News & Texte & Kolumnen
Aktuell 20030Einträge
Zeichnungen & Fotos
Altlasten aus 15 Jahren
Krimilinks
Hier
wtd - die Zeitschrift
→Übersichtsseite
Aktuelle Ausgabe:
→ wtd 4: PDF
→wtd 4: DOC.
*******
Rezensionen 2006
Rezensionen 2005
Die lachenden Detektive
*******
DIE GLORREICHEN SIEBEN:
Favoriten 2009
John Harvey: Tiefer Schnitt
Uta-Maria Heim: Wespennest
Christian Pernath: Ein Morgen wie jeder andere
Vamba Sherif: Geheimauftrag in Wologizi
Andrea Maria Schenkel: Bunker
Rex Miller: Im Blutrausch
Monika Geier: Die Herzen aller Mädchen
*******
Krimischaffen
Wir lernen Computer
Dort
Criminalbibliothek
Krimikultur Archiv
Martin Compart
Krimi-Depeschen
Le Véro
Bernd Kochanowski
Europolar
Axel Bussmer
Propellerinsel
Krimiblog
Ingeborg Sperl
Text und Web
Kaliber 38
Krimilady
Frauenkrimis
Krimikiste
Notizen und Texte
Astrid Paprotta
Krimi-Couch
Krimizeit
Krimi.Krimi
Jan Seghers
Georg
Crime Time
Crime Culture
Krimisalon Tübingen
Jürgen Albertsen
Saarkrimi
Hinternet durchsuchen:
Monatsarchive:
Rubriken
Die aktuellsten Kommentare
• Kle: ach. Dann hat ja das Gratisangebot ab morgen auch keinen Sinn mehr, wäre schofelig danach zu fragen,
(mehr...)
• Ria: Auch wenn du nächstes Jahr die Krimikritik-Diktatorenschaft nicht an dich reißen kannst, weil da der
(mehr...)
• Ria: Klingt wie der Titel eines epischen Dramas:
'Der mit den Eiern tanzt'
(mehr...)
• dpr: Liebe LeserInnen, wenn das der letzte Beitrag von wtd ist, den ihr sehen könnt, dann müsst ihr <a hr
(mehr...)
• dpr: Kann man machen. Ist aber problematisch, wenn man zuerst die Abbdruckgenehmigung praktisch aufdrängt
(mehr...)
• Kle: "Nie hätte ich gedacht, dass sich die Rechte an einem Cover an die Lieferbarkeit eines Titels knüpfe
(mehr...)
• Peter J. Kraus: Egal, was Rowohlt mag oder nicht mag: ich erkläre hiermit meine Titelabbildungen zu beliebig verwend
(mehr...)
• Ria: Aber die Frage war doch, was musst du tun, um als Krimiautor mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.
Mag sc
(mehr...)
• dpr: Hm, Ria, das ist jetzt aber arg feuilletonistisch... Sollten wir den bösen Bubis nicht Fingerchen ma
(mehr...)
• Ria: Wir machen Folgendes:
Ein Buch, in dem wir messerscharf nachweisen, dass die Feuilletonisten uns gei
(mehr...)
Natsuo Kirino: Teufelskind
In ihrer japanischen Heimat gilt Natsuo Kirino als "Tabubrecherin". Nun sind solche Etikettierungen natürlich mit Vorsicht zu genießen (das größte Tabu scheint es zu sein, keines brechen zu wollen), vor allem dann, wenn die so Genannte der Liebling des Publikums und der Kritik ist. Dass Kirino ein für Japan heißes Eisen angefasst hat, sei ihr aber bescheinigt. Schon in "Die Umarmung des Todes", mit dem sie international bekannt wurde, wird die traditionelle Rolle der Frau genüsslich und kompromißlos dekonstruiert und zur bedrohlichen Collage aus Trauma, Verdrängung und latenter Gewalt montiert. "Teufelskind" setzt diese Arbeit fort.
Die Geschichte von Aiko Matsushima ist traurig. In einem Bordell geboren, elternlos, von den Insassinnen des Freudenhauses gequält, ein paar weiße Schuhe der Mutter (mehr kennt Aiko von ihr nicht), sind der wichtigste Besitz des Kindes, es redet sogar mit ihnen, nennt sie Mama. Der weitere Lebensweg ist in seiner Grausamkeit vorgezeichnet: Pflegefamilie, Bordell, billige Jobs, kleine Gaunereien. Zum titelgebenden Teufelskind wird Aiko aber dadurch, dass sie Menschen, die ihr im Weg stehen, einfach ermordet. Und so zieht sich eine Spur der Gewalt durch den Roman. Aiko ist noch immer das traumatisierte und geschundene Kind, sie hat sich nicht weiter entwickelt oder, wie es Kirino in einem schönen Bild ausdrückt, ihr Leben gleicht einem Heft, in dem ständig herumradiert wird, der Inhalt gelöscht und durch einen anderen ersetzt. Nichts baut auf anderem auf, keine Kontinuität, kein Lernen.
Das ist sehr hart und nüchtern erzählt, gibt aber nur einen Teil der Qualitäten des Buches wieder. Einen anderen findet man in den Beschreibungen jener Menschen (zumeist Paare), die Aiko töten muss oder die sonst in ihrem Leben eine Rolle spielten. Eine Art Mutter-Sohn-Ehe mit merkwürdigen Ritualen (das Ehemann-Baby bekommt die Windeln gewechselt und das Schwänzchen gelutscht), ein alter Mann, der die Kleider seiner bettlägrigen, ständig keifenden Frau aufträgt, eine zur Arbeitsmaschine Herangezogene, zu schweigen von den üblichen Betrugsgeschichten, wie sie auch in fernöstlichen Ehen zum Alltag gehören dürften. So hat man sich die japanische Familie nicht vorgestellt, und dass Kirino hier bewusst überzeichnet und karikiert, versteht sich von selbst. Wer sich mit dem Personal von Romanen "identifizieren" möchte und lieber "normale Menschen aus Fleisch und Blut" kennenlernt, ist hier fehl am Platz.
Alle anderen jedoch werden mit einer dichten Story belohnt, die die Wucherungen einer nur an der Oberfläche gesunden Gesellschaft betont und das mit äußerster Flexibilität der Erzählperspektive. Wenn von Aiko in der dritten Person erzählt wird und sie dann selbst zu Worte kommt, kann es sein, dass es dann, wenn sie schweigt, in ihr weiter redet, desöfteren wird sie aus dem Blickwinkel anderer geschildert, die dabei ihr eigenes Leben entrollen.
Am Ende ereilt Aiko, natürlich, die gerechte Strafe. Und man weiß, dass es wieder einmal die Falschen getroffen hat. Indem sie stirbt, wird Aiko "zum Buddha", zum Symbol eines skandalösen Zustandes auch.
P.S.: Schön, dass der Verlag uns am Ende auch ein Porträt der Autorin von Elke Kreil spendiert hat. Die aus der metro-Reihe geschätzte Dienstleistung scheint sich allmählich, wenn auch ganz langsam, zum Standard zu entwickeln.
dpr
Natsuo Kirino: Teufelskind (I'm sorry, mama, 2004. Aus dem Japanischen von Frank Rövekamp). Goldmann 2008. 222 Seiten. 17,95 €
3. Dezember 2008
* * *
↑ Weblog-Index
← Watching the detectives:
Krimijahr 2008 - ein Rückblick II
→ Watching the detectives:
Herrn Menke schauderts