Watching the detectives Zur Startseite

Zufallsgrafik von R. Wünsch

Blog

News & Texte & Kolumnen

Historischer Kalender

Aktuell 20626Einträge

Galerie

Zeichnungen & Fotos

Archiv

Altlasten aus 15 Jahren


 

Krimilinks

Hier

wtd - die Zeitschrift
Übersichtsseite
Aktuelle Ausgabe:
wtd 4: PDF
wtd 4: DOC.


*******

Rezensionen 2006
Rezensionen 2005
Die lachenden Detektive

*******
DIE GLORREICHEN SIEBEN:
Favoriten 2009

John Harvey: Tiefer Schnitt
Uta-Maria Heim: Wespennest
Christian Pernath: Ein Morgen wie jeder andere
Vamba Sherif: Geheimauftrag in Wologizi
Andrea Maria Schenkel: Bunker
Rex Miller: Im Blutrausch
Monika Geier: Die Herzen aller Mädchen

*******

Krimischaffen
Wir lernen Computer

Dort
Criminalbibliothek
Krimikultur Archiv
Martin Compart
Krimi-Depeschen
Le Véro
Bernd Kochanowski
Europolar
Axel Bussmer
Propellerinsel
Krimiblog
Ingeborg Sperl
Text und Web
Kaliber 38
Krimilady
Frauenkrimis
Krimikiste
Notizen und Texte
Astrid Paprotta
Krimi-Couch
Krimizeit
Krimi.Krimi
Jan Seghers
Georg
Crime Time
Crime Culture
Krimisalon Tübingen
Jürgen Albertsen
Saarkrimi

Hinternet durchsuchen:


Monatsarchive:


Rubriken

Die aktuellsten Kommentare

• Kle: ach. Dann hat ja das Gratisangebot ab morgen auch keinen Sinn mehr, wäre schofelig danach zu fragen, (mehr...)
• Ria: Auch wenn du nächstes Jahr die Krimikritik-Diktatorenschaft nicht an dich reißen kannst, weil da der (mehr...)
• Ria: Klingt wie der Titel eines epischen Dramas: 'Der mit den Eiern tanzt' (mehr...)
• dpr: Liebe LeserInnen, wenn das der letzte Beitrag von wtd ist, den ihr sehen könnt, dann müsst ihr <a hr (mehr...)
• dpr: Kann man machen. Ist aber problematisch, wenn man zuerst die Abbdruckgenehmigung praktisch aufdrängt (mehr...)
• Kle: "Nie hätte ich gedacht, dass sich die Rechte an einem Cover an die Lieferbarkeit eines Titels knüpfe (mehr...)
• Peter J. Kraus: Egal, was Rowohlt mag oder nicht mag: ich erkläre hiermit meine Titelabbildungen zu beliebig verwend (mehr...)
• Ria: Aber die Frage war doch, was musst du tun, um als Krimiautor mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Mag sc (mehr...)
• dpr: Hm, Ria, das ist jetzt aber arg feuilletonistisch... Sollten wir den bösen Bubis nicht Fingerchen ma (mehr...)
• Ria: Wir machen Folgendes: Ein Buch, in dem wir messerscharf nachweisen, dass die Feuilletonisten uns gei (mehr...)


Jim Nisbet: Dunkler Gefährte

Nein, keine literaturtheoretischen Einlassungen an dieser Stelle. Nur das: Durch viele Texte ziehen sich mehr oder weniger offene Bedeutungsstränge, die, richtig miteinander verknüpft, so etwas wie einen Subtext, ein zusätzliches Zeichen- und Bedeutungssystem ergeben. Fast immer wird dabei mit Synekdochen gearbeitet. Ganz allgemein: Das was der Text auf seiner Oberfläche aussagt, ist auf seiner Subebene entweder eine Spezifierung oder eine Verallgemeinerung – oder beides. Wenn wir z.B. Gregor Samsa als Käfer wiederfinden, geht es nicht um die Person Gregor Samsa, es geht um den Menschen an sich in seiner Entfremdung. Habe ich das erkannt, kann ich von dieser höheren Warte des Allgemeinen wieder auf das Spezielle, vielleicht auf meine eigene Situation schließen.

