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John Farrow : Eishauch

Voilà: Wtd hat eine neue Rezensionsfachkraft! Anna Veronica Wutschel, bekannt aus "Krimizeit", "Krimisamstag im Titelmagazin" und als kundige Mitarbeiterin des Krimijahrbuchs, wird fortan in loser Folge das wtd-Publikum mit ihren fundierten Meinungen zu Werken der Kriminalliteratur beglücken. Herzlich willkommen! So, und jetzt geht’s los...

Weil Nehmen im allgemeinen verflixte Vorteile hat, und ein guter Polizist auf Tipps angewiesen ist, hat Detective Emile Cinq-Mars nicht lange gezaudert, als ihm der Teufel Brisantes ins Ohr flüsterte. Hochkarätige Festnahmen und ein legendärer Ruf waren Emiles Lohn. Dass ein Teufelspakt jedoch immer seinen Preis hat, kann auf Dauer auch der Detective nicht ignorieren. Harte Verluste werden eingefahren, die Mafia, die Russen, Bikerbanden und diverse Geheimdienste spielen Krieg. Aber : Don’t mess with Emile ! Auch der weiß, wie man hart zuschlägt und eiskalt um Leben feilscht.

Detective Emile Cinq-Mars ist ganz old school, mit allen Wassern gewaschen und sehr eigenen Prinzipien. Er sieht es ungern, wenn seine Stadt, Montreal, von kriminellen Subjekten, von ganzen Gangs bedroht wird. Doch erst als man ihm persönlich eine Botschaft präsentiert, ihn herausfordert, als er nämlich an Heiligabend einen seiner Informanten brutal abgeschlachtet auffindet, steigt Cinq-Mars grimmig in den Ring. Wer ist der Täter ? Und wer die Drahtzieher ? Eine Menge unangenehmer Menschen, bei den eigenen Kollegen angefangen bis hin zu den Hells Angels, der Rock Machine oder der Mafia, stehen auf Cinq-Mars’ Liste. Die Luft wird dünn, der Spielraum eng, wenn man Freund und Feind nicht voneinander unterscheiden kann. Und man selbst – in nahezu eitler Gleichgültigkeit – bislang als Hampelmann einem seiner Feinde in die Hände gespielt haben könnte.

Montreal, die heimliche Protagonistin in John Farrows “Eishauch”, ist brutal umkämpft. Farrow weiß elegant die bewegte Geschichte der Stadt zu umreißen, ihre Reize und schmutzigen Verlockungen auszuspielen. Vor allem die aktuelle Lage ist brisant, die ‘politischen, ökonomischen und sozialen Strukturen’ bröckeln längst, und das Verbrechen hält prassend Einzug. Montreal ist multi-kulti, wobei sich nicht einmal die überwiegend frankokanadische Bevölkerung mit der anglokanadischen recht vertragen will. Was sich abspielt ist Krieg – und dabei ist Montreal nur ein Stolperstein auf dem breiten brutalen Pfad zu globaler, verbrecherischer Macht ; bombende Biker nur das kriminelle Abbild vom erbarmungslosen Versuch, um jeden Preis zu expandieren.

Grandios, wie Farrow die Fratzen des Bösen koloriert. Die sitzen vermeintlich überall, in schicken Anzügen, scharf geschult. Oder auch in den eigenen Reihen der Polizei, ab und an korrupt und vehement inkompetent. Cinq-Mars (benannt in Anlehnung an den kriegerischen Gott Mars) muss gewaltig tricksen und knurren. Zuweilen greift er auf die nicht ganz legale Hilfe engagierter Zivilisten zurück, wenn er nicht gleich gänzlich illegale Methoden anwendet, um seine schwer durchschaubaren Pläne umzusetzen. Sein junger anglokanadischer Partner Mathers blickt nicht immer durch, hängt sich aber etwas vorlaut und wenig zimperlich an Cinq-Mars’ Fersen. Okinder Boyle, der fidele Journalist, der mit Vorliebe über Obdachlose schreibt, geht einer bösen Finte auf den Leim, wird neugierig und kombiniert phantasiebegabt, was Emile Cinq-Mars kaum zu ahnen wagt. Doch wer ist der stets perfekt gekämmte, verdammt höfliche, ergraute Herr? Dieser ältere Knabe im feinen Zwirn, der die derbere junge Schönheit Julia mit etwas Kopflastigem und etwas Wildem umgarnt ? Und liegt es tatsächlich an Julias körperlichen Handicaps, dass es ihm gelingt, sie auf eine aberwitzige Mission ins ‘Herz der Hölle’ zu schicken?

Gut – was die Frauenfiguren in “Eishauch” angeht - da müssen wir ein Äuglein zudrücken. Betörend sind sie. Vor allem der Wildfang Julia hüpft als Verführung glaubhaft durchs Papier. Alles in allem jedoch hält sich Farrows Damenwahl äußerst funktional als Stichwortgeber für männliche Weltanschauungsmonologe im Hintergrund. Sie könnten gärtnern, sie dürfen Pferde pflegen. Und wer auf Nervenkitzel aus ist, darf seine Reize im Dienste der bösen Guten aufs Spiel setzen. Sollte frau zwischenzeitlich fast die Lust verlieren, weiß der erfahrene Sugardaddy genau, wie er sie bei der Stange hält. Nö, das ist weiblicher Statisten-Charme im Kriegsgebiet. Aber gut - sei’s drum - auch Cinq-Mars war bis gestern noch Handlanger, und solch trüber Schatten kann das gewaltige Gesamtbild von “Eishauch” nicht wirklich beeinträchtigen.

Sieben literarische Romane hat Trevor Ferguson bereits verfasst. Die Kritik jubelte, der kommerzielle Erfolg blieb aus. Nun hat Ferguson als John Farrow einen famos bösen, klug gedrehten und auch amüsanten Krimi vorgelegt, ein echter Bestseller, der eigentlich zu gut ist, um einer zu sein! Das ist exzeptionell, da ist nichts verrüscht, nichts verkuschelt, und doch weht ab und an ein fast lyrisches Lüftchen von gehüteten Traditionen und uralten Ahnen durch den Text. Wer sich über die ersten 300 Seiten schon bestens unterhalten fühlt, kann sich nur wundern, wie Farrow in der zweiten Halbzeit richtig frech aufdreht. Mit Emile kann’s noch was geben. Wir bitten darum !

Anna Veronica Wutschel

John Farrow : Eishauch (City of Ice, 1999). Roman. Deutsch von Friederike Levin. München : Knaur 2009. 587 Seiten. 8,95 Euro.

1. April 2009

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