Watching the detectives Zur Startseite

Zufallsgrafik von R. Wünsch

Blog

News & Texte & Kolumnen

Historischer Kalender

Aktuell 20658Einträge

Galerie

Zeichnungen & Fotos

Archiv

Altlasten aus 15 Jahren


 

Krimilinks

Hier

wtd - die Zeitschrift
Übersichtsseite
Aktuelle Ausgabe:
wtd 4: PDF
wtd 4: DOC.


*******

Rezensionen 2006
Rezensionen 2005
Die lachenden Detektive

*******
DIE GLORREICHEN SIEBEN:
Favoriten 2009

John Harvey: Tiefer Schnitt
Uta-Maria Heim: Wespennest
Christian Pernath: Ein Morgen wie jeder andere
Vamba Sherif: Geheimauftrag in Wologizi
Andrea Maria Schenkel: Bunker
Rex Miller: Im Blutrausch
Monika Geier: Die Herzen aller Mädchen

*******

Krimischaffen
Wir lernen Computer

Dort
Criminalbibliothek
Krimikultur Archiv
Martin Compart
Krimi-Depeschen
Le Véro
Bernd Kochanowski
Europolar
Axel Bussmer
Propellerinsel
Krimiblog
Ingeborg Sperl
Text und Web
Kaliber 38
Krimilady
Frauenkrimis
Krimikiste
Notizen und Texte
Astrid Paprotta
Krimi-Couch
Krimizeit
Krimi.Krimi
Jan Seghers
Georg
Crime Time
Crime Culture
Krimisalon Tübingen
Jürgen Albertsen
Saarkrimi

Hinternet durchsuchen:


Monatsarchive:


Rubriken

Die aktuellsten Kommentare

• Kle: ach. Dann hat ja das Gratisangebot ab morgen auch keinen Sinn mehr, wäre schofelig danach zu fragen, (mehr...)
• Ria: Auch wenn du nächstes Jahr die Krimikritik-Diktatorenschaft nicht an dich reißen kannst, weil da der (mehr...)
• Ria: Klingt wie der Titel eines epischen Dramas: 'Der mit den Eiern tanzt' (mehr...)
• dpr: Liebe LeserInnen, wenn das der letzte Beitrag von wtd ist, den ihr sehen könnt, dann müsst ihr <a hr (mehr...)
• dpr: Kann man machen. Ist aber problematisch, wenn man zuerst die Abbdruckgenehmigung praktisch aufdrängt (mehr...)
• Kle: "Nie hätte ich gedacht, dass sich die Rechte an einem Cover an die Lieferbarkeit eines Titels knüpfe (mehr...)
• Peter J. Kraus: Egal, was Rowohlt mag oder nicht mag: ich erkläre hiermit meine Titelabbildungen zu beliebig verwend (mehr...)
• Ria: Aber die Frage war doch, was musst du tun, um als Krimiautor mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Mag sc (mehr...)
• dpr: Hm, Ria, das ist jetzt aber arg feuilletonistisch... Sollten wir den bösen Bubis nicht Fingerchen ma (mehr...)
• Ria: Wir machen Folgendes: Ein Buch, in dem wir messerscharf nachweisen, dass die Feuilletonisten uns gei (mehr...)


La protagoniste inconnue

Wenn man schon nicht die Finger von den Maigret-Romanen lassen kann und manche Neuerscheinung deshalb zum Mauerblümchen wird, dann sollte man die Lesefrüchte auch schriftlich festhalten. Diesmal führen sie uns weg von den Verbrechen ins ganz normale Ehedasein und seine Abgründe...

"Maigret und das Gespenst" gehört zu den konventionelleren Abenteuern des Pariser Kommissars. Auf Inspektor Lognon, genannt "Inspektor Griesgram", den notorischen Pechvogel, wird ein Mordanschlag verübt. Und – deshalb "konventionell" – auch genreüblich aufgeklärt. Das Besondere an diesem Roman ist die Rolle einer Person, deren Unauffälligkeit in der Maigret-Saga beinahe sprichwörtlich geworden ist.

Über Madame Maigret weiß man wenig. Sie ist Teil von Zeremonien. Steht der Kommissar morgens auf, bringt ihm seine Frau eine Tasse Kaffee ans Bett. Hat Maigret Feierabend, gibt es ein gutes Abendessen und man setzt sich vor den Fernseher. Ab und an geht man ins Kino. Schafft es Maigret nicht zu den häuslichen Mahlzeiten, informiert er seine Frau telefonisch, nicht mit dem Essen auf ihn zu warten und lässt sich statt dessen vom Kellner der nahen Brasserie Dauphine mit Bier und Sandwichs versorgen. Kurz: Madame Maigret funktioniert in allen Lebenslagen. Wir wissen, dass sie aus dem Elsass stammt, Kontakt zu ihrer Schwester hat, kinderlos ist. Eine interessante Biografie sieht anders aus. Frau Maigret – Pardon, Madame – bleibt reichlich blass. Von sich aus fragt sie ihren Mann selten nach dem aktuellen Fall. Und Maigret gehört nicht zu denen, die privat gerne über ihre Arbeit reden. Als Leser wartet man ständig darauf, dass sie einmal mit der Faust auf den Tisch haut, "ausbricht", opponiert. Allein: Man wartet vergebens. Also: Was sollen wir uns näher mit ihr beschäftigen? Sie ist eine Nebenfigur, Staffage.

