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Kapitel V

wickius_forts_cover_2.jpg

Was bisher geschah: Ein berüchtigter Krimiblogger tot; eine merkwürdige Liste bei ihm gefunden; sieben Syndikatsmitglieder nach einer Lesung entführt; die Beller noch mal ins Büro gefahren; Wickius allein zuhaus.

Achtung! Auf Wunsch der Herren Patzer und Menke wurde das folgende Kapitel in schwerliterarischem Schreibstil mit mindestens 50% Existenzphilosophie ausgeführt. Erst gegen Ende sorgt das Erscheinen der Anna Beller für die Herabsenkung des literarischen Niveaus, was der oberflächlichen Sinnlichkeit von Frauen im Allgemeinen und der Beller im Besonderen angelastet werden muss, nicht aber dem Autor. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Das Morgengrauen. Wickius pendelt zwischen Wachen und Schlafen, eine imaginäre Landschaft, nebelverhangen und düster, ein Flugzeug durchschwankt lautlos von links nach rechts zittriges Firmament, zieht ein Banner hinter sich her, und auf diesem Banner steht es in der krakeligen Schrift eines verwirrten Jünglings: Morgengrauen.

Schon als Kind hatte Wickius die Zeit zwischen Dunkel und Hell gefürchtet, erschien sie ihm doch wie der Übergang von der Ermordung der Nacht zur Geburt des Tages, dachte er schon – kaum vier Jahre alt! -, dass jedem Sein ein Nichtmehrsein vorausgeht, jedem Atmen ein Erwürgen, jeder aus dem Uterus des Universums herausdrängenden Sonne ein im Desaster schwarzer Löcher verschlungener Mond. Er hatte – kaum vier Jahre alt! – mit keinem Menschen über seine Gedanken reden können, die Menschen sahen das nicht so, die Menschen, hatte er immer gedacht, als sei er keiner, als habe ihn wer anderes geboren als die beiden guten Alten, die ihm Griesbrei mit Pudding machten oder mit ihm auf die Kirmes gingen, wenn die Kirmes in der Stadt war.

Impuls und Reaktion, dachte Wickius in diesen Minuten des Halbschlafs, und sofort schwand das Bild der vernebelten Landschaft, schwenkte das Flugzeug in die andere Richtung, stand nicht mehr „Morgengrauen“ auf dem Banner, sondern Namen jener mysteriösen Liste, welche in der Wohnung der ermordeten Krimibloggers „Der Unerreichte“ aufgefunden worden war.

Das Leben, wusste Wickius, besteht aus Impuls und Reaktion. Zwei Geschehnisse, durch Gleichheitszeichen miteinander verbunden. Essen wollen = arbeiten müssen. Ein hübsches Mädchen sehen = sofort dumm anmachen. Das waren Zwänge, das waren die Fäden, an denen man wie eine Marionette durch sein Dasein manövriert wurde. Irgendetwas ist vorgegeben und du musst handeln, wie du handeln musst.

War das ein Weg, die Liste zu lesen? Kaum. Astrid Paprotta = Angela Merkel, Impuls = Reaktion? Musste, wer A wie Astrid sagte, etwa auch A wie Angela sagen? Wickius grübelte. Er hatte Astrid Paprotta einmal persönlich getroffen, zufällig, als er über die Frankfurter Buchmesse schlenderte. Sie hatten zusammen Kaffee getrunken und sich unterhalten, doch am Ende waren die Dinge aus dem Ruder gelaufen. Beide weigerten sich, den Kaffee zu bezahlen, Wickius, weil er argumentierte, man befinde sich in Frankfurt, Astrid Paprotta wohne in Frankfurt, sei also quasi Gastgeberin und logischerweise für die Begleichung der Rechnung aus Gründen des kultivierten Anstandes verantwortlich. Eine lückenlose Argumentationskette, die die Paprotta indes mit dem Hinweis zerriss, SIE sei die Autorin, ER aber nichts weiter als der schmeißfliegengleich um die Dichterinnensonne kreisende Satellit.

Nach langen und nervenzermürbenden zehn Minuten hatte Wickius schließlich bezahlt, drohte doch die Bedienung, sie alarmiere den Sicherheitsdienst, wenn hier „weiter so rumgehampelt“ werde, „das wollen Intellektuelle sein, ja leck doch die Kuh am Arsch!“. Man hatte sich unter Beschimpfungen voneinander getrennt, Wickius der Autorin noch ein „Dein nächstes Buch zerreiß ich in der Luft!“ nachgerufen und, Wickius schämte sich dafür, tatsächlich getan, unter Pseudonym, im hochwertigen Blog des geschätzten saarländischen Kollegen.

Doch was sagte ihm das alles? Konnte man daraus schließen, auch Angela Merkel würde ihren Kaffee nicht bezahlen? Natürlich würde sie ihren Kaffee nicht bezahlen, Politiker hatten nie Geld oder Kreditkarten dabei, für sie war das Leben eine einzige große Party, das sich krumm arbeitende Volk der mürrische Gastgeber, dem man die Salzstangen wegfraß, den Champagner wegsoff. Die Paprotta war bei jenem legendären Treffen nicht alleine gewesen, eine „Privatsekretärin“ genannte ziemlich graue, bebrillte Maus im Schlepptau, „das ist die Bettina, die hat Germanistik studiert und trägt mir jetzt das Handtäschchen“. Bettina hatte sich nicht mit an den Tisch setzen dürfen, Bettina hatte natürlich auch keinen Kaffee bekommen, sondern am Eingang gewartet, das Handtäschchen in der Rechten, den Blick starr auf das smalltalkende Duo, als stünde sie unter Drogen, so war es Wickius vorgekommen, während ihm die Paprotta genervt seine Fragen beantwortete („Literarische Vorbilder? Also Marcel Proust find ich ganz süß! Den Brett Pitt aber auch!...Nee, ich hab nie nen Plan, ich dichte so mehr aus mir raus.“).

