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Überlegungen zum Polizeiroman

Man kann das Krimigenre recht übersichtlich nach den Tätigkeiten der Protagonisten sortieren. Da gibt es Detektive und Polizisten und Helden, die berufsmäßig nichts mit Verbrechen zu tun haben, durch Zufall oder Fügung aber in solche geraten. Beschäftigen wir uns heute ein wenig mit dem qua Profession in Verbrechen verstrickten – und zumeist verbeamteten – Personal, den Polizisten und der ihnen angemessenen Krimiform, dem Polizeiroman, auch "police procedural".

Nicht jedes Buch, in dem Polizisten als Protagonisten agieren, ist ein Polizeiroman. Man wird aus durchaus unterschiedlichen Gründen weder die Bücher von Derek Raymond oder Georges Simenon oder Janwillem van der Wetering oder Friedrich Ani dazuzählen können, wenngleich auch dort das eigentlich Charakteristische eine mehr oder weniger große Rolle spielt: die Prozedur ("procedural") der Fallaufklärung selbst. Die Ausgangssituation ist stets die gleiche: Ein Verbrechen geschieht und soll von einer Gruppe Polizisten aufgeklärt werden. Dies geschieht "realistisch", Schritt für Schritt, aus der Gruppe schält sich zumeist ein Protagonist heraus, der eigentliche Held.

Ed McBains Geschichten um das 87. Polizeirevier gelten gemeinhin als Blaupause des Subgenres, populär wurde es in Deutschland aber wohl erst durch die zehnbändige Reihe von Sjöwall / Wahlöö in den Sechziger und Siebziger Jahren, später nochmals aufgefrischt durch den geschickten Epigonen Henning Mankell. Wobei "Epigone" ein wenig hart sein dürfte, denn im Grunde führte Mankell nur fort, was Sjöwall / Wahlöö aus der McBain-Vorlage herausarbeiteten. Der Polizeiroman enthält drei Hauptelemente, die in wechselnder Dosierung und dramaturgischer Verknüpfung zwangsläufig verwendet werden: die Polizeiarbeit des Teams selbst, bei der man besondere "Authentizität" erwartet, Einblicke in die Gedankenwelt der Ausführenden sowie die Zeichnung des soziopolitischen Umfelds, in dem agiert wird. Wie man hier gewichten kann, zeigt schon die Entwicklung bei Sjöwall / Wahlöö selbst, die mit einer beinahe in Reinkultur vorgeführten Ermittlungsprocedere beginnen und dann in der bitter humoristisch erhöhten politischen Wirklichkeit enden. Andere wiederum konzentrieren sich – zumeist in der Tradition Mankells – auf die Seelenabgründe der Handelnden selbst und spiegeln dort die Tat und ihr gesellschaftliches Umfeld.

Die Qualität dieser Mixtur macht den Unterschied – sowie die spezifischen Beigaben zur Verfeinerung der literarischen Grundmahlzeit. Wer die Vermengung der drei Hauptelemente in Perfektion erleben möchte, sei an John Harvey verwiesen. Im kürzlich bei dtv wiederveröffentlichten Fall für das Team um Charlie Resnick, "Tiefer Schnitt", harmonisieren das Prezedurale, das Psychologische und das Gesellschaftliche auf eine so perfekte Weise, dass man das eine niemals zu Gunsten eines anderen Elementes ausspielen könnte. Sie sind untrennbar verbunden, ein mit sehr viel Liebe und noch mehr Können geschmiertes Räderwerk. Das mag nicht "innovativ" sein, kommt jedoch dem Idealbild eines Polizeiromans so nahe, dass nachfolgende Generationen von AutorInnen gar nicht anders können als sich etwas Neues einfallen zu lassen, wollen sie Harvey nicht einfach imitieren.

Nicht zu imitieren sind auch die Polizeiromane von Reginald Hill, wenngleich aus anderen Gründen als die Harveys. Sein Team um die beiden Protagonisten Dalziel und Pescoe agiert offensichtlich auf einer anderen, erhöhten Ebene, die die genannten Grundelemente des Subgenres verzerrt. Kein Mensch käme auf die Idee, den Maßstab des "Authentischen" an die geschilderte Polizeiarbeit zu legen. Sie ist, ganz offensichtlich, nicht von dieser Welt, durchsetzt mit Komik und literarischen Anspielungen, aber solide genug, um sowohl das Politische als auch das Private tragen zu können. Denn, ja doch, Hill ist selbst in den absurdesten Situationen ein genauer Beobachter der Psyche und der Gesellschaft. Ungewöhnlich jedoch die Farbe des Glases, durch das alles betrachtet wird. Es ist der Blick des Autors, dem wir folgen.

Ganz anders – und doch wieder nicht – bei Norbert Horst. Gerade von ihm, dem gelernten Polizeibeamten, würde man in puncto Authentizität eher die dokumentarische Nüchternheit der "Dragnet"-Tradition erwarten, und er liefert sie auch – aber sowohl stilistisch als auch dramaturgisch ebenfalls gefärbt, hier durch den hochsubjektiven Blick des Protagonisten. Die Ebene des Privaten wird zum Sieb, durch das sowohl die eigentliche Prozedur als auch die Handelnden und die Gesellschaft gepresst werden müssen. Was hier zählt, ist nicht unbedingt die Mixtur selbst, sondern die für ihre Herstellung verantwortliche Apparatur.

Wieder ganz anders: Horst Eckert. Sein neuer Thriller "Sprengkraft" ist nur bedingt ein Polizeiroman. Das Primat der Prozedur teilt sich seine Lenkfunktion mit den beiden anderen Hauptelementen, dem Privaten, Psychologischen und dem Gesellschaftlichen, Politischen. Letzteres ist der eigentliche Kern. "Sprengkraft" gründet sich auf Fakten, wie man sie bequem jeder Tageszeitung entnehmen kann. Diese Fakten neu zu ordnen, einen spannenden Krimi daraus herzustellen, ist Eckerts Hauptanliegen. Und er ist schlau und versiert genug, sich im Teil dieser Anstrengung auf eine zentrale Erkenntnis aller modernen Polizeiromane zu konzentrieren: Der Polizist ist weder gut noch böse, er ist auch nur ein Mensch. In ihm spiegelt sich im Kleinen, was der große Rahmen bereits vorgibt: Polizisten sind keine Aufklärungsmaschinen, sondern teilweise vertrackte, ja, verkorkste Persönlichkeiten, die in einer ebensolchen Umwelt zu agieren haben.

Genug für heute. Was hier zu den aktuellen Romanen von Harvey und Eckert angedeutet wurde, wird demnächst etwas ausführlicher begründet werden. Der Polizeiroman im Allgemeinen mag in seinen Grundstrukturen nur wenig modifierbar sein. Seine Flexibilität ist dennoch beachtlich – und abhängig von der Flexibilität seiner schöpfenden Kraft. Was nun gar nicht überraschend ist.

dpr

29. Mai 2009

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