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Ein kriminalliterarischer Salöng

"Ach Mama!" Papa seufzt. "Im Frühjahr wolltest du Polo spielen – du durftest es. Dann war dir Polo zu langweilig und du wolltest lieber beim Unterwassertennis mitmachen. Kein Problem. Und jetzt? Einen literarischen Salon? Warum nicht Bio-Yoga oder bei der TAFEL das alte Gemüse an die Arbeitslosen verteilen?"

"Ich möchte jetzt aber einen literarischen Salon gründen", verkündet Mama resolut und sagt "Salöng", weil das aus dem Französischen kommt. "Wie die Rahel Varnhagen!"
"Musst du immer alles deinen Freundinnen nachmachen?" fragt Papa gereizt, aber am Ende gibt er natürlich klein bei, kennt man ja.
Wir haben jetzt also einen literarischen Salon, und weil Mama am liebsten Krimis liest, haben wir eben einen kriminalliterarischen Salon. Jeder muss mithelfen. Meine Schwester Georgette ist für die Schnittchen zuständig, was sie maulend zur Kenntnis nimmt. Bastian, mein großer Bruder, darf sich in einen Smoking zwängen und an der Tür den Grüßaugust für die Gäste machen. Und ich? "Du bist noch zu klein", entscheidet Mama, "wenn du wenigstens Klavier spielen könntest!" Ich heule, bis Mama weich wird. "In Ordnung, Lisa-Domenika, du ziehst dir ein schönes Kleidchen an, kämmst dir hübsch die Locken und gehst mit den Champagnertablett rum. Aber dass du mir nichts verschüttest!"

So ein kriminalliterarischer Salon ist keine Kleinigkeit. Zuerst einmal braucht man Autoren, die aus ihren Werken lesen. Dann einen Connoisseur (is auch Französisch), möglichst einen studierten, der anschließend die Diskussion leitet. Und Gäste, die diskutieren, braucht man selbstverständlich auch.
"Du kannst ja die Damen aus deinem Unterwassertennis-Verein einladen", schlägt Papa vor. Mama schaut ihn darauf so komisch an, wie sie das immer tut, wenn Papa wieder was Falsches gesagt hat. "Die Damen! Aus dem Unterwassertennis-Verein! Das ist doch nicht dein Ernst!" Die Damen lesen nämlich, fährt Mama fort, nur Krimis. "Aha", sagt Papa, "dann passts doch, oder?" Mitnichten. "In meinem Salöng wird nur KriminalLITERATUR gelesen", dekretiert Mama und schaut ganz unnachgiebig in die Runde. "Nicht dieses total kommerzielle, reißerische, kitschige Zeugs aus der Bahnhofsbuchhandlung. Keine Taschenbücher. Aber für die Auswahl haben wir dann ja unseren Cicerone."
"Unseren was?" Papa ist aber auch zu proletarisch! Mama versteht gar nicht, wie er es zum Prokuristen von Schliemann & Fils Buntbleche en gros und en détail hat bringen können.
"Unseren Zi-Zerr-Rohne!" wiederholt sie. "Das heißt so viel wie Führer. Die Claudia Brinz hat da einen süßen kleinen Germanisten an der Hand – schon älter, natürlich -, der pflegt sonst ihren Garten, ist aber immer sehr dankbar, wenn er was über Kriminalliteratur erzählen darf, Schiller und so."
"Schiller!?" Papa ist geschockt. "Du meinst doch nicht etwa diesen verstaubten..."
Mama erbleicht. "Contenance, Ernst-Albert! Ich bitte dich herzlich darum, beherrsche dich in unserem Salöng. Es muss ja nicht jeder gleich merken, dass du nur Mittlere Reife hast."