Behandelte Angela Merkel ihre Untergebenen ähnlich? Was das der durch das Gleichheitszeichen hergestellte Zusammenhang? Der Zynismus der Mächtigen, die allgegenwärtige Menschenverachtung als Folge von Machtmissbrauch? Wickius, inzwischen mehr wach als schlafend, schüttelte energisch den Kopf. Ganz gewiss nicht. Dazu waren die beiden wohl doch zu verschieden, schon rein äußerlich:

papmer.jpg

Aufstehen, ans Fenster treten, dieses öffnen, auf dass neues Leben, für das altes Blutzoll hatte zahlen müssen, in die stickige Wohnung ströme, mit ihr die Geräusche der Sinnlosigkeit allen Tuns. Ja, dachte Wickius und schaute aus dem dritten Stock auf die Straße, auf die Köpfe der wie Ameisen geschäftig Taumelnden, ja, dachte er: Das Leben ist eine Inszenierung jenes höheren Wesens, das die einen Gott nennen, die anderen aber Angela Merkel oder wie auch immer.

Hatte er sich verrannt? War die Liste am Ende ganz einfach zu lesen? Überhaupt: Die Episode mit der Paprotta --- etwas war ihm damals aufgefallen, ein unerhörter Gedanke hatte sich seiner bemächtigt, nicht zu fassen, heute noch viel weniger, aber er war da, ein grinsender Dunkelmann im Hintergrund. Wenn er ihn nur zu fassen bekäme...

Nein, ganz einfach. Astrid Paprotta schreibt einen Schlüsselroman über Angela Merkel. Norbert Horst einen über Günter Grass, Horst Eckert über den Düsseldorfer Oberbürgermeister --- hatte er nicht sogar schon.... Oder ganz anders: Die KrimiautorInnen vor dem Gleichheitszeichen arbeiten als Ghostwriterinnen für die Persönlichkeiten nach dem Gleichheitszeichen. Bei Anobella konnte sich Wickius durchaus vorstellen, dass sie die Reden für Claudia Roth, die stets geschmackvoll gekleidete und tiefsinnige Vorsitzende der Grünen verfasste. Wahrscheinlich gab sie ihr sogar Schminktipps.

bellaroth.jpg

Wickius ging in die Küche und bereitete sich Frühstück. Wickius saß am Küchentisch und nippte vom Kaffee. Wickius biss ins Marmeladenbrot und wischte sich einen Krümel aus dem Bart. Wickius betrachtete den Krümel auf dem Tisch und erkannte in ihm eine Allegorie, eine Metapher sowie ein poetisches Bild. Wickius dachte: Dieser Krümel bin ich, aus dem Bart des Schöpfers gewischt. Wickius fühlte sich ganz klein. Wickius fühlte sich ohnmächtig. Wickius stand plötzlich auf, öffnete das Küchenfenster, betrachtete den Hinterhof, der vorsichtsmäßig macadamisiert war (war’n Schwager Coopers nebenbei, bitte googeln). Wickius fühlte sich wie ein Stück Moor im Asphalt. Wickius dachte: Ich versinke in mir selbst, denn ich bin das Moor und um mich herum die verhärtete Fahrbahn der menschlichen Triebwerke. Wickius legte sich wieder ins Bett und las einen Krimi, in dem es darum ging, dass einer der Ghostwriter eines anderen wird, dieser andere stirbt und dann der Ghostwriter in die Rolle dieses anderen schlüpft. Wickius wusste, dass kein Schwein Titel und Verfasser des Buches herausbekommen würde. Wickius war deprimiert, Wickius legte das Buch zur Seite und versuchte zu schlafen, Wickius konnte nicht schlafen, Wickius hörte, wie die Wohnungstür geöffnet wurde, Wickius sah, wie Anna Beller ins Zimmer schlüpfte, Wickius wusste, dass Anna Beller nackt war, Wickius spürte, wie sich Anna Beller neben ihn legte, Wickius fragte nur: „Wer diesmal?“, Anna Beller antwortete nur: „Hercule Poirot, diese schleimige belgische Hormonpraline“, Wickius wusste, dass die Beller unter dieser fürchterlichen Krankheit litt, deren Erklärung dem aufmerksamen Leser, der aufmerksamen Leserin dieses Fortsetzungskrimis nicht mehr zugemutet werden kann, Wickius drehte sich um und schlief sofort ein.

- Und erwachte mit einem Mal, ein Bild hatte sich in seinen Schlaf hineingestohlen, das Bild jener unseligen Begegnung mit der Frau P. und ihrem lemurischen Schatten, der grauen Bettina --- konnte das sein, was jetzt so vage in ihm vor sich hin dachte, eine furchtbare Hypothese, doch nacheinander tauchten noch mehr Bilder von Begegnungen mit Kriminalschaffenden in den Turbulenzen des Wickiusschen Alptraums auf --- das war doch --- und über allem stand das liebliche Antlitz der Barbra Reinhardt, neuinstallierte Gerichtsmedizinerin, dieses Madonnenbild, das Wickius gefesselt hatte, warum? Das hatte er nicht gewusst, die ganze Zeit wohl verdrängt, doch jetzt stand es ihm klar vor Augen, und er öffnete diese seine Augen, richtete sich kerzengerade im Bett auf, la Beller nöhlte „Na, endlich wach geworden?“ im Halbschlaf – nein, nein, nein! Wenn das wahr wäre...

18. Juni 2007

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