Und jetzt zu Jim Nisbets "Dunkler Gefährte". Dort wird mit einem sehr offenen Subtext gearbeitet, der explizit synekdochal funktioniert. Nisbet selbst verwendet das Wort in seinem Text. Wir begegnen dem indischstämmigen Kalifornier Banajhee Rolf, den gerade das schnöde Leben völlig aus der Bahn geworfen hat. Seinen Job als Chemiker hat er verloren, weil Heuschrecken seine Firma aufgekauft und für ihre Aktionäre profitabel gemacht haben. Seine Altersversicherung ist höchst gefährdet, ebenso die Ausbildung seines studierenden Sohnes. Einen neuen Job wird er nicht finden, weil Banajhees letzte ärztliche Untersuchung ein paar Herzprobleme hat offenkundig werden lassen. Seine Ehefrau fährt nach Chicago zum studierenden Sohn und will sich dort einen Job suchen. Man wird das Häuschen im teuren Kalifornien verkaufen, sich sanieren und nach Chicago ziehen. Banajhee ist allein zu Haus.

Da begegnet ihm sein Schicksal in Gestalt des etwas zwielichtigen Nachbarn Toby Pride und seiner recht freizügigen Freundin Esme. Die beiden streiten sich, Banajhee fungiert als Moderator und landet in der nachbarlichen Wohnung, wo ihn etliche härtere Getränke in eine lockere Stimmung versetzen. Dann kommt es zu einem Zwischenfall, der Banajhees Leben völlig verändert. Er setzt sich in ein Auto, verlässt Kalifornien und seine Existenz, bis sich in einem Spielkasino in Nevada sein Schicksal endgültig erfüllt.

Banajhees große Leidenschaft gilt der Astrophysik, besonders den Neutronensternen. Neutronensterne sind Objekte von extremster Dichte und mit daher ziemlich ulkigen Schwerkraftphänomen. Die physikalischen Gesetze, wie wir sie kennen, existieren nicht mehr oder in ihrer aberwitzigsten Form. Wer sich mit Neutronensternen beschäftigt, landet sehr rasch bei der Chaostheorie, die ja eigentlich eine Ordnungstheorie ist.

Und genau das ist "Dunkler Gefährte": Ein Buch über Chaos und Ordnung, das uns die unappetitlichen Einzelheiten des American Dream vorführt (die sich inzwischen ja fast eins zu eins auf Deutschland übertragen lassen), die Auswirkungen brutalkapitalistischer Mechanismen auf den Einzelnen und ihre Widerspiegelung im Großenganzen des Kosmos. Dabei werden nicht nur die Gesetze der äußeren Natur, sondern auch die der inneren, der Moral und Ethik aufgehoben oder geraten in skurrile Turbulenzen.

Das Schönste an Nisbets Buch: So offen dieser Subtext auch vor einem liegt (eine Sache, die eigentlich ziemlich langweilig werden kann), so vielseitig interpretierbar bleibt er doch. Ein synekdochales Spiel, gewissermaßen, sehr schön auch der Auftritt des alten Goldgräbers am Schluss, der uns noch einmal auf den realexistierenden Boden US-amerikanischer Ideologie zurückholt. Du machst ein Vermögen, haust es sofort auf den Kopf und gehst wieder raus, um ein neues Vermögen zu machen. Zwischendurch waschen dich ein paar willige Mädels in der Badewanne wieder sauber.

Dabei verlieren wir Banerjhee nie als Person aus den Augen, bei allen Abschweifungen ins Allgemein-Bedeutende, in die Struktur des Lebens selbst gewissermaßen, bleibt er als Subjekt kenntlich. Eine glatte Empfehlung also. Und adäquat übersetzt, auch wenn ich den Originaltext nicht kenne. Es passt aber, weil die Diktion dem entspricht, was Nisbet uns erzählen möchte, auf welcher Ebene auch immer..

dpr

Jim Nisbet: Dunkler Gefährte. Pulp Master 2010 (Dark Companion. 2006. Deutsch von Frank Nowatzki und Angelika Müller). 191 Seiten. 12,80 €

11. Januar 2010

* * *

Weblog-Index
← Watching the detectives: Kommunikationsprobleme und Neues von der Couch
→ Watching the detectives: Kathy Reichs: Das Grab ist erst der Anfang