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Crime School – Urlaubslektion: Spannungsstudien

Heute wollen wir den Unterrichtsstoff einmal nicht wissenschaftlich-trocken präsentieren. Es ist schließlich Ferienzeit! Begeben wir uns mit dem Dozenten und einer seiner vielen zufälligen Damenbekanntschaften an einen der schönsten Orte Deutschlands und beobachten sie bei der alltäglichen Suche nach der Krimiwahrheit.

(Ort: Eine gemütliche und preiswerte Pension auf Amrum. Es ist 9 Uhr morgens, wir betreten das Frühstückszimmer, in dem Familie Laskowski aus Duisburg-Ruhrort bereits Platz genommen und sich vom Buffet bedient hat. Es gibt drei Sorten Marmelade, Streichkäse und Zungenwurst, dazu Vollkornbrot, Brötchen und leider schon etwas trockene Croissants. Familie Laskowski besteht aus: Elmar Laskowski, 42, zum Personalsachbearbeiter umgeschulter Schweißer mit Schweißerpass; Gudrun Laskowski, 40, Hausfrau; Bettina Laskowski, 15 und pubertierend; Björn Laskowski, 12, hasst Mädchen).

Szene 1 (Personen: wie oben; Geschirr klappert, schweigender Verzehr der Mahlzeit. Die Tür geht auf und eintreten: dpr, nicht mehr ganz jung, Krimiblogger, und Anobella, etwas jünger, Feldwaldwiesenbloggerin. Beide befinden sich in äußerlich angegriffenem Zustand. Die Haare zerzaust, schwarze Ringe unter den Augen, die Kleidung nachlässig. Krimiblogger dpr zudem sichtlich schwankend, Puddingknie, er muss sich mehrmals an Tischrändern, Stuhllehnen stützen, um nicht umzukippen. Die beiden steuern einen Tisch in der Ecke an, setzen sich, die Wirtin bringt eine Kanne Kaffee und wünscht guten Appetit. Frau Laskowski, die die beiden Neuankömmlinge beobachtet hat, schickt ihren „Weißt du noch damals, als wir in den Flitterwochen...“- Blick Richtung Ehemann, der es vorzieht, sich nicht zu erinnern und seine Aufmerksamkeit demonstrativ konzentriert der Bestreichung einer Brötchenhälfte schenkt).

Anobella (drohend, mehr als Zimmerlautstärke): Und WEHE, du fängst jetzt wieder damit an!

(Frau Laskowski horcht auf.)

dpr (betont deeskalierend): Aber wir sind doch noch gar nicht fertig!

Anobella (drohender, Orkanlautstärke): Mensch! Mit der Nummer hast du mich heute nacht ZWÖLFMAL genervt! Ich kann einfach nicht mehr!

(Bettina Laskowski vergisst das Kauen, Gudrun Laskowski wird ihren vorwurfsvollen „ZWÖLFMAL – UND DU???!!!“- Blick gen Elmar Laskowski, der weiterhin so tut, als sei nichts, für sich aber denkt: „Ich müsste vielleicht doch mal die Viagra-Spammails lesen“. Björn Laskowski hasst immer noch die Mädchen.)

Anobella (etwas gedämpfter, aber dafür umso giftiger): Es ist einfach lächerlich zu behaupten, Wolf Haas verrate den Spannungsauftrag des Genres zugunsten einer humoresken Pseudoordnung! Die Spannung in Kriminalromanen beruht eben nicht allein auf dem Wunsch des Lesers, vom Nichtwissenden zum Wissenden zu werden! Und überhaupt: Auch Wolf Haas schreibt Whodunits!

Dpr (hat seine erste Tasse Kaffee auf ex ausgetrunken und schielt nun nach dem Büffet): Wolf Haas benutzt die Krimidramaturgie zur Beförderung einer perspektivisch hochsubjektiven, ins permanent-penetrant Komische gewendeten Milieuzeichnung – gut, soll er! Aber er missbraucht diese Dramaturgie! Am Ende geht es nur noch um die Lacher, nicht aber mehr um das Abgründige, die Zerschlagung des Dichotomischen oder gar die psychologische Ausgangskonstellation des Leseakts als kognitives Befriedungsphänomen in einer massenmedial ferngesteuerten Gesellschaft. Wissenschaftlich formuliert: Wolf Haas ist so spannend wie Bockwurst mit Krautsalat. In richtigen Krimis beginnt der Leser als Nichtwissender, ja, er wird vom Autor geradezu in die Rolle eines Zubelehrenden gedrängt, ihm wird vorgegaukelt, er könne selbst „mitraten“, aber das ist natürlich Quatsch, es ist reine Belehrung, es ist.... (hat sich erhitzt, ist lauter geworden, Frau Laskowski hat nur „vorgegaukelt“, „bedrängt“ gehört, das Wort „Quatsch“ ist als „Orgasmus“ interpretiert worden, "Belehrung" als "Entleerung").

