Raumgestaltung Eins

Pure Improvisation

Ein alltägliches Interview war das Gespräch nicht, das ich am letzten Januarwochenende mit drei von fünf Einheiten der RAUMGESTALTUNG EINS führte. Im Wohnzimmer von Schlagzeuger J. S. kamen R. K. (Baß), M. H. (Baß), sowie meine Wenigkeit zusammen, um euch das frisch gebackene Klangprojekt mit dieser wundersamen, bedeutungsschwangeren Titulierung ein bißchen näherzubringen. Ein nicht einfaches Unterfangen. Ich meine, nicht einmal die drei Jungs, die mir gegenübersitzen, und ihre beiden abwesenden Kollegen, D. R. (Moog, Trompete) und E. H. (Gitarre), wußten bei ihrer Gründung wie sie eigentlich heißen: Raumgestaltung Eins, Raumwelt Eins, Raumpatrouille... Es waren einige Raumvarianten im Umlauf. Geschweige sind sie heute (eine Probe, einen Gig, eine CD und zwei weitere Proben später) in der Lage, ihre musikalischen Experimente in Worte zu fassen. Wenn ich dann mit der Beschreibung "moderne, ruhige Version von Spacemen 3 ohne Gesang" daherkomme, muß ich eigentlich selbst zweifeln. Wie auch immer...

Der konzeptionelle Unterschied zwischen RAUMGESTALTUNG EINS und den Bands, in denen die Fünf bisher aktiv gewesen bzw. noch sind (Nurse, Frisco So Far, Sea Empress, Supergouge, Flowers Can Burn), ist leicht zu erklären. Im Proberaum läuft nichts nach bestimmten Schemata ab. Jeder kann seine Ideen einfließen lassen. Es wird das gespielt, was einem in den Sinn kommt und innerhalb des Konglomerats ein breites Echo findet. Mit einzelnen Themen wird mitunter bis zu einer halben Stunde rumgespielt. Das wird dann mitgeschnitten und dessen Ergebnis eventuell später irgendwie und irgendwo verwertet. Es gibt halt keine Regeln, die eingehalten werden müssen. Im Gegenteil, jegliche Konventionen werden gebrochen. Was nicht unbedingt heißt, daß hier Musikgeschichte neu geschrieben oder definiert wird. Es zählt die Einheit und nicht der Baustein, obwohl jeder Stein gleichermaßen fester Bestandteil des Ganzen ist. Sollte einer mal keine Zeit für eine Probe haben, findet auch keine statt.

Raumgestaltung hinter VorhangKonsequente Einstellung. Macht aber ein regelmäßiges Proben fast unmöglich. Dennoch, lieber so, anstatt ultra professionell wie eine Maschine einen schon tausendmal durchexerzierten Prozeß runterzuleiern. Dadurch bekommt der größte Feind der Kreativität, die Langeweile, keinerlei Chance. Das wird sich auch auf der Bühne, respektive live, niederschlagen. Zum einen ist durch das Fehlen eines festgelegten Rahmens garantiert, daß jeder Auftritt, wie auch jede Probe, anders klingt und gleichzeitig genügend Raum für Improvisationen vorhanden ist. Zum anderen wird sich das Erscheinungsbild der Band unter Umständen von Gig zu Gig wandeln. Im Rahmen des Saarbrücker Design Basars spielten sie zum ersten Mal vor einem Publikum. Hier hatten sie sich hinter einer großen Leinwand versteckt. Von hinten mit grellen Strahlern beleuchtet, während vorne obskure bunt-blubbernde Öldias flimmerten. Ob nun jedesmal eine Leinwand die Zuschauer von den Musikern abgrenzen wird, ist ungewiß. Schlecht ist die Idee auf keinen Fall. Immerhin müssen sich dann die Zuschauer selbst beschäftigen und können so den Raum stärker auf sich wirken lassen, während die Band ihn in aller Ruhe gestaltet.

"Unsere Musik steht im Raum und läßt ihn anders als zuvor erscheinen", heißt es sogar. Das Livekonzept sollte wie die Musik variabel und für Improvisationen offen sein. "Der Vorhang muß nicht sein. Er bietet sich allerdings an. Wenn die Band nicht zu sehen ist, steht sie automatisch nicht im Vordergrund - dafür aber die Musik."

Stimmt! Jedoch behauptet die Band von sich, Hintergrundmusik anzubieten, der man sich einerseits leicht entziehen, andererseits auch ausliefern kann - wie und wann es einem eben paßt. Ist nicht aber die Musik dann, wenn sie einen leichten Ein- wie Ausstieg liefert, belanglos? Diese Frage lasse ich mal im Raum stehen, denn ich für meinen Begriff sehe die akkustische Umsetzung von RAUMGESTALTUNG keineswegs als Backgroundgeräusch, sondern als intelligente Musik mit viel Tiefgang.

Ganz abgesehen vom Prinzip der jetzigen Band schwebt RAUMGESTALTUNG EINS eine Ausweitung ihres Konzepts vor. So könnten auch Musiker mit gleicher experimenteller Gesinnung zu der Formation dazustoßen. Auch könnten sie sich vorstellen, sich mit Musikern aus Berlin und Hamburg auszutauschen - von Szene zu Szene sozusagen. Ideal wäre ein Pool von zehn bis 20 MusikerInnen, die inständig neuen Konstellationen unter dem Deckmantel RAUMGESTALTUNG EINS verschiedene Ideen zusammentragen würden.

Und Platten würden sie ebenfalls gerne unter die Leute bringen. "Es wäre schön, jeden Monat eine Single zu veröffentlichen. Stell dir nur mal vor, wenn die Leute sagen: 'Hey, die neue Single von Blablabla Records ist draußen. Ich bin mal gespannt, was diesmal drauf ist.' Mit RAUMGESTALTUNG würden wir den Anfang machen und danach Stücke von anderen Bands veröffentlichen." Die einzige Voraussetzung sei dann: Gut muß die Musik sein. Und die entsprechende Band muß irgendwie in das Labelkonzept passen. Schließlich hatten alle guten Undergroundlabels ihren roten Faden, siehe SST, AmRep oder Touch & Go.

(kfb)


Soundbeispiele gibt's: OneTakeRecords


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