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Twentysomethings im Blutrausch

Christopher Moore: Lange Zähne

(Goldmann)

Wenn man überhaupt schon etwas über das verwirrende Jahrzehnt der Neunziger sagen kann, dann, daß es sich um ein wirres Jahrzehnt handelt. Die siebziger und achtziger Jahre ließen sich wesentlich leichter über einen Kamm scheren: Es gab Schlaghosen und die dazu passende Musik; in den Achtzigern gab es klar definierte Szenen mit festen Determinanten: Popper sahen aus wie Popper aussehen sollten, sie hörten ihren George Michael und auch Waver und Punks blieben bei ihren Leisten. Das Jahrzehnt der Neunziger wirkt jedoch eher so wie die komprimierte Version des 19. Jahrhunderts. Es wird auf Stilelemente zurückgegriffen und der Retro-Look bildet die Basis für eine nach vorn gerichtete Entwicklung. Kurz: Es ist das Jahrzehnt im Zeichen des Crossover.

Daß sich diese Tendenz nicht ausschließlich auf die Aushängeschilder der Jugendkultur Musik und Mode beschränkt zeigt der neue Roman des Amerikaners Christopher Moore. LANGE ZÄHNE, so der Titel ist eine Mischung aus Generation X-Mythos und Gothic Novel:
Jody ist eine der typischen gebeutelten Büroangestellten, die nach Büroschluß die Straßen von Manhattan bevölkern mit ihren schicken Kostümchen, Joggingschuhe an den Füßen und Pumps im Aktenköfferchen. Ihr Leben nimmt allerdings eine ungeahnte Wendung, als sie eines abends völlig zerschlagen das Büro verläßt und in einer dunklen Seitenstraße von einem brutalen Kerl überfallen und niedergeschlagen wird. Als sie aufwacht, fühlt sie sich schlecht, besudelt, aber vor allem irgendwie anders. Sie kann Dinge sehen, die kein normaler Mensch sehen kann - und verträgt kein Sonnenlicht mehr. Die Symptome verdichten sich und kurz darauf hat sie die Gewißheit, was passiert ist: Vorher war sie nicht einmal ein Vamp, jetzt ist sie ein Vampir. Allerdings einer mit recht menschlichen Zügen und (fast) allen menschlichen Problemen, die man/frau als Twentysomething mit Männern, Jobs und Wohnungen hat. Dazu kommt allerdings ein weiteres Problem. In Manhattan treibt sich ein weiterer Vampir herum, der ihr nach dem Leben oder vielmehr dem 'Leben danach' trachtet.

In dieser Situation trifft sie Tommy, ein verkappter Schriftsteller, der seine Nächte als Ladenhüter in einem Supermarkt zubringt. Zusammen versuchen sie, dem Vampir auf die Spur zu kommen und daneben eine harmonische Zweierbeziehung aufzubauen.

Vampire sind halt auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Und besser sind die Zeiten für sie ja auch nicht geworden, wie auch schon Quentin Tarranino in FROM DUSK TILL DAWN gezeigt hat. Christopher Moore ist mit LANGE ZÄHNE eine Parodie gelungen, die genauso die Generation X-Klischees wie den Vampir-Mythos gegen den Strich bürstet. So wie sich der Roman liest, drängt sich einem der Verdacht auf, daß es sich bei dem Namen Christopher Moore um ein Pseudonym handelt, hinter dem sich das Autorengespann Douglas Coupland und Bram Stoker verbirgt. Dagegen spricht eigentlich nur, daß Bram Stoker tot ist, offiziell jedenfalls (wie Jody!) Auf der anderen Seite ist Coupland Schriftsteller mit einschlägiger McJob-Erfahrung (wie Tommy!). Ist LANGE ZÄHNE am Ende autobiographisch?
(th)

Christopher Moore
LANGE ZÄHNE
Goldmann 14,90 DM
ISBN 3-442-08143-2