Die Pfauenfeder

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Krimiheld der Woche 2

Name: Nestor Burma

Beruf: Privatdetektiv

Schöpfer: Léo Malet

Handlungszeit: 40er und 50er Jahre des 20. Jahrhunderts

Als Vagabund und Surrealist hat der 1909 in Montpellier geborene Malet begonnen - was immer auch man sich darunter vorstellen mag. Sein Held Nestor Burma, der "das Geheimnis k.o. schlägt", ist - und das ist KEIN Geheimnis - das alter ego seines Schöpfers: Ein im Grunde gescheiterter Idealist, den die brutale Wirklichkeit immer wieder an dieses Scheitern erinnert. "Den französischen Philipp Marlowe" hat man Burma auch genannt, aber der Akzent liegt hier auf "französisch", und das macht den großen Unterschied.

Etwa zwischen 1954 und 1957 sind die meisten Romane der berühmten Serie "Die Geheimnisse von Paris" entstanden, deren Handlung jeweils in einem Arrondissement der Hauptstadt spielt. Zuvor waren etliche, noch ortsungebundene Abenteuer des rührigen "Privatflics" entstanden, zumeist vor dem Hintergrund des Krieges und der deutschen Besatzung. Was nun alle Werke auszeichnet, ist weniger die Maletsche Kunst der Dramaturgie oder gar seine stilistische Brillanz. Beides läßt doch arg zu wünschen übrig. Das Geschehen wird durch die "unglaublichen Zufälle" vorangetrieben, die es erlauben, lose baumelnde Handlungsfäden auf rustikale Art miteinander zu verknüpfen. Sprachlich erinnert Malet tatsächlich an Chandler und die anderen Protagonisten der "hard boiled story". Was ihn aber zu etwas Besonderem macht - und alle Schwächen so ziemlich vergessen läßt -, sind sein Humor, seine trockene Art der Weltsicht und der völlige Verzicht auf psychologische Stringenz. Burma ist nicht von besonderem, festgefahrenen Charakter, sondern zu allem fähig: Er bricht ein, er lügt, er betätigt sich als Leichenfledderer, Don Juan und vieles mehr, ohne daß ihn solche Dinge wirklich prägen würden. Er hat seinen eigenen Stil, keine Frage, aber der ist zu facettenreich, um noch eigen zu sein.

Von besonderer Güte ist auch das Stammpersonal der Romane, allen voran Nestors treue Sekretärin Hélène, die über die Jahrzehnte nicht zu altern scheint und immer die wunderhübsche Pariserin bleibt, die große geheime Liebe Nestors, die doch nie erfüllt werden darf. Und natürlich der bärbeißige Kommissar Florimond Faroux mit den nikotingelben Fingern und den schlechtsitzenden Anzügen.

Leseempfehlung: Eigentlich keine besondere. Spannend und amüsant sind sie alle, wenn man, wie schon erwähnt, sich nicht allzu sehr an den vielen unwahrscheinlichen Zufällen stört, die einem auf fast jeder Seite begegnen. Grob gesagt teilt sich das Werk Malets in die Serie "Die Geheimnisse von Paris" und die davor veröffentlichten Romane. Unter letzteren hervorzuheben "Das fünfte Verfahren", während - eine persönliche Vorliebe des Rezensenten - von den Parisromanen "Ticket in den Tod" den besten Eindruck hinterläßt. Erstmals in Deutschland hat der rührige Elster Verlag die Burma-Romane in den 80er Jahren veröffentlicht und die Taschenbuchlizenz an Rowohlt verkauft, so daß sich das Werk inzwischen wohlfeil erwerben läßt.

Aber was solls: Entweder man mag ihn - und dann verschlingt man eh alles - oder man mag ihn nicht, den manischen Erschnüffler des Pariserischen, dann kehre man schleunigst zur Hauptseite zurück.

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