Anobella (versucht zu beruhigen, ist aber auf 180): Reg dich ab. Komm, wir fassen erst mal Frühstück. Wahrscheinlich wirst du mir dann verklickern wollen, das Spannungsphänomen sei auch ein Zeitphänomen, der suspense des 19. Jahrhunderts nicht der des 20.

Dpr (seufzt hungrig): Genau.

(Beide erheben sich und gehen zum Buffet, nehmen sich Teller und laden auf: je zwei Brötchen, einen Klacks Erdbeer- resp. Himbeermarmelade, zwei Scheiben Zungenwurst (dpr), eine Portion Streichkäste (Anobella), vier Päcklein Butter. Wortlos tragen sie ihre Beute zurück an den Tisch, beginnen mit der Zurichtung der Lebensmittel).

Anobella (kaut, ist immer noch auf 180): Du übersiehst aber eins: Die Lektoren von Rowohlt haben das GANZ ANDERS GESEHEN! Aber jajaja, du magst keine Lektoren, weiß schon, alles Pfuscher, alles Schwätzer. Und die LESER erst! Gekauft wie geschnitten Brot haben die den Haas!

Dpr: Ja. Aber nicht weil es Krimi ist, sonden weil es lustig ist. Ich bestreite auch gar nicht, dass es lustig ist, aber es ist eben nicht Krimi, weil die Spannungsbogen –

Anobella: SpannungsBÖGEN

Dpr: BOGEN. Weil also die SpannungsBOOOOGEN nur zu dem einzigen Zweck der Camouflage –

Anobella (lacht so gehässig auf, dass ihr ein Stück mit Erdbeermarmelade bestrichenes Brötchen aus dem Mund auf die Tischdecke fliegt): Camouflage!? (laut) DU bist doch hier derjenige, der mir seit Jahren weißmachen will, der Höhepunkt sei immer eine Vorspiegelung falscher Tatsachen! (leiser, denn sie hat gemerkt, dass Frau Laskowski sich an einem Stück Croissant verschluckt hat) Das nennst du doch „die dem Genre immanente Leserdüpierung, das Spiel mit der Erwartungshaltung“.

Dpr: Ja, ja. Lass uns nachher im Strandkorb weitermachen!

(Herr Laskowski merkt auf. Im Strandkorb? Rauskriegen, wo der ist, dann zufällig vorbeilaufen. Frau Laskowski erahnt die schmutzigen Gedanken ihres Ehemanns und schickt ihm ihren vernichtenden „Ja, GUCKEN kannst du noch!“-Blick, Bettina Laskowski nimmt sich vor, SO MAL NICHT zu werden wie die beiden dort drüben, Björn Laskowksi stellt sich vor, wie er die Kleine mit den Zöpfen zwei Minuten lang ins Meerwasser tunkt.)

Anobella (schreit): Schon wieder!? Das machen wir jetzt seit sieben Tagen!!! UNUNTERBROCHEN!

(Frau Laskowski denkt: Beneidenswert! Herr Laskowski: Quantität ist nicht automatisch Qualität. Bettina Laskowski: In der BRAVO steht so was nie. Björn Laskowski: Ich werde die Mädchen immer hassen, vor allem die kleine Dürre aus Würzburg mit den Zöpfen!)

(Dpr und Anobella stehen auf und verlassen den Speisesaal. Dpr noch immer bedenklich schlecht auf den Beinen.)

Bettina Laskowski: Du, Mama---

Gudrun Laskowski: Ja, Schatz?

Bettina Laskowski: War das nun das Vorspiel – oder schon das Nachspiel?

Gudrun Laskowski: Das verstehst du nicht, Kindchen. Frag mal deinen Vater, der hat das auch nie kapiert.

dpr

22. Juni 2007

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