Am nächsten Tag kommt der Zi-Zerr-Rohne, so ein kleines und schon ganz schlohweißes Männchen in einem karierten Anzug mit Fliege. Er macht einen Bückling und küsst Mamas Hand. Mama ist hingerissen. Ein Intellektueller! Mit Manieren! Er heißt übrigens Bruno Deutlich, DOKTOR Bruno Deutlich und hat über "Das ästhetische Prinzip in den Werken von Gustav Freytag und Chester Himes" promoviert. Behauptet er jedenfalls. "Das ist ja PRI-MA!" flötet Mama, "genau das, was wir suchen! Und Herr Freytag würde eventuell bei uns aus seinem neuen Kriminalroman lesen?"
Das nun vielleicht doch nicht, sagt Herr Deutlich und räuspert sich. Er schlage sowieso vor, einen Autor mit Migrationshintergrund zu nehmen, den Herrn Nwolinga aus dem Kongo könne er vorschlagen oder die Frau Br... (den Namen hab ich nicht ganz verstanden) aus dem Kosovo, die schreibe über einen Massenvergewaltiger und sei wohl selbst auch vergewaltigt worden damals.
"Ach nein", sagt Mama und schielt zu mir rüber, "dann lieber den Herrn Nwolinga. Es sind doch Kinder anwesend..."

Herr Deutlich nickt. Nwolinga sei eine sehr gute Wahl, ein Erneuerer des kongolesischen Krimis, das Verbrechen nur als Appetizer für das eigentliche Anliegen: "die Unterdrückung der Frau im afrikanischen Stammeswesen. Sehr interessant, gnädige Frau!"

Jetzt, sagt Herr Deutlich weiter, werde es aber schwierig. Das Publikum. "Man kann dem Herrn Nwolinga keine Leute hinsetzen, die immer nur auf den Whodunit fixiert sind. Das wäre ein absoluter faux pas." Mama nickt betroffen. Oh ja. "Es sollten schon Kenner sein, Gnädige Frau – also – Abitur haben doch wohl alle, oder?" Mama denkt an Papa und nickt zögerlich. "Vielleicht", fährt Herr Deutlich fort, "sollte man eine kleine Vorprüfung... ich meine – etwas Schriftliches, einen lockeren dialektischen Aufsatz möglicherweise..." Mama nickt noch einmal, noch zögerlicher. Ob das nicht... die Stimmung... Herr Deutlich wird jetzt ganz ernst und schaut Mama tief in die Augen.

"Ein kriminalliterarischer Salöng, Gnädige Frau, das ist doch keine Lesung in Raum B3 der Volkshochschule! Da soll ernsthaft diskutiert werden! Über den Stand der Kriminalliteratur zu Beginn des 21. Jahrhunderts! Über neue ästhetische Konzepte beim Plotten! Über die Rolle des Infinitivsatzes im Zeitalter der Online-Kriminalität! Da müsste ein wenig Vorwissen... Sie verstehen?"

Mama versteht. Aber Prüfung? Schriftlich? Dialektischer Aufsatz? Könnte man das nicht ein wenig ungezwungener... Herr Deutlich nickt resigniert und gibt nach. "Dann eben mündlich. Veranstalten wir doch zunächst einen KENNENLERN-TEE. Das ist auch sehr gemütlich und kultiviert. Die Gäste sitzen beisammen und tunken Kekse in ihren Tee, dabei wird parliert. Über die Entwicklung der französischen Kriminalliteratur unter den zweiten Präsidentschaft de Gaulles etwa – oder warum bei Raymond Chandler nicht ein einziges Mal das Wort – Pardon – "Ficken" vorkommt, obwohl da ja gerammelt wird, dass sich die Pessare biegen. Ich leite das Gespräch und mache mir unauffällig Notizen. Wer sich als kundig erweist, wird fortan in unseren kriminalliterarischen Salöng eingeladen. So könnte man es doch machen, oder?"

Mama ist glücklich. Ja, so ist es schön! Ich gehe dann in die Küche, wo Edwige, unser französisches Aupair-Mädchen gerade ins Spülwasser weint, weil sie schwanger von unserem Chauffeur ist. Ich lasse mir ein Tablett und unsere teuersten Champagnerkelche geben und übe schon mal für unseren Salöng. Ui, das wird aufregend!

dpr

13. August 2009

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