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Qiu Xiaolong: Blut und rote Seide

Jetzt ist, wie vieles andere aus dem Westen, auch der Serienmörder in China angekommen. Und zwar mit allen bekannten Schikanen, makabere Leicheninszenierungen inklusive. So weit, so langweilig. Qiu Xiaolong macht aus den bekannten Mustern jedoch ein höchst gelungenes Stück Kriminalliteratur, dessen Objekt des Interesses China selbst ist.

Oberinspektor Chen Cao hat sich eine Auszeit genommen, um einen Universitätsabschluss in Literatur zu machen. Die "femme fatale" in der klassischen chinesischen Literatur, so lautet das Thema. Aber er kommt nicht zur Ruhe. Einen politisch delikaten Fall von Immobilienspekulation und Korruption möge er sich näher betrachten, verlangen seine Vorgesetzten, und dann findet man die Leiche einer jungen Frau im roten qipao, dem engen langen Kleid ehedem "bourgeoiser" chinesischer Tradition. Die Frau liegt mitten in Shanghai, unter dem Kleid nackt, barfüßig, möglicherweise sexuell missbraucht. Auftakt zu einer Mordserie, die die Stadt in Atem hält und bei deren Opfern es sich um junge Mädchen handelt, die im "Unterhaltungsgewerbe" tätig sind.

In präziser und anstrengender Kleinarbeit nähern sich Chen und sein Mitarbeiter Yu der Wahrheit. Die liegt, auch das unterscheidet "Blut und rote Seide" kaum von westlichen Exemplaren der Serienmörder-Schematik, in der Vergangenheit und läuft auf frühe Traumatisierung des Täters hinaus, natürlich streng sexuell unterfüttert. Warum das bei Qiu dennoch zum schlüssigen und originellen Roman taugt, hat vor allem zwei Gründe.

Zunächst einmal Chen selbst. Mit ihm hat Qiu eine komplexe, weil in sich gebrochene Serienfigur geschaffen, den feingeistigen Dichter, der umständehalber bei der Polizei gelandet ist, den skrupulöse Moralisten, dem doch nichts anderes übrigbleibt, als mit den Vertretern der allgegenwärtigen und mächtigen Kommunistischen Partei zu paktieren. Das ist etwas anderes, viel Handfesteres als die hierzulande mit Vorliebe aufgefahrenen "inneren Dämonen", in Chen vereinigen sich die widersprüchlichen Werte eines Landes, das bei aller Annäherung an westliche Standards noch tief in der Tradition des Konfuzianismus einerseits und der des sozialistischen Ideals und seiner eher despotischen Praktiken steckt.

Schön auch, wie Qiu seinen Oberinspektor zwischen diesen beiden Polen agieren lässt. Während er die konfuzianischen Klassiker studiert und Erkenntnisse gewinnt, die der Lösung des Falles dienen, versucht er sich auch in Freudianischer Psychologie, wenngleich die dem chinesischen Charakter fremd ist. Immer aber muss Chen jeden seiner Schritte überlegen, sich der Auswirkungen bewusst sein.

Der andere Grund, warum "Blut und rote Seide" gelingt, liegt im Fall selbst. Der reicht, wie gesagt, zurück in die Jugend des Täters, in die Zeit der Kulturrevolution mit ihren brutalen Auswüchsen. Die sind, das zeigt die Figur des Mörders deutlich, noch lange nicht vergessen oder gar verarbeitet, unter der Schale des modernen, erfolgreichen Chinesen lauern die Traumata auch weiterhin.

Den Täter überführt Chen schließlich bei einem Abendessen, das durch "grausame Speisen" bestimmt wird (und dem westlichen Leser wird sich so manches Mal der Magen dabei herumdrehen). Es ist ein Gespräch, in dem noch einmal Vergangenheit und Gegenwart, politisches Kalkül und kriminalistische Taktik aufeinandertreffen. Mit einem sehr chinesischen Ende.

"Blut und rote Seide" liefert den Beweis, dass die Muster des Serienkillerkrimis die Konfrontation mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht nur aushalten, sondern diese Wirklichkeit zum Nutzen des Lesers erhellen können. Und das ist schon ein ganze Menge.

dpr

Qiu Xiaolong: Blut und rote Seide. Oberinspektor Chens fünfter Fall. Zsolnay 2009 (Red Mandarin Dress, 2007, deutsch von Susanne Hornfeck). 378 Seiten. 19,90 €

26. Februar 2009

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