wären.“

Er lachte und hustete abermals. Wickius tastete nach der Waffe in seinem Beutel und stand auf. Die Insel kam näher. Kälte ging von ihr aus, Eiseskälte. Mitten in der Südsee.

dpr

30. Juli 2007

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