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Roger Graf: Die Frau am Fenster

Krimileser sind faule Gesellen; so wie alle Menschen, die anderen gerne bei der Arbeit zusehen. Wie sich ein wackerer lonely wolf durch den Großstadtdschungel schlägt und dabei selbst geschlagen wird, physisch und psychisch, aber das ist last year’s model, gewissermaßen, aktuell – seit mehreren Jahren, seien wir genau – schaut man lieber gleich ganzen Abteilungen von Kriminalpolizei beim Arbeiten zu. Und weil es so bequem ist, schauen wir dabei auch den Menschen bei ihrer Geistes- und Seelenarbeit zu; und weil es am allerbequemsten ist, werfen wir auch noch einen Blick auf die uns mundgerecht zugeschnittene Gesellschaft. Voila, das nennt man Police Procedural nach Mankell.

Oder: Zu dieser Form von Arbeitsverweigerung ist der ehrwürdige Polizeiroman in der Tradition Ed McBains und der Doppelschweden Sjöwall / Wallöö verkommen. Der windschnittige PP bietet uns heutzutage alles, und all das in seiner banalsten Form. „Authentisches Ermitteln“, Psychogramme im Dutzend, Gesellschaftsanalyse als moralische Sättigungsbeilage. Natürlich gibt es Ausnahmen: Norbert Horsts Romane, gelungene Mixturen aus Inhalt und Form; Pieke Biermanns Krimis, als intelligentes und flexibles Erzählen plötzlich Eingang in die deutsche Krimitristesse fand. Aber sonst? Schweigen wir. Widmen wir uns Roger Grafs „Die Frau im Fenster“.

Der beginnt mit einem für Autor und Verlag überhaupt nicht witzigen Malheur, das dereinst dazu führen wird, dass windige Detektive von schönen Antiquariatsverkäuferinnen die Erstausgabe von Frau am Fenster mit dem Druckfehler auf Seite 5 verlangen werden. Das erste Auftauchen eines Exempels pränataler Zeugung in der Literatur, mehr sei nicht verraten. Es ist aber immer schön, wenn die Lektüre mit einem Lacher beginnt.

Der Roman macht uns mit Damian Stauffer, einem Zürcher Polizisten bekannt, der gerade eine neue Abteilung übernommen hat. Und natürlich mit seinen KollegInnen, von denen ein jeder, eine jede irgendwie – wir befürchteten es sofort – für einen bestimmten Typus Mensch steht. Da haben wir den erfahrenen Praktiker, den leider ein wenig versoffenen Außenseiter, die Kokserin, den fickrigen Jungspund, die verständnisvolle, auch erotisch attraktive alleinerziehende Mutter – und Stauffer selbst, Eigenbrödler, schwerer Nachdenker, Selbstzweifler.

Ein Mord ist geschehen. Bankbeamter, kein Motiv, keine richtige Spur. Die Arbeit beginnt. Kleinarbeit, viele Irrwege, Sackgassen, Theorien. Ein zweiter Mord geschieht, runtergekommener Säufer, kein Motiv, keine richtige Spur Die Arbeit verdoppelt sich. Kleinarbeit, viele Irrwege pp. Es stellt sich heraus, dass beide Morde zusammengehören, von einem Täter begangen worden sein müssen. Die Arbeit verdreifacht sich. Kleinarbeit...

Und so weiter. Aber wir bleiben dran. Denn überraschenderweise werden die ersten und gar nicht zu überhörenden Alarmsignale, die auf ein weiteres Exempel des oben geschilderten Polizeiromans schließen ließen, mit jeder Seite, die wir lesen, leiser und irgendwann ist es ganz still. Roger Graf nämlich ist ein Fuchs. Unsere Befürchtung etwa, in einen üblichen „Gesellschaftskrimi“ zu geraten, bewahrheitet sich nicht. Die Beamten der Mordkommission, all diese „Typen“, bleiben mit ihren plakativen Problemen schön im Hintergrund, wagen sich aber manchmal hervor und denken ein paar Sätze. Das ist beinahe Perspektivwechsel, jedenfalls eine hübsche Collagetechnik, ohne die Leute zu überfordern.

Auch was „das Gesellschaftliche“ betrifft, nervt uns Graf nicht mit irgendwelchen Statements irgendwelcher Leute. Der erste Mord geschieht im Angestelltenmilieu, der zweite in dem der Gestrandeten, der Gefährdeten. Das eignet sich für einen eleganten Querschnitt durch die schweizer Gesellschaft.

Der Kriminalfall selbst ist verzwickt und bedeutet, bis er endlich gelöst wird, tatsächlich viel Arbeit für die KollegInnen. Aber das Tatmotiv wird zwingend hergeleitet, dramaturgisch geschickt das Ganze, sprachlich mit manch hübschem Gedanken Stauffers garniert, der immer im Zentrum des Geschehens steht.

Also: Das ist mal wieder ein gelungener Polizeiroman, einer, bei dem man anderen zuguckt, aber auch selbst ein wenig arbeiten muss. Grafs Buch gibt einem ansonsten schon zuschanden genormten Subgenre neue Hoffnung.

dpr

Roger Graf: Die Frau am Fenster. Pendragon 2008. 416 Seiten. 12,90 €

10. April 2008

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