Nicht so in "Maigret und das Gespenst". Dort geht es um Ehepaare und ihre Arrangements. Lognon, das Opfer, ist mit einer kranken Frau verheiratet, die er nach Dienstschluss aufwendig pflegen muss. Wir erfahren aber, dass die Krankheit der Frau eingebildet ist, eine Art Trotzreaktion auf die Enttäuschung über das mangelnde berufliche Fortkommen Lognons. Anders verhält es sich bei dem reichen holländischen Kunstsammler Jonker und seiner bedeutend jüngeren, natürlich betörend schönen Frau Mirella. Sie führen eine "offene Ehe". Beide Paare haben sich augenscheinlich arrangiert, so wie sich auch die Maigrets arrangiert haben.

Und dennoch ist es bei den Maigrets anders. In "Maigret und das Gespenst" wirkt Madame aktiv mit. Sie betreut die "kranke" Frau Lognons und sammelt dabei wichtige Informationen. Die Routine der Ehe gerät ins Wanken, als Maigret seine Frau – zum Mittagessen in ein Lokal einlädt:

"Sie traute ihren Ohren nicht. Wenn sie – an einem Samstag oder Sonntag – überhaupt jemals im Restaurant aßen, dann so gut wie nie zu Mittag, schon gar nicht, solange eine Untersuchung im Gange war. (...) Besonders Madame Maigret war in höchst angeregter Stimmung, ihre Augen strahlten mehr als sonst, und ihre Wangen röteten sich, während sie sprach. Wenn Sie zu Hause aßen, redete vor allem er, weil sie nichts Interessantes zu erzählen hatte. Jetzt aber wusste sie, dass sie ihm nützlich war."

Man kann sich nicht des Eindrucks einer gewissen, ins Komische schwappenden Tragik erwehren. Madames tristes Dasein erhält plötzlich einen Sinn, Monsieur hat sich herabgelassen, ihr zuzuhören, ja, er nennt ihre Informationen gar nützlich. "Sie sah ihn an, ungläubig noch und trotzdem beglückt. Das Mittagessen bei 'Manière' sollte eine ihrer schönsten Erinnerungen werden." Arme Madame...

Im weiteren Verlauf der Handlung begegnen wir Madame immer wieder. Sie berichtet ihrem Mann, sie wird aber auch bei allen möglichen Gelegenheiten beiläufig erwähnt. Einmal sagt der gereizte Jonker: "Ich bin überzeugt, Monsieur Maigret, an Ihrem Privatleben würde mir ebenfalls vieles sonderbar, wenn nicht gar unverständlich erscheinen, wenn ich überraschend bei Ihnen auftauchen, jeden Winkel durchsuchen und Ihre Frau mit Fragen überschütten würde."

Recht hat er, mehr sogar als er glaubt. Das Sonderbarste erfahren wir, nachdem Maigret ein Telefongespräch mit seiner Frau beendet hat: "Er sprach sie nicht mit ihrem Vornamen an, und sie ihn nicht mit dem seinen. Er nannte sie nicht Liebling, ebenso wenig wie sie ihn. Wozu auch, da sie sich doch in gewisser Weise fühlten, als wären sie ein und dieselbe Person?"

Entbehrt nicht einer gewissen Logik – wer nennt sich schon selbst beim Vornamen oder gar Liebling? – ist aber, bei genauerer Betrachtung, ziemlich unheimlich, ja, um beim Romantitel zu bleiben, geradezu gespenstisch. Keine Frage, wer bei dieser Einswerdung auf der Strecke geblieben sein muss; Madame nämlich. Auf gewisse Funktionen reduziert (dass eine sexuelle dazugehört, kann man sich schlechterdings gar nicht vorstellen), führt sie die niederen Tätigkeiten dieses neuen Doppelwesens aus. Einerseits. Andererseits: Was wäre Maigret ohne sie? Maigret braucht seinen Rahmen, sein Geregeltes. Er ist wenigstens so abhängig von ihr wie sie von ihm.

Ein Arrangement wie bei Jonker und Lognon ist das nicht. Ein Arrangement kann man beenden, doch über dieses Stadium sind Madame und Monsieur Maigret längst hinaus. Untrennbar sind sie. So betrachtet, müssen wir uns, wenn wir vom Protagonisten Maigret reden, die Protagonistin Madame Maigret immer mitdenken. Sie ist eben die große Unbekannte in dieser Konstellation.

dpr

Georges Simenon: Maigret und das Gespenst. Sämtliche Maigret-Romane Band 62. Diogenes 2009 (Maigret et le Fantôme. 1964. Deutsch von Barbara Heller). 171 Seiten. 9 €

25. Juni 2009

* * *

Weblog-Index
← Watching the detectives: Dagmar Scharsich: Der grüne Chinese
→ Watching the detectives: Zwei Nachrichten